Ein Beitrag von Dominik Just zur Freiwilligentätigkeit in Covid-19-Zeiten in der Reihe des FH Graubünden-Blogs.
Die Schweizerische Gemeinnnützige Gesellschaft (SGG) publiziert alle vier bis fünf Jahre den Freiwilligenmonitor, der einen umfassenden Überblick über die Freiwilligenarbeit in der Schweiz liefert. Die aktuelle Ausgabe erschien im vergangenen Jahr, als sich die Gesellschaft weltweit immer mehr mit den Folgen der Covid-19-Pandemie auseinandersetzen musste. Gemäss dem Monitor engagierten sich 39 Prozent der Schweizer Bevölkerung im Alter ab 15 Jahren freiwillig in Vereinen und Organisationen, d.h. in der formellen Freiwilligenarbeit. Informell freiwillig tätig war beinahe die Hälfte der gesamten Schweizer Bevölkerung.
«Welche Folgen werden zu spüren sein?»
Die Ergebnisse basieren auf einer Befragung, welche von April bis August 2019 durchgeführt wurden, also noch vor der Pandemie. Das Niveau der Freiwilligenarbeit war über die letzten zehn Jahre einigermassen stabil. Damit stellt sich die Frage, wie der nächste Freiwilligenmonitor wohl aussehen wird. Wird sich das freiwillige Engagement der Bevölkerung aufgrund der Pandemie ändern? In welchen Bereichen wird die Anzahl der Freiwilligen zunehmen, in welchen abnehmen? Welche positiven und negativen Folgen werden in der Freiwilligentätigkeit langfristig zu spüren sein?
Im formellen Bereich wird man vor allem Auswirkungen aufgrund der Einschränkungen der Aktivitäten in den Vereinen und gemeinnützigen Organisationen erkennen können. Anlässe und Projekte mit «Voluntari» konnten nur im beschränkten Rahmen oder gar nicht durchgeführt, Kinder und Jugendliche nicht wie gewohnt mit Schnuppertrainings zur Teilnahme in einem Sportverein motiviert werden. Und doch mussten die in den Vereinen und Organisationen aktiven Vorstandsmitglieder ihre Führungs- und Organisationsaufgaben wahrnehmen und auf eine Wiederaufnahme der Aktivitäten in normalen Zeiten hin planen.
Zum Glück gibt es die Nachbarn
Der informelle Bereich der Freiwilligentätigkeit wird vermutlich noch deutlichere Pandemie-Folgen aufweisen. Durch die Lockdown-Massnahmen mussten von einem Tag auf den anderen Besuche von älteren Menschen und Personen der Risikogruppen eingestellt und deren Betreuung und Pflege neu organisiert werden. Für viele wurde der Familienalltag mit zusätzlichen Aufgaben erheblich belastet. Auf der einen Seite mussten Einkäufe und Transportdienste für die Grosseltern erledigt werden, auf der anderen konnten diese ihre Enkel plötzlich nicht mehr betreuen. Zum Glück gibt es die Nachbarn. So hat auch die Nachbarschaftshilfe einen neuen Stellenwert bekommen.
Auch wenn einige der erwähnten Aktivitäten im informellen Bereich des freiwilligen Engagements statistisch nur schwer zu erfassen sind und nicht im vollen Ausmass im nächsten Freiwilligenmonitor auftauchen werden, ist es doch erfreulich zu wissen, dass es in diesen schwierigen Zeiten viele Menschen gibt, die sich freiwillig und gerne für andere einsetzen. Nicht zuletzt erwähnt werden müssen in diesem Zusammenhang die Geldspenden. Sie sind eine etwas andere Form der Freiwilligkeit und ermöglichen insbesondere ein Engagement von Personen, die aus verschiedenen Gründen keine Freiwilligenaktivitäten anbieten können. Die Sammelaktion «Coronavirus Schweiz» zeigt auf der Homepage der Glückskette im Februar 2021 einen Spendenstand von über 43 Millionen Franken.
Dominik Just ist Professor, Fachbereichsleiter für Finanz- und Rechnungswesen, Leiter der Vertiefung Accounting and Finance sowie Projektleiter am Zentrum für Verwaltungsmanagement (ZVM). Das ZVM forscht unter anderem zu Miliz- und Freiwilligentätigkeit: fhgr.ch/miliz-und-freiwilligentaetigkeit. Alle vier Wochen diskutiert die Fachhochschule Graubünden an dieser Stelle aktuelle Themen aus Lehre und Forschung.