Der sechste Berner war zu viel: Orlik im Schlussgang geschlagen

Was für ein Jubiläumsschwingfest 125 Jahre BSV in Appenzell! Der Bündner Vorzeigeschwinger Armon Orlik zeigte am Eidgenössischen einen überragenden Wettkampf und eliminierte auf seinem Weg in den Schlussgang fünf Berner Eidgenossen (vier mal mit Sieg, einmal mit einem Gestellten). Im Schlussgang gegen den erfolgreichsten Schwinger des Jahres, Fabian Staudenmann, musste sich Orlik aber nach sieben Minuten geschlagen geben.

Einfach war die Aufgabe für Orlik wahrlich nicht. In den ersten drei Gängen am Vormittag bekam der Maienfelder drei schwergewichtige Berner Eidgenossen vorgesetzt – und zeigte sich in allen drei Kämpfen als «Bärentöter», auch wenn er einige heikle Situationen zu überstehen hatte.

Im Anschwingen bekam es Orlik mit Adrian Walther zu tun, der nach nur wenigen Sekunden ein erstes Ausrufezeichen setzte: Er hob den Bündner hoch und versuchte, ihn so zu bezwingen. Das gelang jedoch nicht, ebenso wenig wie Orliks Versuch, zu kontern. Kurz darauf versuchte Walther es mit einem Links-Kurz, bei dem Orlik zwar zu Boden ging, sich aber geschickt herausdrehte und entkam. Walther gestaltete den Kampf sehr offensiv, während Orlik seine starke Defensive zeigte – schliesslich hatte er in diesem Jahr noch keinen Kampf verloren. Als die letzten zwei Minuten begannen, ging alles sehr schnell: Orlik wehrte einen Angriff ab und besiegte Walther mit einem perfekten Konter.

Brenzlige Situation im zweiten Gang

Im zweiten Gang musste Orlik gegen den standfesten Brocken Christian Gerber zu tun: In der Anfangsphase gehörte die einzige halbwegs gefährliche Aktion dem Berner. Kurz darauf legte er nach, und es wurde für Orlik richtig, richtig knapp. Doch er konnte sich in letzter Sekunde befreien und zeigte seine Rumpfkraft und seine Defensivqualitäten. Dieser Moment war für Orlik ein Weckruf. Danach zeigte er mehr Einsatz und nutzte die sich bietende Gelegenheit. Er sicherte sich den zweiten Sieg – und das mit der Bestnote.

In der letzten Spitzenpaarung vor dem Mittagessen traf Armon Orlik auf den erfahrenen Berner Defensivkünstler Thomas Sempach. Anfangs machte es Sempach dem Bündner nicht leicht. Doch nach zwei Minuten gelang es dem nun offensiv schwingenden Orlik, den Berner ins Sägemehl zu legen. Es war erst das vierte Mal, dass Sempach in diesem Jahr auf dem Rücken landete – für Orlik war es der dritte Sieg in Serie.

Fünf Berner Eidgenossen vorgesetzt

Am Morgen hatte Armon Orlik wie erwähnt drei Berner Eidgenossen bezwungen, beim vierten riss die Siegesserie. In fünf vorherigen Duellen konnte Orlik gegen Matthias Aeschbacher zweimal siegen, zweimal endeten sie unentschieden und einmal hatte er verloren. Zu Beginn gingen beide Kämpfer kein grosses Risiko ein. Erst nach über zwei Minuten startete Orlik einen ersten offensiveren Versuch, doch Aeschbacher wehrte erfolgreich ab und schien vor allem darauf bedacht, nicht zu verlieren. Etwas mehr als zwei Minuten vor Schluss setzte Orlik zu einem Kurzgriff an, gefolgt von einem Übersprung – ein starker Angriff, der jedoch keinen Erfolg brachte. Dieser Versuch war jedoch der Auftakt für eine weitere explosive Aktion, bei der Aeschbacher zu Boden ging, sich aber befreien konnte. In der Schlussphase schien der Sieg für Orlik greifbar, doch es reichte nicht. Der Kampf endete unentschieden. Die Noten fielen unterschiedlich aus: Orlik erhielt 9,00, Aeschbacher 8,75. «Man sah es schon, ich habe für das Team gekämpft», gab Aeschbacher nach dem Kampf die Strategie klar bekannt. 

Im fünften Gang war die Aufgabe für Orlik somit klar: Gegen den fünften (!) Berner Eidgenossen in Serie musste der Maienfelder mit einer platten 10.0 gewinnen, um doch noch in den Schlussgang einziehen zu können. Schon im Bernisch Kantonalen hatten die Berner Teilverbandsschwinger noch reüssiert, den Bündner Koloss gemeinsam auszubremsen. Auch in Appenzell traf Orlik mit Dominik Gasser auf einen Gegner, der es vor allem darauf anlegte, Armon Orlik einen harten, kräfteraubenden Kampf zu bieten, obwohl er es im Grunde noch in den eigenen Händen hatte, in den Schlussgang einzuziehen. Die beiden gingen mit einer gewissen Vorsicht zu Werke, keiner wollte zuerst zu viel riskieren. Erst nach Hälfte der Gangdauer wurde Orlik initiativer und brachte Gasser prompt mit Kurz zu Fall. Er hob ihn noch einmal etwas an und legte ihn platt aufs Kreuz. 

Traumschlussgang und Gigantenduell

Somit kam es zum Traum-Schlussgang und Giganten-Duell zwischen Armon Orlik und Fabian Staudenmann, die beide das ganze Jahr über nie verloren haben. Zuvor hatten die beiden Spitzenschwinger dreimal schon zusammengegriffen. Einmal hatte dabei Orlik gewonnen (beim ESAF 2019 in Zug), zweimal (in diesem Jahr auf der Schwägalp und am Schwarzsee) gabs einen Gestellten. 

Als Favorit ging gleichwohl Staudenmann in den Kampf, war er doch nicht nur der erfolgreichste Schwinger des Jahres, sondern verbrauchte er auf seinem Weg in den Schlussgang deutlich weniger Kraft als Orlik. Der Bündner hingegen zeigte das ganze Fest hindurch seine bestechende Form, wie schon das ganze Jahr, und hätte sich mit einem sechsten Sieg über einen Berner endgültig zum «Bärentöter» mausern können.  

Die beiden Schlussgang-Teilnehmenden schenkten sich im Schlussgang nichts und zeigten ein Duell auf Augenhöhe: Am Ende griff Orlik erfolglos mit einem Hüfter an, verlor dabei etwas die Balance und lief in einen Übersprung-Konter. Aus und vorbei – mit der ersten Niederlage des Jahres verlor Orlik auch den Schlussgang und das Jubiläumsschwinget. Für einmal dürfte der dritte Schlussrang und der obligate Kranz ein schwacher Trost sein für den Bündner Vorzeigeschwinger.

 

(Bilder: SRF)