Ich vermisse nichts. Der Vorrat im Keller reicht noch lange. Das Fünfkilokunstoffgebinde Aromat, ein Geschenk meiner Schwägerin zu Weihnachten, liegt luftdicht verpackt in einer Zwanzigkiloaludose desselben Fabrikats der späten Fünfzigerjahre. Die kleinen Streuer im Retrodesign dazugelegt, entsteht eine Glutamat-Matrjoschka mit lauter lustigen Knorrlis. Das vegetarische Pulver wird nimmer schlecht! Daneben Johannisbeergelée mit Cassis, eine Sammlung aller Jahrgänge seit 2009, reicht noch für die Enkel, zumal meine Kinder sie nicht essen. Und jährlich werdens mehr! Das hat mich jüngst zum Kahlschlag der Beerensträucher bewogen; frische Luft, emotionale Erregung und ruhiger Abschied auf der Gründeponie, die in den letzten Wochen für mich ohnehin zu einem Naherholungsgebiet geworden ist: Hier im Grünen, wo mir die Ratten im Gegenlicht zublinzeln, erlebe ich im Schatten der schwerinvasiven Neophyten die kleinen Freiheiten des neuen Alltags.
Derweil skandieren alternativ informierte, kritisch denkende Bürger aus einem breiten Spektrum im Lande: «F r e i h e i t!». Die arme Mutter Helvetia muss den Grind herhalten und mitmarschieren, und darf sich jetzt schon auf den frühsommerlichen Hashtag-Friedenstauben-Ablegew alk freuen. Im besten Fall barfuss. Die Milizpolitikerinnen machen bei solcherlei Theater nicht mit, sagen (im besseren Fall) wenig oder mobilisieren (im bedeutend schlechteren Fall) die Rede von der Systemrelevanz. Dieses unbedachte Spiel mit Begriffen im öffentlichen Raum – uii du – ist eine heikle Sache, an und für sich! Apropos unbedacht: Seit Djokovic nicht mehr spielen darf, denkt er laut nach –. Dass er während seiner spirituellen Intsta-Livepredigt zur Transformation of Abwasser into Heilwässerchen statt auf den Vierten Weg, eher auf Abwege gerät, scheint der Meister nicht zu merken. Demomutanten, Milizphrasen, Sportler ohne Ball: Dieser Tage gut beraten, wer tut, was er wirklich kann.
Es brodelt ringsum. Wir brauchen die Unruhe. Und umtriebige Köpfe, die sich für die sozialen Errungenschaften dieses Landes hartnäckig engagieren. Der ökonomischen Denke und den lauter werdenden Forderungen der Wirtschaftslakaien, jetzt halt den Gürtel enger zu schnallen, nur zu finanzieren, was ihnen (!) nötig scheint, ist entschieden Paroli zu bieten, «gewiss, dass frei nur ist, wer seine Freiheit gebraucht, und dass die Stärke des Volkes sich misst am Wohl der Schwachen.» Die Grundlage des Wohlfahrtsstaates – ebenso fix verankert in der Volks-DNA wie das Aromat im Tischständerchen einer halbwegs vernünftigen Beiz.
Die Unruhe ist willkommen. Und mit gutem Soundteppich bestens aushaltbar. «Es kann nicht so schwer sein, das Leben», jault aromatisch Karsten Erobique Meyer. «Easy Mobeasy». Bringst zu Gehör und ascht frei über den Kabelsalat.
PS: Den Song zum Text downloaden, mithören!
(Bild: Pixabay)