Im klassischen Einzelhandel vor Ort lässt sich eine Marke vergleichsweise einfach positionieren. In einem typischen Einkaufszentrum hat jedes Geschäft ganz eigene Merkmale, an denen Kunden „ihre“ bevorzugten Anbieter wiedererkennen. Das reicht von der Lage des Geschäfts über die Positionierung der Produkte in den Regalen bis hin zu den Serviceleistungen der Mitarbeitenden. Im digitalen Zeitalter finden jedoch immer mehr Einkäufe im Internet statt – und hier wird es für die Anbieter deutlich schwieriger, sich vom Wettbewerb abzugrenzen. E-Commerce muss auf physische Alleinstellungsmerkmale verzichten. Wie kann es Unternehmen dennoch gelingen, ihren Zielgruppen eine positive Markenerfahrung zu bieten und aus der anonymen Masse der Anbieter herauszustechen?
Ein Geschäft vor Ort, sei es der Bäcker um die Ecke oder ein Franchise-Store im Einkaufszentrum, bietet zahlreiche, greifbare Unterscheidungsmerkmale, die es von den Marktbegleitern abhebt. Parameter wie die Beleuchtung, die Temperatur in den Räumlichkeiten, die Anzahl der Mitarbeitenden oder die Präsentation der Waren bieten potenziellen Käufern eine handfeste Grundlage, um Kaufentscheidungen zu treffen. Hinzu kommen deutlich weniger greifbare, subtile Merkmale, die den Einkauf zu einem Erlebnis machen können. Hier sind unter anderem das Verhalten der Mitarbeitenden, das subjektive Gefühl beim Betreten des Ladens oder auch der wiedererkennbare Geruch zu nennen – kleine und kleinste Faktoren, die in der Summe die Kundenbindung und Loyalität der Verbraucher zu einer Marke stärken.
Spätestens mit der Corona-Pandemie hat sich das Einkaufsverhalten jedoch drastisch geändert. Mit den ersten Lockdowns und damit einhergehend den geschlossenen Geschäften verlagerte sich das Einkaufserlebnis zu einem großen Teil ins Internet. Der hohe Wiedererkennungswert lokaler Geschäfte ist einem digitalen Auftritt in Form von Online-Shops gewichen – was es für Verbraucher schwer macht, zwischen zwei ähnlichen Marken auf dem Bildschirm ihres Smartphones zu unterscheiden. Wenn zwei Online-Marken identische Produkte oder Dienstleistungen anbieten: Wie kann es gelingen, die eigene Marke vom der des Wettbewerbes abzuheben? Ilja Gorelik, Mitbegründer des Omnichannel-Marketing-Unternehmens Mitto, kennt die Herausforderungen der E-Commerce-Anbieter genau. „Der Wechsel von physischen hin zu ausschließlich digitalen Kundenerfahrungen kann die Kundenbindung gefährden“, so der Marketing-Experte. „Unternehmen stehen seit 2020 vor einer schwierigen Entscheidung. Wollen sie versuchen, das bisherige Geschäftserlebnis vor Ort im Internet nachzubilden oder wollen sie vielmehr ein maßgeschneidertes Erlebnis für die digitale Welt erschaffen – mit all den eigenen, einzigartigen Erwartungen und Kaufgewohnheiten?“
Verbraucher bevorzugen ein positives Markenerlebnis
Werbung alleine bringt keine Markenbindung – dies belegt eindrucksvoll eine Studie der Unternehmensberater von PricewaterhouseCoopers (PwC). Unabhängig von der Verfügbarkeit einer Marke, digital oder physisch als Geschäft vor Ort, werden 65 % aller Verbraucher deutlich stärker von einem positiven Markenerlebnis beeinflusst als von klassischer Werbung. Die Zeiten, in denen Unternehmen über den Preis den Markt dominieren konnten, sind endgültig vorbei. „Wenn es ihnen ermöglicht wird“, ergänzt Ilja Gorelik, „wünschen sich Verbraucher ein Einkaufserlebnis, das ihnen sowohl Bequemlichkeit als auch Personalisierung bietet.“ Ein weiterer interessanter Fakt aus der PwC-Studie: Für ein an die eigenen Bedürfnisse angepasstes Einkaufserlebnis sind 43 % der Verbraucher bereit, mehr zu zahlen. „Unternehmen sollten daher die neuen Anforderungen im E-Commerce als Chance sehen und nicht als unüberwindbare Herausforderung“, erläutert Gorelik. „Die heutigen digital versierten Kunden wünschen sich ein hohes Niveau an Kundenerfahrung – und Führungskräfte müssen darauf reagieren, indem sie mit klugen Strategien ein positives Erlebnis auch beim Online-Kauf schaffen. Denn eines ist klar: Je größer die Loyalität der Kunden, desto größere Gewinne kann eine Marke einfahren.“
„Verbraucher haben ihre Erwartung an die Kommunikation eines Unternehmens erhöht“
Positive Kundenerfahrungen führen zu mehr Loyalität, davon ist Ilja Gorelik überzeugt. Der Mitgründer der Schweizer Mitto AG ist seit vielen Jahren erfolgreich im Bereich der Omnichannel-Kommunikationslösungen und SMS-Services tätig und kennt die gewachsenen Anforderungen der Online-Shopping-Verbraucher daher genau. „Das Übertreffen der Kundenerwartung ist der Schlüssel zur langfristigen Bindung von Verbrauchern an eine Marke“, so der Kommunikationsexperte. „In einer Studie, die Mitto unter 5.000 Konsumenten in Israel, Indien, Brasilien, Großbritannien und den USA durchgeführt hat, fanden wir heraus, dass 78 % der Verbraucher ihre Erwartungen an die Kommunikation einer Marke erhöht haben.“
Die Kommunikationsfähigkeiten eines Unternehmens im Internet sind direkt abhängig von den eingesetzten technologischen Ansätzen. Kurze Ladezeiten, eine optimierte User Experience in den Webshops, die Bereitstellung von Informationen zu den Produkten und ein gewisser „Wohlfühleffekt“ beim Aufruf eines Online-Angebotes sind grundlegende Elemente, die nicht fehlen dürfen. Allerdings darf Technologie alleine nicht als alleiniger Ansatz für eine optimierte Customer Experience gesehen werden – sondern vielmehr als ein Baustein unter vielen. „Durch den intensiven Einsatz von digitalen Technologien wird der Platz von CTOs (technischen Leitern) am Tisch der Kundenbindung unerlässlich“, führt Gorelik aus. „In enger Zusammenarbeit mit den Engagement-Teams einer Marke lässt sich durch geschickte Strategien die verwendete Technologie an das sich ändernde Verbraucherverhalten anpassen.“ Die so entstehenden innovativen, maßgeschneiderten Lösungen können für eine deutlich verbesserte Kundenzufriedenheit und damit Kundenbindung führen.
Hinzu kommt: Eine verbesserte Kundenbindung bedeutet gleichzeitig bessere Kundendaten. „Kundendaten sind eines der wertvollsten Güter eines Unternehmens“, so der Mitgründer der Mitto AG. „Ohne diese Daten können Unternehmen nicht verstehen, was Kunden antreibt oder wann Änderungen notwendig sind.“ Die gewonnenen Daten können, wenn sie zielführend analysiert und in strategische Geschäftsentscheidungen implementiert werden, die Kundenbindung deutlich optimieren. Eine starke Bindung schafft Vertrauen – und Vertrauen schafft Loyalität. „Über 80 % der US-amerikanischen Verbraucher sagen, dass sie weiterhin eine Marke kaufen werden, der sie vertrauen. 78 % empfehlen eine Marke, der sie vertrauen, gerne weiter und weit mehr als die Hälfte würde sogar mehr für Produkte und Dienstleistungen bezahlen, wenn Vertrauen in eine Marke besteht“, gibt Ilja Gorelik zu bedenken. „Und hier sind wir wieder bei den Daten. Ein hohes Maß an Loyalität, verbunden mit Vertrauen, erhöht die Bindung an eine Marke – und liefert immens wertvolle, detaillierte Daten, die wiederum für Marketingzwecke genutzt werden können!“
Ilja Goreliks Strategien für bessere Kundenbindung im E-Commerce
„Allen Führungskräften von Unternehmen, die im E-Commerce tätig sind, empfehle ich eine dreiteilige Strategie, um eine digitale Umgebung zu schaffen, die positive Kundenerfahrungen fördert“, so Ilja Gorelik. „Die Strategie besteht aus Omnichannel-Marketing-Maßnahmen, einer personalisierten Customer Journey und der Sicherstellung einer reibungslosen Kundenerfahrung – und zwar auf jedem Kanal.“
Die zentrale Herausforderung im E-Commerce ist es aus Sicht des Telekommunikationsexperten, die Verbraucher auf ihren jeweils bevorzugten Kanälen zu erreichen. In Studien wurde herausgefunden, dass zwei Drittel aller Verbraucher es bevorzugen, mit Unternehmen über Chat-Apps oder soziale Netzwerke anstelle von Telefon oder E-Mail zu kommunizieren. „Eine Studie der Mitto AG hat belegt, dass 78 % der Marketingexperten berichten, dass der effektivste digitale Engagement-Channel die klassische SMS ist“, ergänzt Gorelik. Für Unternehmen bedeutet das ein Blick über den Tellerrand: „Marken müssen heute über das herkömmliche E-Mail-Marketing herausschauen und einen dynamischen Omnichannel-Ansatz verfolgen, der so vielfältig ist wie die Kunden.“ Die Herausforderung besteht dabei darin, eine konsistente „Markenstimme“ über alle Kanäle hinweg aufrecht zu erhalten. Dabei unbedingt zu beachten ist der Umgang mit den gewonnen Daten. „Kundendaten, die auf einem Kanal erfasst werden, sollten unbedingt in Marketingmaßnahmen auf anderen Kanälen einfließen – nur so entsteht ein umfassendes Bild über die Verbraucher, ihr Denken und Handeln.“
Die zweite Strategieempfehlung von Ilja Gorelik bezieht sich direkt auf eine Erkenntnis, die auch in einem Salesforce-Bericht große Beachtung gefunden hat. Die Experten für CRM-Lösungen zur Verwaltung von Kundenbeziehungen fanden heraus, dass 52 % aller Kunden erwarten, dass Angebote immer personalisiert, also auf den ganz individuellen Bedarf abgestimmt, erstellt und ausgespielt werden. Ein großer Teil der Kunden erwartet zusätzlich personalisierte Nachrichten, die je nach Kontext auf unterschiedlichen Kanälen bereitgestellt werden. „Die meisten Kunden erwarten heute einfach, dass Unternehmen ihre Bedürfnisse und Erwartungen verstehen“, so Ilja Gorelik. „Die Aufgabe, die an den E-Commerce gestellt wird, ist somit klar: Kunden erwarten beim Online-Shopping ein maßgeschneidertes Erlebnis, während sie entlang der Customer Journey von der Entdeckung eines Produktes bis zum Kauf fortschreiten.“
Als drittes Element seiner Strategie führt Kommunikationsexperte Gorelik die Sicherstellung eines reibungslosen Kundenerlebnisses während der Customer Journey an. „Da viele Marken die gleichen Dienstleistungen oder Produkte anbieten, ist die Schaffung eines reibungslosen Erlebnisse von Anfang bis Ende eine der besten Möglichkeiten, mit denen sichergestellt werden kann, dass Kunden nach ihrem ersten Einkauf wiederkommen.“
Eine begeisternde Kundenerfahrung und die damit zusammenhängende, langfristige Bindung an eine Marke werden in der digitalen Einkaufslandschaft immer mehr zum neuen „Gesetz“ des Marketings. Spätestens mit der Corona-Pandemie hat sich ein Trend verstärkt, der sich schon viel früher abgezeichnet hat – Verbraucher kaufen immer häufiger und immer mehr online. Für zahlreiche Unternehmen ist es jetzt schon absehbar, dass ihre Ladenlokale in den Einkaufszentren vor Ort der Vergangenheit angehören. Oder um es mit den Worten Ilja Goreliks zu sagen: „Jetzt ist der Zeitpunkt für die Führungsebenen, Maßnahmen für eine optimierte Kundenerfahrung und damit langfristige Kundenbindung ins Feld zu führen.“
(Bild: zVg.)