Der Trend Eisbaden scheint ungebrochen. Was steckt dahinter, und wie bereiten sich Neugierige am besten vor? Eisbadi-Gründer David Knittel gibt Tipps.
Die Pullover werden dicker, die Blätter bunter und das Wetter kühler. Der Herbst ist da und trotzdem finden sich an Schweizer Flüssen und Seen noch immer Badende. Angesprochen auf das ungewöhnliche Verhalten antwortet Monika Brunner (57) aus Zürich: «Ich bereite mich auf die Eisbade-Saison vor.»
Wie war das noch im letzten Winter? Eisbaden wurde als neuster Trend in den sozialen Medien und den Schweizer Zeitungen gefeiert. Das Interesse ist ungebrochen. Unlängst berichtete die prestigeträchtige New York Times über Eisbaden und das Nature Magazine, ein renommiertes Fachjournal, veröffentlichte eine Studie zu positiven Effekten der Kälteexposition.
«Aktuell hat das Wasser zwischen 10 und 15 Grad. Das ist ideal, um den Körper wieder an die Kälte zu gewöhnen und auf die Eisbade-Saison vorzubereiten», weiss Monika Brunner. Wer schon bei 20 Grad und grauem Himmel die Badehose im Schrank lässt, schüttelt nur den Kopf. Was treibt die Wagemutigen an? «Noch vor einem Jahr hielt ich Eisbadende für Spinner. Dann habe ich es selbst probiert. Das Gefühl danach ist unglaublich!», so Brunner.
Gut vorbereitet ist halb gebadet
Was muss beim Eisbaden beachtet werden? Das weiss der Gründer der ersten Eisbadi Europas, David Knittel (34). «Als Erstes muss man sich von der Vorstellung verabschieden, dass der Gang ins kalte Wasser nur angenehm wird», so Knittel. «Eisbaden hat unglaubliche, positive Auswirkungen auf Körper und Psyche. Der Preis dafür ist die Überwindung, sich der Kälte auszusetzen.» Allerdings vergewissert er auch: «Wer noch keine Probleme mit Herz oder Kälte hatte, darf auf seinen Körper vertrauen: Er schafft das. Wichtig ist die graduelle Gewöhnung an die Kälte.»
Heilen dank Kälte
Aus dem geheizten Wohnzimmer hören sich diese Aussichten wenig verlockend an. Wer aber schon mit Menschen gesprochen hat, die ihr erstes Mal im Eiswasser hinter sich haben, kennt die Mischung aus Freude und Stolz, die sie empfinden. Was ist es, das Eisbaden so attraktiv macht? Knittel erklärt: «Richtiges Eisbaden fördert das Wohlbefinden, das Immunsystem und die Regeneration des Körpers. Es hilft gegen Stress, Entzündungen und Schmerzen. Die Kältetherapie, auch Kryotherapie, ist wissenschaftlich breit abgestützt und im Spitzensport lange etabliert.» Nicht grundlos stehen zunehmend auch Profi- Sportlerinnen und -Sportler vor dem Eiswasser in Arosa, wie David Knittel weiss. Trotzdem: Eisbaden sollte nicht verharmlost werden. Einige Regeln für sicheres Baden gilt es zu beachten.
Atmen nicht vergessen
«Die wichtigste Regel ist: Geh niemals alleine. Beim ersten Mal empfehlen wir ein ruhiges Gewässer, in dem man stehen kann. Wasserschuhe sorgen für einen guten Halt und schützen etwas vor der Kälte. Laufe bis zum Bauch ins Wasser. Atme tief ein und während du in die Hocke gehst, atme aus. Hände und Kopf bleiben über dem Wasser.» Der Kopf reagiere oft mit Stress und Fluchtgedanken, so Knittel. «Der Puls schnellt hoch, Adrenalin wird freigesetzt. Je nach Körper und Wassertemperatur ist die Kälte schmerzhaft. Die Atmung kann stocken.» Die Herausforderung sei, diese zu kontrollieren. «Tiefe Atemzüge und Fokus – zum Beispiel auf die Sonne im Gesicht – hilft.»
Feuerwerk am Schluss
Am schwierigsten seien die ersten 30 Sekunden. «Danach tritt Entspannung ein: Wenn der Fluchtinstinkt nicht fruchtet, fährt der Puls runter, das warme Blut zieht sich in den Rumpf zurück. Der Kopf merkt: es ist kalt, aber es geht mir gut.» Das gelingt mehr Menschen, als man denken würde: «In unseren Workshops für Einsteiger probieren wir mit allen, eine Minute drinzubleiben. 95 Prozent der Teilnehmenden schaffen das», so Knittel. Die Belohnung wartet am Schluss: «So richtig geniessen kann man das Feuerwerk des Körpers erst, wenn man wieder draussen steht. Freude und Stolz durchfluten einen.»
Knittel hat vor einem Jahr die erste Eisbadi Europas eröffnet. Am Untersee in Arosa betreibt der Verein mehrere Badeplätze und eine Sauna, welche online gebucht werden kann. Die Eisbadi ist unbetreut und frei zugänglich. Der Verein bietet Workshops an und im November auch Packages mit Übernachten im Hotel.
(Bild: zVg)