«Medien müssen den Staat überwachen, nicht umgekehrt»

Mit dem neuen Medienförderungsgesetz sollen zukünftig ausgewählte Medien mit einem dreistelligen Millionenbetrag unterstützt werden. In den Genuss der neuen Subventionen kommen voraussichtlich in erster Linie private, gewinnorientierte Medienverlage (die oft bereits stark subventioniert sind und über Jahrzehnte hinweg Millionengewinne geschrieben haben). 72 Parlamentarier/-innen haben sich zu einem überparteilichen Nein-Komitee «Nein zum Massnahmenpaket zugunsten der Medien» zusammengeschlossen, darunter auch der FDP-Ständerat Martin Schmid. Ein Gastkommentar des Zürcher Nationalrats Philipp Kutter (Die Mitte) zum geplanten neuen Medienförderungsgesetz.

«Die Umwälzungen im Medienmarkt sind für die Verlage eine grosse Herausforderung. Staatliche Unterstützung darf ihre Stellung aber nicht verschlechtern. Das geschieht hier – leider. Mit der neuen Medienförderung erhalten Medienhäuser erstmals in der Geschichte unseres Landes direkt Geld vom Staat. Ein Verlagshaus, dass mit seiner Online-Plattform CHF 200’000 Umsatz macht, erhält CHF 120’000 dazu und soll damit, beispielsweise, eine zusätzliche Stelle finanzieren können. Fazit der Gesetzgebung: Journalistinnen und Journalisten würden in Zukunft direkt vom Staat mitfinanziert.

Medien sind die vierte Gewalt im Staat. Medien überwachen die Mächtigen, insbesondere die Behörden. Medien schaffen Transparenz. Medien müssen darum möglichst unabhängig sein, vor allem frei von staatlicher Einflussnahme. Die journalistische Unabhängigkeit ist ihr höchstes Gut. Darum wird mir schlecht beim Gedanken, dass Medienhäuser inskünftig, wie die Bauern, Direktzahlungen erhalten sollen. Das hat auch mit meiner Biografie zu tun. Ich war bis zu meinem Einstieg in die Politik als Journalist tätig, einige Jahre als Leiter einer Regionalzeitung. Ich habe erlebt, wie kommunale Behörden versucht haben, Einfluss zu nehmen mit dem Hinweis, man profitiere als «amtliches Publikationsorgan» ja schliesslich von stattlichen Inserate-Buchungen der Gemeinde.

Ich bin nicht blauäugig. Einflussnahme findet statt von allen Seiten. Und es ist eine hohe Kunst, sich immer wieder davon frei zu machen. Mit direkter Medienförderung machen wir den Verlagen das Leben zusätzlich schwer. Sie nehmen das Geld und merken erst später, was sie verlieren.

Das ist keine Schwarzmalerei. Die Einflussnahme des Staates ist belegbar, und man muss dafür nicht nach Ungarn schauen. Es genügt ein Blick zur SRG. Will die SRG ein Radiostudio verlegen, muss sich der Generaldirektor im Parlament erklären. Ist das Westschweizer Fernsehen RTS mit Sexismus-Vorwürfen konfrontiert, muss sich der Generaldirektor im Parlament erklären. Und natürlich stellen Parteien und Bundesrat Ansprüche bei der Zusammensetzung der Gäste in Diskussionssendungen.

Ich will nicht aktuelle Vorwürfe kleinreden. Mir geht es darum zu belegen, dass der Staat Einfluss nimmt, wenn Geld fliesst. Es ist daher zu erwarten, dass sich in Zukunft auch die privaten Verlage im Parlament erklären müssen. Zu erwarten ist, dass die finanziellen Beiträge früher oder später an zusätzliche Kriterien geknüpft werden.

Schwarzmalerei? Schön wär’s. Im letzten März prangerten Tamedia-Journalistinnen in einem öffentlichen Brief den strukturellen Sexismus in ihrem Unternehmen an. Nationalrätin Aline Trede nahm in der Frühlingssession Bezug darauf und fragte: «Wird der Bundesrat handeln? Macht er sich Überlegungen, in der Medienförderung auch ethische und Diversity-Aspekte zu beachten? (10.3.2021, Fragestunde, 21.7362 «Struktureller Sexismus bei Tamedia»).

Ich stelle auch hier das Anliegen nicht infrage. Mir geht es wie gesagt um Grundsätzliches. Es darf nicht sein, dass der Staat dank Medienförderung Druck ausüben kann auf private Verlage. Sie müssen bedenken, dass die Forderungen ändern können. Heute geht es um Sexismus. Morgen könnte jemand fordern, dass nur Personen mit Schweizer Pass über Schweizer Politik schreiben dürfen.

Ich wehre mich mit aller Kraft dagegen, dass der Staat die Medien an die Leine nimmt. Wir würden damit unseren Rechtsstaat und unsere Demokratie nachhaltig beschädigen. Die Medien müssen auch in Zukunft den Staat kontrollieren, und nicht umgekehrt.»

 

Philipp Kutter, Nationalrat Die Mitte