Die drei Möglichkeiten, was mit der ‹Insel› über Brienz passiert

Der Brienzer Rutsch war diese Woche wieder in den Schlagzeilen. Grund: Der Bereich der Insel beschleunigt sich weiter. Falls diese Entwicklung so weitergeht, muss angenommen werden, dass die Insel oder Teile davon zwischen Frühsommer und Ende des Jahres abgleiten oder abstürzen. Für das Dorf besteht dadurch im Moment keine akute Gefahr, es wird aber mit drei verschiedenen Szenarien gerechnet.

Der Bereich Insel beschleunigt sich weiter. Ein Abgleiten oder Abstürzen zwischen Frühsommer und Ende des Jahres ist realistisch. Wann und wie ein solches Ereignis stattfindet, kann zurzeit allerdings noch nicht vorausgesagt werden. Sollte es tatsächlich zu einem Ereignis kommen, gehen die Fachleute davon aus, dass es sich über Wochen im Voraus ankündigt, sodass ausreichend Zeit bleibt, um das Dorf geordnet zu evakuieren. Die Experten betonen, dass im Moment keine unmittelbare Gefahr für das Dorf Brienz/Brinzauls bestehe. Man müsse sich aber an alle Sicherheitshinweise und die Betretungsverbote halten. 

Die Geolog:innen halten drei Arten für möglich, wie die Insel abstürzen oder abrutschen könnte. Sie unterscheiden sich in Geschwindigkeit, Ausdehnung und Auswirkung. Seit Anfang Jahr bewegt sich zunehmend auch die Basis der Insel. Die stützende Funktion der Basis für die darüberliegende Insel geht immer mehr verloren – es droht ein «Versagen» der Basis. Als Folge davon dürfte die Insel ganz oder teilweise abrutschen oder abstürzen. Für Brienz/Brizauls stellt dieses Szenario eine Gefahr dar.

Möglichkeit 1: Felsstürze (60%)

Am wahrscheinlichsten ist das Abstürzen in mehreren oder vielen Felsstürzen aus einigen hundert bis einigen hunderttausend Kubikmetern Felsmaterial. Modellierungen zeigen, dass eine gute Chance besteht, dass solche Felsstürze das Dorf Brienz/Brinzauls lediglich am oberen Ende erreichen. Die Wahrscheinlichkeit für Felsstürze wird auf 60 Prozent geschätzt.

Möglichkeit 2: Schuttstrom (30%)

Halb so wahrscheinlich wie Felsstürze ist ein Abrutschen der Insel in einem Schuttstrom. Wie eine zähe Masse würde die Insel mit einem oder mehreren Metern pro Tag abrutschen. Abhängig davon, wie viel Material sich bewegt, kann ein Schuttstrom das Dorf oder auch die darunterliegenden Hänge erreichen und dabei grosse Schäden anrichten. Die Wahrscheinlichkeit für einen Schuttstrom liegt bei etwa 30 Prozent.

Möglichkeit 3: grosser Bergsturz (10%)

Der am wenigsten wahrscheinliche Prozess ist ein grosser Bergsturz. Er würde (abhängig von der Menge des Materials) das Dorf oder die Hänge darunter bis zur Albula erreichen. Die Schäden für das Dorf und die Umgebung wären sehr gravierend. Die Wahrscheinlichkeit für einen Bergsturz liegt bei circa 10 Prozent.

Voraussagen werden mit der Zeit präziser

Welcher der drei Prozesse stattfinden wird, kann bis zum letzten Moment nicht vorausgesagt werden. Hingegen können die Expert:innen aus den Messdaten der Überwachungssysteme herauslesen, wie viel Felsmasse abstürzen oder abgleiten wird. Diese Prognose wird immer genauer, je näher das Ereignis kommt.

Ebenfalls genauer wird die Voraussage über den Zeitpunkt des Ereignisses: Heute kann man erst annehmen, dass ein Abrutschen oder Abstürzen der Insel oder Teilen davon vermutlich zwischen dem Frühsommer und Ende dieses Jahres passieren wird. Je näher das Ereignis kommt, desto präziser wird eine Voraussage über den Zeitpunkt des Ereignisses.

Weil sich die Grösse und der Zeitpunkt des Ereignisses über die Zeit immer präziser abzeichnen, kann auch das Gebiet der Evakuierung an die sich abzeichnende Gefahr angepasst werden, sagen die Experten.

 

(Quelle: Informationsbulletin Brienzer Rutsch/Titelbild: Am wahrscheinlichsten ist der Abbruch der Insel in zahlreichen Felsstürzen. Diese können mehrere hundert oder auch mehrere hunderttausend Kubikmeter umfassen. 2011 ging dieser Felssturz vom Rücken Caltgeras nieder. Das Material blieb in der Geröllhalde liegen/Tiefbauamt Graubünden)