Viele Monate des Lächelns, Weibelns (und wohl auch der Social-Media-Posts) sind vorbei, der grosse Wahltag 2022 in Graubünden ist Geschichte. Die Gemütslage der Parteien im Überblick.
Die Mitte: Carmelia Maissen als einzige Frau im Feld für die Wahlen aufzustellen, war ein cleverer Schachzug der Mitte, der sich bezahlt machte. Die Ilanzer Stadtpräsidentin wurde ebenso deutlich und erwartungsgemäss gewählt wie Zugpferd Marcus Caduff, der das Bestresultat erzielte. «Die Frauenkarte hat sicher eine Rolle gespielt. Aber ich habe diese Karte nie gespielt. Ich habe einen Leistungsausweis, der geholfen hat», zeigte sich Maissen nach erfolgter Wahl glücklich. Und selbst «BDP-Wackelkandidat» Jon Domenic Parolini musste dieses Jahr keine Zitterpartie mehr wie 2018 erleben und darf seine Legislatur regulär mit vier weiteren Jahren beenden. «Die schlechten Umfrageergebnisse haben das eigene Lager motiviert. Das hat uns sicher geholfen, in den letzten Wochen nochmals richtig Gas zu geben», so Parolini im Interview gegenüber Radio Südostschweiz. Der Triumph an den Regierungsratswahlen wurde bei der Mitte allerdings durch einen ziemlichen Taucher bei den Grossratswahlen getrübt. Zwar bleibt die Mitte stärkste Fraktion im Bündner Parlament, büsst aber satte 14 von 48 Sitzen ein – ein schmerzhafter Rückgang von fast 30%.
Fazit: Gewinnerin bei den Regierungsratswahlen, Verliererin bei den Grossratswahlen.
SP/Grüne: Bei der Allianz zwischen SP und Grünen herrschte nach den Wahlen Friede, Freude Eierkuchen: Der eigenen Regierungsratssitz mit Peter Peyer wurde erwartungsgemäss problemlos verteidigt. «Es war unbestritten, dass die SP einen Sitz in der Regierung hat, das freut mich sehr in einem bürgerlich geprägten Kanton wie Graubünden», gab sich Peyer nach erfolgter Wiederwahl zufrieden. Im Grossen Rat gab es dank des neuen Wahlsystems auch ein sattes Wachstum von 8 neuen Sitzen. Bisher hatte die SP/Grüne 19 Sitze im Kantonsparlament, neu sind es 27. Einziger kleiner Wermutstropfen bei der SP: Dass gleichzeitig die SVP eine faktische Wiedergeburt im Grossen Rat erlebte und neu nahezu gleich viele Sitze im Grossen Rat aufweist.
Fazit: Gewinnerin bei den Regierungsratswahlen, Gewinnerin bei den Grossratswahlen.
FDP: Keine andere Partei investierte derart viel in diese Wahlen wie die FDP, um mit Martin Bühler den Sitz in der Bündner Regierung zu behalten. Der Einsatz machte sich bezahlt: Der liberale Kandidat verzeichnete mit den zweitmeisten Stimmen aller Angetretenen ein ausgezeichnetes Resultat und verteidigte den FDP-Sitz in der Regierung problemlos. «Ich habe Freude, aber auch Respekt davor, was jetzt kommen wird», so Bühler zu seiner Wahl, «ich glaube, ich habe einen aktiven Wahlkampf geführt, viele Regionen besucht und mit vielen Menschen gesprochen. Das haben die Wählerinnen und Wähler auch gespürt.» Wie auch die Mitte musste die FDP aber ebenfalls im Grossen Rat Federn lassen. Statt 39 hat sie neu nur noch 27 Sitze. Der Rückgang von rund 30% schmerzt zwar, die FDP bleibt im Kantonsparlament aber – ex-aequo mit der SP/Grüne – immerhin zweitstärkste Partei.
Fazit: Gewinnerin bei den Regierungsratswahlen, Verliererin bei den Grossratswahlen.
SVP: Gemischte Gefühlte bei der Bündner Volkspartei. Der Versuch, mit Roman Hug in die Bündner Regierung einzuziehen, scheiterte deutlich. Und zwar klarer, als man erwarten konnte. Die SVP muss somit vier weitere Jahre warten, um einen neuen Anlauf auf einen Sitz in der Regierung zu nehmen. «Gut 21% der Bündner Stimmbevölkerung sind für weitere vier Jahre nicht in der Regierung vertreten», schreibt die Partei in einer Medienmitteilung, «allerdings wird die SVP im Grossen Rat alle politischen Mittel einsetzen, damit die Mitte-Mehrheit in der Regierung nicht ‚durchregieren’ kann.» Der Frust über das schwache Ergebnis an den Regierungsratswahlen lichtete sich im Verlauf des Sonntags etwas: An den Grossratswahlen feierte die SVP einen satten Erfolg. Sie profitierte am stärksten vom neuen Wahlsystem. Mit neu 25 statt wie bisher 12 Sitzen gelang es der SVP, ihre Sitze im Bündner Parlament mehr als zu verdoppeln.
Fazit: Verliererin bei den Regierungsratswahlen, Gewinnerin bei den Grossratswahlen.
Grünliberale: Die GLP ist in Graubünden immer noch eine kleine Partei, die nicht in allen Regionen Kandidierende für die Wahlen fand. Insofern ist das Wahlergebnis von 5,4% aller Stimmen ein verblüffendes Ergebnis, das den Grünliberalen 5 Sitze im Grossen Rat einbringt. Bisher waren es nur 2.
Fazit: Gewinnerin bei den Grossratswahlen.
Die Mitte verteidigt die absolute Mehrheit in der Regierung – Roman Hug chancenlos
SVP gewinnt 13 Sitze im Grossen Rat – Mitte und FDP müssen Federn lassen