In der ersten Märzwoche 2021 stimmen die Prättigauer Gemeinden darüber ab, ob sie sich an der Errichtung des Internationalen Naturparks Rätikon beteiligen wollen. In Graubünden wäre der Park neben dem Parc Ela, der Biosfera Val Müstair, dem Parco Val Calanca und dem Naturpark Beverin der fünfte Naturpark. Die Projektverantwortlichen haben gestern die Werbetrommel gerührt.
Der Internationale Naturpark Rätikon bietet grosse Chancen für alle Prättigauer Gemeinden. Das ist für Nina Gansner, Gemeindepräsidentin von Seewis, offensichtlich. Zusätzliche Vorschriften oder eine Einschränkung der Gemeindeautonomie seien in einem Regionalen Naturpark nicht zu befürchten. «Wir reden hier nicht von einem Schutz-, sondern von einem Entwicklungsprojekt, das uns weiterbringt», erklärte sie am Dienstag im Kulturhaus Rosengarten in Grüsch gegenüber den Medien.
Der im Auftrag der Gemeinden erstellte Managementplan der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften (ZHAW) zeigt auf, welche Themen in der ersten, dreijährigen Errichtungsphase (2022-2024) im Schweizer Teilprojekt des Internationalen Naturparks angegangen werden sollen. In den Bereichen Qualität Natur und Landschaft, nachhaltige Wirtschaft, Bildung und Kultur, Forschung sowie Management und Kommunikation werden auf insgesamt 27 Projektblättern Ziele, Massnahmen, zu erbringende Leistungen, Termine, Ressourcen und weitere Punkte aufgeführt.
Effizientere regionale Zusammenarbeit
Der Naturpark Rätikon kann im Prättigau zudem zu einer Bereinigung bei der regionalen Zusammenarbeit führen. Aktuelle Aufgaben, die zu den Themen des Naturparks passen, sollen ganz von ihm übernommen werden, um Doppelspurigkeiten zu vermeiden. Zu diesen Aufgaben gehört ein Teil der Regionalentwicklung der Region Prättigau/Davos und das Prättigauer Kulturbüro; dazu sollen auch die regionale Marketingorganisation Prättigau Tourismus GmbH und das Produktmanagement Bergsport in den Naturpark überführt werden.
Von dieser Integration sollen die Prättigauer Gemeinden finanziell profitieren. Sind es aktuell fast 600’000 Franken pro Jahr, die sie für diese Aufgaben investieren, so wären es zukünftig total 250’000 Franken, die die Gemeinden zum Parkbudget beizutragen hätten. Diese lösten dann allerdings im Park zusätzliche Mittel von Bund und Kanton von 750’000 Franken pro Jahr aus – als Jahresbudget für den Naturpark seien 1 Million Franken vorgesehen. «Der Naturpark Rätikon ist für die Gemeinden nicht nur inhaltlich sehr attraktiv, sondern er sorgt insgesamt für eine Entlastung der Gemeindehaushalte und für einen deutlich effizienteren Mitteleinsatz als heute», so Georg Fromm. Die erzielte Wertschöpfung in bestehenden Schweizer (und Bündner) Pärken zeige zudem: Jeder investierte Franken zahle sich zwei- bis dreifach aus.
Separate Abstimmungen in jeder Gemeinde
Ob eine Prättigauer Gemeinde beim Naturpark Rätikon mitmacht oder nicht, bestimmen die Stimmbürgerinnen und -bürger mit einem Beschluss an der Gemeindeversammlung oder an einer Urnenabstimmung (Klosters, Schiers, Grüsch). Der Termin für die Urnenabstimmung wurde auf den Sonntag, 7. März 2021, festgelegt; die Gemeindeversammlungen in den weiteren Gemeinden sollen wenn möglich am Freitag, 5. März, oder an einem der Abende davor stattfinden. Die Errichtung dauert anschliessend drei Jahre (2022, 2023, 2024), der Naturpark ist in dieser Phase eine Kandidatur. Anfang 2024 würde dann erneut abgestimmt, dann über den ordentlichen Betrieb eines Regionalen Naturparks von nationaler Bedeutung für zehn Jahre.
Die Abstimmungen in den Prättigauer Gemeinden beziehen sich auf das Schweizer Teilprojekt für den Internationalen Naturpark Rätikon. In Liechtenstein und in Vorarlberg (Montafon, Walgau, Brandnertal) werden die Arbeiten für die Errichtung ab 2022 ebenfalls vorangetrieben. Aufgrund anderer politischer Vorgaben (z.B. sind in den Nachbarländern für den Naturpark keine Volksabstimmungen notwendig) ist das Schweizer Teilprojekt jedoch am weitesten fortgeschritten. Für die internationale Zusammenarbeit werden in allen drei Teilgebieten Mittel vorgesehen, zudem wird ein eigener Managementplan für das grenzübergreifende Dach des Naturparks erstellt.
Grösster Naturpark im Alpenraum
Die Berglandschaft des Rätikons in der Schweiz, Vorarlberg und Liechtenstein eignet sich sehr gut für einen Internationalen Naturpark, zeigt die 2019 vorgestellte Machbarkeitsstudie. Mit der reichen Natur- und Kulturlandschaft sowie passenden wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Voraussetzungen seien die Bedingungen für eine gemeinsame weitere Entwicklung in einem Naturpark sehr gut. Das mögliche Gebiet erstreckt sich über insgesamt 30 Gemeinden in Österreich, Liechtenstein und der Schweiz. Ein Parkgebiet über drei Länder wäre einzigartig. Zudem wäre der Naturpark Rätikon mit einer Fläche von über 1100 km2 der grösste Naturpark im Alpenraum. In der Schweiz sind alle zehn Gemeinden im Prättigau – Conters, Fideris, Furna, Grüsch, Jenaz, Klosters-Serneus, Küblis, Luzein, Schiers und Seewis – am Projekt beteiligt.
(Bilder: Marietta Kobald/Naturpark Rätikon/zVg.)