Der Tag der Frau ist jedes Jahr ein Grund, interessante Frauen und ihre Geschichte vorzustellen. Dieses Mal eine der wenigen Lokführerinnen der RhB.
Brigitte Bänninger, Lokführerin, 47
«Ich habe meine Bahnkarriere bei der Frauenfeld-Wil-Bahn gestartet. Später kam ich aus privaten Gründen nach Basel. Die SBB waren nie ein Thema, und ausser das ‹Waldenburgerli’ gibt es dort keine Schmalspurbahn. Zuerst habe ich mich dagegen gesträubt, Tram zu fahren. Als ich den Schritt doch gewagt habe, habe ich bemerkt, dass es weniger schlimm ist, das Tram zu fahren als von aussen diesem Treiben zuzusehen.
Mit dieser Region fühle ich mich schon lange verbunden, wir haben in den Flumserbergen eine Ferienwohnung. Die RhB war mir schon immer ein Begriff. Weil ich in Basel nicht heimisch wurde, habe ich mich dann dazu entschlossen, in diese Region zu ziehen und zur RhB zu wechseln.
Meine ursprüngliche Ausbildung war Pharma-Assistentin. Auf Umwegen kam ich ins Büro, aber da hat es mir nie richtig gefallen. Ich nahm mir dann ein halbes Jahr Zeit, studierte die Stellenanzeigen und blieb immer beim öffentlichen Verkehr hängen. Bei der Frauenfeld-Wil-Bahn konnte ich die Ausbildung Teilzeit machen. Und als ich einmal bei der Bahn war, hat es mich nie mehr losgelassen. Einmal Schiene, immer Schiene.
Beim Tram gab es viel mehr Frauen als bei der Frauenfeld-Wil-Bahn und auch als hier. Eine Frau schreckt vor einer Lokomotive noch eher zurück, ein Tram ist kleiner und feiner. Auch die Technik hält Frauen davon ab. Beim Tram war es auch einfacher, Teilzeit zur arbeiten. Hier sind 80 Prozent möglich, die Ausbildung Teilzeit ginge gar nicht. Bei der RhB sind von gut 300 Lokführern ca 15 Frauen, wobei in den nächsten Ausbildungsklassen noch ein paar dazu kommen.
Für die RhB musste ich wieder eine Ausbildung machen. Die habe ich im August 2020 angefangen. Seit November 2021 darf ich alleine fahren. Es ist schwierig, eine Lieblingsstrecke zu haben. Die Abwechslung ist schön. Am liebsten habe ich die Engadin-Rundfahrt. Über das Albulatal nach St. Moritz und von dort via Vereina wieder zurück. Das fahre ich aber nur sehr selten. Ich nehme die Stimmungen ausserhalb der Lokomotive noch immer wahr. Ich fahre durch die Gegend und komme mir vor wie in einem Schweizer Fotokalender. Durch die Jahreszeiten sieht die gleiche Gegend immer wieder anders aus.
Ich bin gern meine eigene Chefin. Wenn man seinen Job einigermassen gut macht, dann sieht man die Vorgesetzten nur zum Mitarbeitergespräch. In der Lokomotive geniesse ich die Ruhe und das für mich sein können. Was auch schön ist, dass man nie Pendenzen hat. Wenn man in die Ferien geht, muss man bei der Rückkehr keine Mails abarbeiten, man fährt einfach wieder Loki. Mein Büro ist die Lokomotive. Ich weiss nicht, wieviele Verspätungsminuten ich schon generiert habe. Und ich bin froh, dass ich noch nie einen Unfall hatte. Man darf auch nicht dauernd daran denken, sonst könnte man den Job nicht machen.»
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(Bilder: zVg)