Das Bundesgericht stellte fest: die Hälfte der Bündner*innen sind heute punkto Wahlsystem in ihren verfassungsmässigen Rechten verletzt. Darum muss das Bündner Wahlrecht angepasst werden. Bis Dienstag lief die Vernehmlassung. Jetzt ist es an der Regierung und am Grossen Rat, eine zukunftsfähige Lösung zu finden und einen jahrzehntelangen Konflikt beizulegen.
Die Bündner Regierung hat drei mögliche neue Wahlmodelle in die Vernehmlassung geschickt. Die Zusammenfassung ist einfach: zwei Modelle bringen Spaltung und Konflikt, eines nicht.
Warum Spaltung: nehmen wir meine Gemeinde als Beispiel. Davos müsste bei den beiden Modellen – die weitestgehend am Majorzwahlverfahren festhalten – in kleinere Wahlkreise aufgespalten werden. Das ist inakzeptabel. Erst neulich hat unsere Gemeinde die ursprüngliche Fraktionierung weitgehend aufgehoben. Nun soll uns von oben herab eine Aufspaltung aufgezwungen werden? Wir sind EINE Gemeinde: vom «Wiesner», der «Unterschnitterin» über den «Plätzler“ und die „Dörflerin» bis zum «Lareter». Und wir wählten auch vor Auflösung der Fraktionen als ein geeinter Wahlkreis. Neben Davos liegen andere Kreise oder Gemeinden auf dem Scheitstock der Wahlrechtsreform: je nach Modell sind auch das Oberengadin, Rhäzüns, Ilanz, Fünf Dörfer, Landquart oder Chur betroffen. Ein Modell geht gar noch weiter und sieht zusätzlich zur Spaltung von Wahlkreisen gar eine Spaltung in zwei Arten von Graubünden vor: das Churer Rheintal als Proporz-Enklave gegen den aufgedröselten Rest.
Warum Konflikt: die beiden fraglichen Modelle sind weit weg von einer gemeinsamen, zukunftsfähigen Lösung. Denn sie spalten nicht nur Gemeinden, sondern auch den politischen Graben zwischen jenen, die das heutige Wahlrecht verteidigten und jenen, die es (mit Recht) vor Bundesgericht kritisierten und endlich mehr Demokratie einfordern. Die beiden Modelle bringen aber für das Gros der Bevölkerung keinerlei Gewinn für die Demokratie. Ein zukunftsfähiger Kompromiss sieht anders aus. Sollte sich ein solches Modell durchsetzen, sind weitere Auseinandersetzungen etwa auch um die Parlamentsgrösse vorprogrammiert.
Bleibt das dritte Modell. Das so genannte Modell C. Hier soll in den gleichen Kreisen gewählt werden wie heute, aber nicht mehr im Majorz, sondern im Doppelproporz. Das machen heute bereits die Zuger*innen, Schwyzer*innen, Schaffhauser*innen, Zürcher*innen etc. Das Modell ist erprobt. Und es versucht einen Ansatz für einen Kompromiss zwischen den Konfliktparteien im Bündner Wahlrechtsstreit. Es verfolgt einen Mittelweg zwischen jenen, die im Proporz in grösseren Einheiten wählen wollen und jenen, die wie heute im Majorz in kleinteiligen Wahlkreisen wählen wollen.
Modell C braucht keine Zwangsspaltungen und auch keine Zwangsfusionen. Dafür aber gibt es einen enormen Demokratiegewinn in allen Kreisen. Denn heute werden dort nur Stimmen berücksichtigt, die an die Gewählten gingen (ganz nach dem amerikanischen Motto: the winner takes it all). Die Stimmen all jener, die andere Kandidierende wählten, verpufften bis heute. Mit Modell C würden auch diese Stimmen im Gesamtergebnis berücksichtigt und gewichtet.
Gewiss. Modell C mit seiner Abstützung auf veralteten Wahlkreisen ist nicht gerade der Traum einer jeden progressiven Staatspolitiker*in. Und es ist gewiss nicht das Wunschszenario von uns Sozialdemokrat*innen, die wir stets grössere Wahleinheiten forderten. Aber vielleicht beinhaltet Modell C genau den Kompromiss, den Graubünden endlich braucht.
Die SP Graubünden jedenfalls erneuert hiermit ihr Bekenntnis zur Bereitschaft, gemeinsame zukunftsfähige Lösungen zu diskutieren. Dazu zählen neben Modell C auch Varianten, die auf den Regionen als Wahlkreise abstützen. Modelle also, die einen Demokratiegewinn bringen. Gegen Modelle, die spalten und Konflikte schüren hingegen werden wir uns ganz entschieden wehren.
Wir wollen den Zusammenhalt und Demokratie fördern, nicht Spaltung und Konflikt vorantreiben.
(Bild: zVg)