Glück, Magie, Schwingen

Das Eidgenössische 2022 war einmal mehr eines der absoluten sportlichen Highlights des Jahres in der Schweiz. Und wie immer hat der Nationalsport Diskussionen ohne Ende geweckt: Sei es die Einteilung der Kämpfe, vermeintlich leichte oder schwierige Gegner in entscheidenden Situationen, die Vergabe von Punkten – warum ist das alles so schwer fassbar? 

Auch gestern hätten wieder viele Grund zum Zaudern gehabt: Warum musste Armon Orlik am Sonntagvormittag ausgerechnet gegen zwei defensiv so starke Gegner wie Kilian Wenger und Davis Schmid antreten (beide erlitten das ganze Wochenende keine Niederlage)? Die zwei Gestellten kosteten den Bündner letztlich immerhin die Chance auf eine Schlussgang-Teilnahme. Warum schaffte es mit Matthias Aeschbacher ein Athlet in den Schlussgang, obwohl er zwei Kämpfe verlor und deshalb im Verlauf des Fests auch noch «leichtere» Gegner zugeteilt erhielt? Immerhin mussten über ein Dutzend Schwinger am Wochenende nicht zweimal als Verlierer aus dem Sägemehl-Ring (darunter Armons Bruder Curdin, der ebenfalls keine Niederlage einstecken musste). Auch andere fielen durch das Netz des Systems Schwingen: Fabian Staudenmann hatte im Vergleich zu Aeschbachers zwei Niederlagen am Ende nur zwei Gestellte auf dem Konto, Adrian Odermatt verpasste die Schlussgang-Teilnahme gar wegen einer vermeintlichen Fehlentscheidung des Platz-Schiedsrichters. 

Die Systemfragen sind müssig, denn Analysen, Diskussionen, Meinungen und am Ende Glück und Pech gehören zur DNA des Schwingens. Immerhin hat es jeder Schwinger selbst in der Hand, das Schicksal auf seine Seite zu zwingen. Entschuldigungen, Rechtfertigungen, Ausreden – das geht im Sport und vor allem im Schwingen nicht. Dass es auch beim ESAF 2022 keine Sportler gaben, die lamentierten und sich in eine Opferrolle jammerten, ist gerade in heutigen Zeiten wohltuend. Dinge, die man nicht ändern kann, hinzunehmen, wie sie sind, ist eine Tugend, die in dieser so urschweizerischen Sportart vorgelebt wird. Und darum muss Schwingen auch so bleiben, wie es ist. Ohne Video-Beweis, ohne «Playoff-Bracket», ohne wissenschaftlich kalt kalkulierbar zu sein. Nicht zuletzt diese Unberechenbarkeit ist es, die den Zauber dieses wunderbaren Sports ausmacht. 

 

 

(Symbolbild: SRF)