Die Staatsanwaltschaft fordert viereinhalb Jahre Gefängnis wegen versuchter vorsätzlicher Tötung, die Verteidigung einen Freispruch wegen Notwehr. Unbestritten ist auch am zweiten Tag des Berufungsverfahrens: Es gab einen Schlag mit dem Baseballschläger auf den Kopf des Opfers.
Ist es versuchte vorsätzliche Tötung oder Notwehr? Der zweite Tag des Berufungsverfahrens um die Ereignisse an der Zizerser Fasnacht 2015 drehte sich in den Plädoyers alles um diese Fragen. Dabei kamen der Staatsanwalt und der Anwalt des Beschuldigten zu unterschiedlichen Schlüssen.
«Dass der Beschuldigte das Opfer absichtlich töten wollte, behauptet niemand», sagte der Staatsanwalt am Mittwoch vor dem Kantonsgericht in Chur. Aber er habe aus objektiver Sicht eine schwere Straftat begangen. «Er musste sich bewusst sein, dass Schläge mit dem Baseballschläger tödlich sein können. Er hat es in Kauf genommen.» Notwehr sei nicht gegeben, es bestand keine Notwendigkeit, auf den Streit einzugehen.
Der Beschuldigte und das Opfer hatten sich in der Nacht vom 7. auf den 8. Februar an der Fasnacht in Zizers zunächst eine heftige verbale Auseinandersetzung geliefert. Der Beschuldigte war dabei zufällig dazu gestossen, weil er aus dem Auto eine Rauferei gesehen hatte. Im Verlauf der Auseinandersetzung holte der Beschuldigte einen Baseballschläger aus dem Kofferraum und schlug dem Opfer nach weiteren verbalen Streitereien von hinten auf den Kopf.
Es endete in einer Tragödie
Der Beschuldigte habe bewusst die Auseinandersetzung gesucht, sagte der Staatsanwalt weiter. Er hätte auch einfach weggehen können, habe es aber eskalieren lassen. «Sein Verschulden wiegt schwer und schockiert.» Sein Verhalten könne auch deshalb nicht strafmildernd beurteilt werden, weil er nach der Tat wegfuhr und am nächsten Tag den Baseballschläger im Rhein entsorgte. «Es hätte ein fröhliches Fest werden können und hat in einer Tragödie geendet», sagte der Staatsanwalt. Er forderte viereinhalb Jahre Gefängnis wegen versuchter vorsätzlicher Tötung.
Der Anwalt des Opfers schloss sich dem Staatsanwalt an. «Der Tathergang ist zweifelsfrei dokumentiert», sagte er. «Unbestritten ist, dass der Beschuldigte der Einzige mit einem Baseballschläger war auf dem Platz. Unbestritten ist auch, dass die Verletzungen mit einem Baseballschläger zugefügt wurden.» Das Verhalten des Opfers sei nicht korrekt gewesen. «Aber nichts rechtfertigt diese schändliche Tat.»
Das Opfer sei für sein ganzes Leben geschädigt und invalid. «Das Leben meines Mandanten ist zerstört», sagte der Anwalt des Opfers. Er lebe von einer minimalen IV-Rente, Ergänzungsleistungen und Sozialhilfe. «Es ist ein Leben am unteren Rand der Gesellschaft.» Er könne nicht einmal mehr alleine in den Migros oder in den Coop. Auch der Anwalt sagte, dass keine Notwehrsituation bestanden habe, weil das Opfer keine Waffe auf sich getragen habe. Ausserdem habe der Beschuldigte nie Reue gezeigt. «Es wurde versucht, dem Opfer die Mitschuld und Schuld zuzuschieben. Der Beschuldigte hat gesagt, er habe zwei Fehler gemacht: Aus dem Auto gestiegen und weggefahren. Die Tat tat ihm nie leid.»
Unter Angst und Druck gehandelt
Der Anwalt des Beschuldigten ging sich mit seinen beiden Vorrednern einig, dass es sich bei dem Vorfall um eine Tragödie handle. «Alle haben ihren Akt dazu beigetragen», sagte er. Das Geschehene lasse sich nicht mehr eindeutig feststellen. Das Opfer habe mehrmals mit dem Tod gedroht und der Beschuldigte habe Angst geäussert. «Es steht für mich ausser Frage, dass er unter Angst und Druck zum Baseballschläger griff in der naiven Hoffnung, es würde aufhören», sagte der Anwalt. Der Beschuldigte sei beschimpft und geschüttelt worden. Von einem gezielten Schlag könne nicht die Rede gewesen sein. «Bei einer tödlichen Absicht hätte er sofort zugeschlagen und nie mehrere Minuten abgewartet», sagte der Anwalt weiter.
Er forderte für seinen Mandanten erneut einen Freispruch. Er sei heute voll integriert, habe eine Festanstellung und sei in die Gesellschaft integriert. «Eine Strafe wäre fatal», sagte der Anwalt. Ein Strafvollzug würde niemandem nutzen, auch dem Opfer nicht, wenn die Forderung nach der Zivilklage bestehen bliebe.
Das Urteil wird für Montag erwartet.
(Bild: Kantonsgericht)