Seit einem Jahr ist die Maiensässfahrt der Churer Schülerinnen und Schüler nicht mehr, was sie einmal war. Seit auf dem Rückweg von Juchs nach Chur auf der Oberen Val Parghera ein 14-jähriger Schüler abgestürzt ist und nicht mehr nach Hause zurück kehrte.
Über 160 Jahre alt ist die Tradition, wonach Schulkinder der Stadt Chur auf die verschiedenen Maiensässe wandern, den Tag dort verbringen und sich am Abend auf der Quaderwiese zu einem Fest treffen. Tödliche Unfälle sind für diesen fröhlichen Anlass voller Kinderlachen nicht vorgesehen. «Meine Gedanken sind nach wie vor sehr oft bei den Betroffenen des tragischen Unglücks. Die Trauer und Betroffenheit sind nach wie vor sehr gross», sagt Patrik Degiacomi, der für die Stadtschule zuständige Stadtrat.
Vieles ist seither geschehen: Die Staatsanwaltschaft kam zum Schluss, dass niemand Schuld am Tod des Schülers trägt. Ein externes Gutachten, dass der Stadtrat extra in Auftrag gegeben hatte, sprach davon, dass die Kinder auf der Maiensässfahrt von einem überdurchschnittlichen Sicherheitsdispositiv durch den Tag begleitet werden. Gibt es etwas, dass der Stadtrat heute anders machen würde? «In erster Linie würde ich am Tag des Unfalles bei der Kantonspolizei und Staatsanwaltschaft insistieren, dass die Eltern unverzüglich informiert werden. Es ist mir auch heute noch unverständlich, weshalb es mehrere Stunden dauerte, bis dies geschah», sagt Patrik Degiacomi.
Trotz dieses tragischen Unfalls hätte die Maiensässfahrt dieses Jahr durchgeführt werden sollen. Doch dann kam Corona, der Lockdown, und alles veränderte sich noch einmal: Die Maiensässfahrt wurde schon zu einem frühen Zeitpunkt abgesagt – zu viele Menschen auf zu wenig Fläche.
Eine Homepage für den Jungen
Die Mitschülerinnen und Mitschüler des verunglückten Jungen hätten aber, wie Patrik Degiacomi sagt, sowieso nicht an der Maiensässfahrt teilgenommen. Sie hätten den Tag für sich verbracht. Jetzt wird das Gedenken an ihren toten Klassenkameraden an einem anderen Ort Raum finden. «Es ist uns ein Anliegen, dass dies unter Wahrung der Bedürfnisse und Privatsphäre der Jugendlichen stattfindet», sagte Patrik Degiacomi.
Hat ein Jahr Pause nicht auch seine gute Seite? «Im Sinne einer gemeinschaftlichen Bewältigung wäre das aber meiner persönlichen Meinung nach gar nicht schlecht gewesen», sagt der Stadtrat. Nächstes Jahr werde das zwar ähnlich sein, aber doch noch viel mehr Zeit dazwischen liegen. «Von daher hätte ich es begrüsst, wenn der Anlass in diesem Jahr hätte stattfinden können und auch das Gedenken in diesem Rahmen Platz gefunden hätte.»
Eine andere Art von Gedenken hat die Familie des toten Jungen gewählt. Sie hat eine Homepage erstellt. Neben einer grossen Bildergalerie gibt es auch die Möglichkeit, eine Trauerbotschaft zu hinterlassen. Gemäss dem Vater des Jungen wird die Familie mit den engsten Freunden und einem orthodoxen Priester eine private Gedenkfeier abhalten.
(Bild: zVg)