Wie Roger Schawinski die «Radio-Grischa-Posse» erlebte

Ein Gastkommentar von Radiomacher Roger Schawinski.

Vor einem Jahr haben die beiden Initianten Roger Schawinski und Stefan Bühler die Radio-Konzession für das Sendegebiet Graubünden, Glarus und St. Galler Oberland erhalten. Ein Jahr lang prozessierte die unterlegene Somedia gegen diesen Entscheid. Es wäre auch einfacher gegangen, wie der nachfolgende Beitrag von Roger Schawinski zeigt.

Gleich von Beginn weg setzten wir auf Dialog, auf Zusammenarbeit. Deshalb kontaktierte ich die Lebruments direkt nach unserem Sieg bei der Konzessionsvergabe. Wir sollten uns für ein Gespräch treffen, schlug ich ihnen vor. Nach langen Verhandlungen stimmten sie zu, aber nur, wenn dieses auf neutralem Boden stattfänden. Dafür schlugen sie die Geschäftsstelle des Verbandes Schweizer Medien an der Konradstrasse in Zürich vor, obwohl dort Verleger-Präsident und Somedia-Urgestein Andrea Masüger residiert, der ebenfalls anwesend sein würde. Neben mir am Tisch sass mein Partner Stefan Bühler, auf der Gegenseite nahmen Somedia-VR-Präsident Silvio Lebrument und sein CEO Thomas Kundert Platz.

Ich legte unseren Plan vor. Wir würden Somedia die gesamte Werbeakquisition überlassen, zudem würden wir grosszügig Werbung in ihren Medien buchen und auch bei Events mit ihnen zusammenarbeiten. Aber in Bezug auf journalistische Inhalte würden wir Konkurrenten sein. Silvio Lebrument schüttelte den Kopf. Dies sei überhaupt nicht in ihrem Sinn, meinte er. Wir sollten ein 50:50 Joint Venture machen, den Sender unter dem alten Namen weiterhin in ihrem Gebäude betreiben. «Und Sie, Herr Schawinski», teilte er mir etwas pathetisch mit: «Sie können Präsident eines Beirats werden.»

Ich traute meinen Ohren nicht. Dieses Angebot war grotesk, lächerlich und unbrauchbar zugleich. Es bewies, dass man im Churer Medienhaus schlicht nicht zur Kenntnis nehmen wollte, dass man bei der Konzessionsvergabe verloren hatte. Der Vorschlag widersprach auch diametral unserem Gesuch beim Bakom, in dem wir eine journalistische Konkurrenz zum regionalen Medienmonopol versprochen hatten.

«Keine Sorge. Wir bringen das beim Bakom durch», wischte Lebrument meine entsprechenden Einwände vom Tisch. Damit war das Gespräch beendet, denn für ein solch mieses Manöver standen wir nicht zur Verfügung. Masüger, auf den ich insgeheim als Stimme der Vernunft gehofft hatte, sagte kein einziges Wort. Auch CEO Kundert brachte sich nicht ein. In den Wochen danach hatte ich häufigen telefonischen Kontakt mit Thomas Kundert. Offensichtlich hatte er als CEO und damit als kühler Rechner erkannt, dass mein Ansatz für Somedia erhebliche Vorteile bot. Schon bald einigten wir uns auf die Eckpunkte. Doch kurz darauf teilte er mir in einem Telefonat enttäuscht mit, dass er leider bei der Familie Lebrument mit seinem entsprechenden Antrag abgeblitzt sei. Aber er wolle es nochmals versuchen, liess er mich wissen. Nach seinem erneuten Vorstoss legte er mir einen Fünf- punkte-Plan vor, der weitgehend auf meinem Vorschlag basierte. Bei den ersten vier Punkte sagte ich grundsätzlich zu. «Doch es gibt noch einen fünften», meinte er schliesslich zögerlich. «Sie müssen uns das Radio schon jetzt verkaufen, so dass wir es in spätestens zwei Jahren von Ihnen übernehmen können.» Reflexartig antwortete ich: «Es tut mir leid für Sie, dass Sie mir einen solchen Unsinn unterbreiten müssen. Sie wissen genau, dass das nicht passieren wird.» «Ich muss Ihnen nicht leidtun», war seine lakonische Antwort.

Ich liess dennoch nicht locker. So vereinbarte ich im Februar ein Treffen mit Susanne Lebrument, der klar dominierenden Person im Familien-Clan. Sie schlug einen Lunch im Hotel Quellenhof in Bad Ragaz vor. Dort erklärte sie mir ausführlich ihre Firmenstrategie. «Ich muss unser Unternehmen enkelsicher machen», sagte sie abschliessend. Eine solche Formulierung hatte ich nie zuvor gehört. Aber damit hatte sie mir ihre Mission glasklar präsentiert, nämlich auf Teufel komm raus die jährlichen 9 Millionen an Subventionen zu sichern, also den werthaltigsten Teil des «Familienerbes», den ihr «Bapa» in Bundesbern erstritten hatte. Für mich hiess dies: Sie würde weiterhin mit allen Mitteln versuchen, das Radio zurückzuholen.

Dann herrschte während Monaten Funkstille. Der öffentlich ausgetragene Fight wurde noch emotionaler, als wir öffentlich verkündeten, dass wir unseren künftigen Sender «Radio Grischa» nennen würden. Dies machten wir, nachdem wir beim Institut für Geistiges Eigentum (IGE) die Löschung der von Somedia seit beinahe zehn Jahren nicht mehr genutzten früheren Radiomarke beantragt hatten. Und die in allen Somedia-Produkten gepushte Petition gegen mich als Zürcher und damit als «fremder Fötzel» ging nach drei Monaten Sammelfrist ohne erkennbares Medienecho zu Ende.

Die Strategie von Somedia war nun klar: Man wollte die Sache mit allen Mitteln hinauszuzögern, um möglichst lange weiterhin die monatlichen 250000 Franken an Konzessionsgeldern kassieren zu können. Somedia-Anwalt M. hatte deshalb die Aufgabe erhalten, auch die allerletzten rechtlichen Möglichkeiten zu Fristverlängerungen beim Bundesverwaltungsgericht zu nutzen, das abschliessend über die Beschwerde gegen den Konzessionsentscheid entscheiden würde.

Im Oktober erhielt ich einen überraschenden Anruf unseres Anwalts. Er sei von der Gegenseite kontaktiert worden, ob noch immer ein Business Deal möglich sei. Ich sagte sofort zu. Was würden uns die Lebruments zu einem so späten Zeitpunkt vorschlagen, wunderte ich mich? Hatten sie endlich erkannt, dass ihre Chancen auf einen Sieg gegen Null tendierten? In einem Telefonat fragte mich M. daraufhin, ob das bereits früher ins Spiel gebrachte Vorkaufsrecht noch immer möglich sei. Darüber könne man reden, sagte ich ihm. Kurz darauf kam seine Rückmeldung. Dies reiche leider nicht. Bei einem Vorkaufsrecht habe sie ja keine «Planungssicherheit», habe ihm Susanne gesagt. Ich könnte ja 120 Jahre alt werden. Sie brauche unbedingt ein definitives Kaufrecht, das sie in spätestens fünf Jahren einlösen könne und damit die für sie unerlässliche «Planungssicherheit».

Und damit war auch die allerletzte Chance der von mir angestrebten gütlichen Einigung vom Tisch, weil die generationengetriebenen Lebruments weiterhin an komplettem Realitätsverlust leiden. Sie haben noch immer nicht verstanden, mit wem sie es zu tun haben, nämlich dass es Stefan und mir vor allem darum geht, ein brutal gehandhabtes Medienmonopol aufzubrechen. Wir wollen Verhältnisse schaffen, die für eine gelebte Demokratie unerlässlich sind. Deshalb kann man uns nicht mit der Verlockung vom schnellen «Stutz» locken. Dafür würden wir niemals unseren Ruf aufs Spiel setzen

«Bapa» Hanspeter Lebrument hatte seine Unternehmensphilosophie in einem Nachruf auf den früheren Firmeninhaber, dessen Besitz er sich ohne einen Franken Eigenkapital, dafür mit «unanständigen» Methoden – wie er in einem Interview in der NZZ freimütig erklärte – unter den Nagel gerissen hatte, so dargestellt: «Nur die Qualifizierten dürfen einen Medienbetrieb führen. Familienmitglieder geniessen dabei keine Vorrangstellung.» Dies war seine Theorie. Die von ihm gewählte Praxis war dann genau entgegengesetzt.

In einem weiteren Telefonat lieferte ich M. die Antwort auf den mir zuletzt präsentierten Vorschlag. «Susanne will unbedingte Planungssicherheit. Die kann sie von uns haben. Du kannst ihr mitteilen, dass wir ihr das Radio nie verkaufen werden, weder in zwei, noch in fünf oder in zehn Jahren. Damit hat sie jetzt absolute Planungssicherheit.»

 

Seit 6. Dezember heisst das von der Somedia betriebene Radio Südostschweiz wieder Radio Grischa, nachdem es 2015 in Radio Südostschweiz umgetauft worden. Die Radio-Konzession wurde anfangs 2024 an das Projekt Radio Alpin von Schawinski und Bühler vergeben, die mit ihrem Projekt die Medienvielfalt in der Region bereichern und das Medienmonopol der Somedia in der Südostschweiz durchbrechen wollen. Die Somedia hat eine Beschwerde gegen den Zuschlag eingereicht. Im Januar wird der Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts zur Beschwerde erwartet.

Dieser Artikel erschien erstmals im Churer Magazin.

 

(Bild Roger Schawinski/zVg.)