Freie Fahrt im neuen Albula-Tunnel

Der neue Albula-Tunnel der RhB ist feierlich eingeweiht. Mit Bundesrat, Lichtshow und einer Extrafahrt. Mit einem Theater, Alphorn-Musik und vielen Geschichten. 

Das Fest beginnt mit einem Trompetengruss. Hunderte Gäste sind mit einem Extrazug nach Spinas gepilgert, um von dort zum ersten Mal durch den neu gebauten Albula-Tunnel nach Preda ans offizielle Einweihungsfest zu fahren. Die Sonne scheint vom Himmel, es gibt kalte Plättli im Festzelt und Musik aus Blasinstrumenten. 

RhB-Direktor Renato Fasciati begrüsst die «RhB-Familie», mit 350 Mitgliedern ziemlich zahlreich an diesem Samstagmittag, auf der Südseite des Tunnels. Sie sind nicht die ersten: In den zehn Jahren Bauzeit haben sich insgesamt 25’000 Besucherinnen und Besucher die Bauarbeiten angesehen. Die RhB führte über 1000 Führungen durch. 

Elektrifizierung war «Teufelszeug»

Geschichten werden erzählt. Eine von Albert Rüegg, den alle Albi nennen. Albi Rüegg war im Führerstand von Chur nach Spinas gefahren. Sein Ur-Grossvater hatte beim ersten Albula-Tunnel 1903 den Eröffnungszug gefahren. «Er hat gekündigt, weil die RhB elektrifiziert wurde. Er nannte das Teufelszeug», sagt Albi Rüegg. Auch sein Grossvater, sein Vater und er selbst waren Lokführer bei der RhB. Albi Rüegg kündete wegen der Digitalisierung. 

Eine andere Geschichte ist diejenige von Gian Mattia Schucan. Sein Ururgrossvater war Achilles Schucan, dessen Namen man auf einer Lokomotive sehen kann. Achilles Schucan war der erste Direktor der RhB im 19. Jahrhundert, Gian Mattia Schucan hat die App «Fairtiq» erfunden, mit der man auf dem gesamten ÖV-Netz vereinfacht ein Ticket lösen kann. 


Die letzte Geschichte auf der Südseite des Tunnels ist diejenige von Yvonne Dünser, der Leiterin der Unternehmenskommunikation der RhB: Sie war die Tunnel-Gotte und lernte dabei, dass sie in diesem Amt die irdische Stellvertretung der Heiligen Barbara, der Schutzheiligen der Tunnelbauer ist. Sie besuchte die Mineure auch in ihrer Freizeit, brachte Kuchen und hält sie bis heute über den Verlauf des Baus auf dem Laufenden. 

Die nächste Geschichte erzählt der Tunnel selbst. Die «RhB-Familie» wird in Aussichtswagen von Spinas nach Preda zurück transportiert. Diesmal im neuen Tunnel. Mitten im 5860 Meter langen Tunnel hält der Zug still. Eine Lichtshow zeichnet zuerst farbige Steine an die Wand, dann Blumen und Schmetterlinge: Die Natur übernimmt nach den zehn Jahre langen Bauarbeiten wieder das Szepter. Vielleicht haben andere Mitglieder der «RhB-Familie» eine andere Geschichte gesehen. 

 

Zahn Jahre wurde der Tunnel gebaut. Er ist vier Meter kürzer als der alte. «Deshalb haben wir auch doppelt so lange gebraucht für den Bau», sagt Renato Fasciati. Der alte Tunnel war 121 Jahre in Betrieb; am Mittwochmorgen früh hat er ausgedient. «Dann kann ich wieder ruhig schlafen.» 

Mit dem Güterwagen gezügelt

Auch Regierungsrat Jon Domenic Parolini weiss eine Geschichte über die RhB zu erzählen, die seine Familie noch vor seiner Geburt erlebt hat. Und zwar war sein Vater Depotchef bei der RhB; erst in Landquart, dann in Samedan. Den Umzug bewältigte die Familie damals in den 1950er Jahren mit dem Zug: Die Familie in den Sitzwägen, die Möbel im Güterwagen. Jon Domenic Parolini bezeichnete die RhB als «die rote Nabelschnur Graubündens» und wandelte den Schwur des Grauen Bundes leicht ab: «Solange Täler und Berge stehen, solange wird uns die RhB sicher ans Ziel bringen.»

Zwischen Vorspeise und Hauptspeise – serviert von Pur.Catering – wird auf der Bühne Theater gespielt. In den Hauptrollen: Direktor Renato Fasciati als Mineur; Regierungsrätin Carmelia Maissen und Jon Domenic Parolini als Sicherheitsbeamte, Verwaltungsratspräsident Mario Cavigelli als Befehlshaber und schliesslich Bundesrat Albert Rösti als derjenige, der die Explosion auslöst. Die Explosion löste die Steine des neuen Tunnels, das neben dem alten auf der Bühne aufgebaut war, eine sogenannte Sprengstation. Freie Fahrt für die kleine Rote! 

«Nach dieser Arbeit kann ich mit gutem Gewissen eine Rede halten», sagt Bundesrat Albert Rösti daraufhin in seiner Rede. Er hat von nichts gewusst. «Heute ist ein symbolischer Tag für die RhB für die nächsten 100 Jahre», sagt der Verkehrsminister der Schweiz. Er ist der einzige Bundesrat vor Ort. Zum Vergleich, und diese Geschichte wurde einen Tag vorher an der GV der RhB erzählt: Vor 121 Jahren war der gesamte Bundesrat an der Eröffnung des ersten Albula-Tunnels. 

Publikumstag am Albula

Auch Alber Rösti hat eine Geschichte zur RhB. Als Berner Oberländer musste er im Militär in die Verlegung nach S-Chanf. Da hat er festgestellt, dass es auch andere schöne Ecken gibt in der Schweiz ausser das Berner Oberland – eben Graubünden. 

Einen Dessert später ist die Feier für den Albula-Tunnel zu Ende. Die «RhB-Familie» bewegt sich wieder in die Täler, die einen in Richtung Süden, der grössere Teil in Richtung Norden. Einer von ihnen ist Ständerat Stefan Engler, der letztes Jahr seinen Verwaltungsratspräsidenten-Stab an Mario Cavigelli weiter gegeben hatte. Zum Abschied schenkten sie ihm eine Aktie als «Eintritt» an die GV, die er in den hinteren Rängen besucht hatte. «Es ist schön, einfach mal für nichts verantwortlich sein zu müssen», sagt er. 

Nach dem Fest ist vor dem Fest: Am Publikumstag vom Sonntag, 9. Juni, ist die Bevölkerung zur Besichtigung des Albula-Tunnels geladen. 

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(Bilder: GRHeute/Swiss-Image/Andy Mettler)