Das Projekt «Wegmacher» dankt über 450 Frauen und Männern, welche die Wander- und Bikewege im ganzen Kanton Graubünden instand halten. Gemeinsam sorgen sie dafür, dass die Wege sicher und erlebbar bleiben – bei jedem Wetter, oft im Verborgenen. Mit einer Geschenkaktion, persönlichen Botschaften und medialer Sichtbarkeit wird ihre Arbeit gewürdigt. Ein Interview mit zwei Wegmacher:innen.
Wer seid ihr?
Martina: Ich bin Martina Stauffer, komme ursprünglich aus der Umgebung Biel, aber war immer wieder in Scuol und Umgebung. Ich bin gelernte die Landschaftsgärtnerin.
Jacky: Ich bin der Jacky, komme ursprünglich aus Bayern und lebe seit über zwanzig Jahren in Scuol und bin dementsprechend auch schon lange Biker hier in der Umgebung. Mein Job ist es, die Wege zu unterhalten, neue Wege anzulegen und ja, dem Bike-Tourismus hier ein bisschen auf die Sprünge zu helfen. (lacht)
Und du, Jacky, auch wenn du allein unterwegs bist, du bist nicht allein unterwegs?
Jacky: Stimmt, ich bin nicht allein unterwegs. Aber auch Martina hat ihren Hund dabei. Wir haben zwei Trail Dogs, die auf uns aufpassen und die sind auch immer mit auf der Strecke.
Wo seid ihr heute und was macht ihr?
Martina: Ich gehe heute auf Champatsch, auf die Strecke ins Val Laver, kontrolliere und putze Entwässerungen, schaue, dass es nicht mehrere Wege gibt, nehme grössere Steine raus und halte einfach den Weg in Schuss.
Jacky: Und ich bin im Val Sinestra und arbeite an einem neuen Weg Richtung Vnà. Ziel ist, dass man mit dem E-Bike bergauf pedalieren und und mit dem Gravel Bike von Vnà Richtung Sinestra bergab fahren kann. Es sind 600 m Neuanlage, alles ist verbuscht, steil und verblockt. Den alten Weg müssen wir teilweise auffüllen. Darum arbeite ich mit Maschinen. Von Hand bräuchte man ein halbes Jahr.
Was bedeutet die Arbeit auf den Wegen für euch? Und was ist das Schönste an eurem Job?
Jacky: Für mich ist es eine grosse Verantwortung, weil das Biken hier auch mit einigen Gefahren, wie erhöhtem Sturzrisiko, verbunden ist: Pedale die einhängen oder Wurzeln, die schräg über den Trail gehen. Darum sollten wir aufmerksam durch die Trails gehen, um solche Unfälle vorbeugen zu können. Das Schönste für mich ist natürlich, dass ich in meinem eigenen Zuhause meine Trails für mich pflegen und unterhalten darf (lacht). Das ist eine Sensation.

Martina: Für mich ist das Beste am Job, dass ich in der Natur an den schönsten Orten arbeiten kann. Und es ist toll, wie die Leute dankbar sind: Wenn sie vorbeikommen, strahlen sie dich an und sagen Merci oder stellen noch eine Frage.
Gibt es einen Moment, der euch besonders in Erinnerung geblieben ist beim Schaffen auf dem Weg?
Jacky: Ja, viele, sehr viele. Die schönsten Momente sind eigentlich wirklich, wenn uns die Biker auf unseren Trails entgegenkommen, mit freudigen Lachen im Gesicht, und sich dann auch noch für die tolle Arbeit bedanken. Es ist ein Knochenjob, harte körperliche Arbeit.
Was ist die grösste Herausforderung?
Martina: Zu entscheiden, wie viel jetzt wirklich in jedes einzelne Detail, jede Entwässerung, jeden Stein investiert wird, weil die Zeit beschränkt und das Wegnetz gross ist. Es ist nicht so, dass man einfach ewig an allem rummachen kann. Und nachher sagt man sich: «Jo, aber jetzt bin ich hier und jetzt mache ich’s».
Jacky: Die Natur, Wetter und das Körperliche. Wir sind am Tag im Schnitt zwischen zehn und fünfzehn Kilometer unterwegs, haben einige Höhenmeter und schaffen nebenbei noch handwerklich, also mit Maschinen oder mit Stilwerkzeugen. Und das Wetter ist herausfordernd: wenn’s dich so einregnet (lacht), dass du gar nicht mehr weißt, wie du trocken werden oder dich trocken halten sollst.
Gibt es etwas, das ihr immer mit dabeihabt und was esst ihr am liebsten unterwegs?
Jacky: Also, was wir immer mit dabei haben, ist Essen, Reservekleidung, Wetterschutz. Was hast du noch dabei?
Martina: Ein Sackmesser. (lacht)
Jacky: Ein Sackmesser, ja. (lacht) Und was wir natürlich auch immer dabeihaben, sind unser Shaper-Tool, Schaufel, Kesseli, um Erde zu verfrachten, Hacken. Das sind unsere täglichen Wegbegleiter. Und Essen, was esse ich am liebsten? Jo, das, was am Abend übriggeblieben ist. (lacht)
Martina: Und natürlich immer ausreichend zu trinken. Das kann man nicht überall auffüllen. Immer genug, dass es für uns und die Hunde reicht.

Gibt es bei euch einen typischen Arbeitsalltag?
Jacky: Es ist immer anders. In der letzten Saison hatten wir viel Schnee vom Winter, deswegen auch viele Erosionsprobleme. Dieses Jahr mit Regen und Sonne wächst alles wie im Urwald und wir sind am Mähen, Pflegen und Hecken Zurückschneiden. So stellt sich eigentlich jeden Tag aufs Neue die Frage: Was erwartet uns? Wir gehen rein und gucken, wie es ist. Das ist das Schöne, dass es halt nie das Gleiche ist. Du kannst nie sagen, okay, ich gehe jetzt dahin und putze den Trail raus, weil dann kommst du hin und es ist eine Mure abgegangen und du musst erst mal zweihundert Meter Weg freischaufeln. Daher, typischer Arbeitsalltag? Nein, zum Glück nicht. (lacht)
Gibt es Situationen, in denen ihr euch über die Wegnutzenden oder die anderen Anspruchsgruppen, die auf den Wegen und im Gelände unterwegs sind, ärgert?
Jacky: Abkürzungen. Das ist so schade. Wir bauen unsere Wege sehr kurvenreich, aber nicht aus dem Grund, damit es den Bikern besonders viel Spass macht, sondern um die Erosion in den Griff zu bekommen. Dafür brauchen wir Richtungswechsel und kurze Gegenanstiege. Wenn dann eine Abkürzung eingelaufen wird und das Wasser sich einfrisst, dann verlieren wir die Vegetation dort und die Erosion schreitet fort. Das ist schade, denn der Weg ist ja das Ziel. Warum nimmt man den kürzesten? (lachen)
Was würdet ihr einem Kind sagen, das Wegmacherin oder Wegmacher werden will, wenn es gross ist?
Martina: Es ist sehr vielseitig, dass man alle möglichen Sachen eben ein bisschen machen kann, mal einen Baum fällen, mal etwas mähen, mal eine Steinmauer bauen, vielleicht mal eine Maschine bedienen. Also dann würde ich dem Kind vielleicht sagen: «Hey, mach möglichst viele vielseitige handwerkliche Sachen, und dann wird das sicher klappen».
Jacky: Also für Shared Trails würde ich sagen, fange an zu biken. (lachen) Und es ist, ja, es ist ein super Job, wie Martina schon gesagt hat. Wir arbeiten dort, wo andere Menschen Urlaub machen. Unsere Wegbegleiter sind Murmeltiere, Gämsen, Hirsche und Rehe. Ich kann mir eigentlich nichts Schöneres vorstellen.
Gibt es etwas, was ihr euch von Seiten der Politik oder von Seiten des Tourismus wünschen würdet?
Jacky: Oh ja. (lachen) Also allgemein in der Schweiz, in Graubünden, sind wir super weit voran mit den Fairtrails und es ist grossartig, was in den Wegunterhalt investiert wird. Wir sehen es jetzt im Moment gerade, wie viele Biker da sind. Aber die verschiedenen Perspektiven – Gemeinde, Jägerverbände, Forst, Alpwirtschaft – müssen berücksichtigt werden bei der Entwicklung des Wegnetzes. Ich glaube, man müsste etwas grosszügiger bauen dürfen, um das in der Zukunft auffangen zu können um mit den unterschiedlichen Nutzungsformen nicht in ein Nadelöhr voller Konflikte zu laufen. Daher wünsche ich mir von allen Seiten etwas mehr Offenheit, was die Infrastrukturen betrifft.
Martina: Wenn man es weltweit vergleicht, haben wir ein Riesenglück. Ich war gerade zwei Jahre in Lateinamerika. Wenn ich jetzt einem Lateinamerikaner sagen würden, was wir hier machen, der würde sich schon fragen, ob es das alles braucht. Wir haben ein wunderschönes Wegenetz, wunderbare Wanderwege und ich bin sehr dankbar, dass die Politik ermöglicht, was wir jetzt hier machen. Ich bin zufrieden und finde es schön, wie wir es hier in der Schweiz haben.
(Bilder: Tabea-Gruener/Xaver-Frieser/zVg.)