Die Maiensässfahrt in Chur wird auch 2020 stattfinden. Die externe Sicherheitsprüfung hat keine gravierenden Mängel ergeben. Und was den Alkohol betrifft, sagt Stadtrat Patrik Degiacomi: «Es gab schon lange keine Exzesse mehr.»
Birgt die Maiensässfahrt in Chur ein unentdecktes Sicherheitsrisiko? Diese Frage liess der Churer Stadtrat nach dem tragischen Unglück der letzten Maiensässfahrt, bei der am 23. Mai ein 14-Jähriger tödlich verunglückte, von einer externen Sicherheitsfirma klären. «Wir wollten einen Bericht ohne Emotionen», sagte Stadtrat Patrik Degiacomi und zuständig fürs Schuldepartement, am Dienstag vor den Medien in Chur. Die Ergebnisse der Untersuchung der Staatsanwaltschaft waren dabei explizit kein Thema und liegen auch noch nicht vor.
Der «emotionslose» Bericht bestätigt auf 18 Seiten vor allem eines: Die totale Sicherheit gibt es nicht. «Es gibt immer ein Restrisiko», sagte Peter Jost von der Firma Basler und Hofmann, die die Risikoanalyse durchführte. Befragungen aller Beteiligten hätten aber ergeben, dass die Sicherheit schon höher als beispielsweise bei einer Schulreise gewichtet werde.
Konstante Überwachung unmöglich
«Die Schule muss sich ausserhalb des Klassenzimmers bewegen», sagte Peter Jost. Die Rechtsordnung anerkenne ausnahmsweise Gefährdungen. Dabei unterscheidet man zwischen allgemeinem Lebensrisiko wie beispielsweise einem Verkehrsunfall auf dem Schulweg, einem sozial nützlichen Risiko wie Schwimmunterricht und einem sozial üblichen Risiko wie etwa Skifahren. Kinder seien ab dem 7. oder 8. Altersjahr intellektuell in der Lage, Gefahren zu erkennen. «Bei Jugendlichen ist eine konstante Überwachung gar nicht möglich und auch nicht sinnvoll», sage Peter Jost.
Als Erkenntnis nach diesem Bericht bleibt dem Stadtrat vor allem: Die bestehenden Sicherheitsvorgaben müssen vertieft werden. «Nach aussen gibt es keine Veränderungen. Die Maiensässfahrt 2020 wird durchgeführt», sagte Patrik Degiacomi. Gegen innen soll es aber tatsächlich anders werden: «Wir müssen eine gemeinsame Sicherheitskultur und einheitliche Standarts in der Vorbereitung entwickeln.» Dazu gehört auch die Information der Eltern über den Anlass.
«Kollegiale Kontrolle»
Und was ist mit dem Alkoholkonsum der Lehrpersonen, über den hinter vorgehaltener Hand immer wieder erzählt wird? Auf Seite 9 des Berichts findet sich folgende Anmerkung: «Jedoch führt auch der Konsum von geringen Mengen Alkohol zu einer Beeinträchtigung der Wahrnehmung, Konzentration und Reaktion und letztlich zu einer Beeinträchtigung der Fähigkeit, speziell in einer Gefahrensituation adäquat zu reagieren.»
Tatsache ist: Während der Unterrichtszeiten ist der Alkoholkonsum strikte untersagt. Dazu gehört die Maiensässfahrt als obligatorischer Schulanlass. «Früher gab es regelrechte Exzesse», sagte Patrik Degiacomi. Diese seien jedoch seit einigen Jahren vorbei. Er setzt diesbezüglich in den nächsten Jahren auf die erwähnte Sicherheitskultur oder auch die kollegiale Kontrolle: «Ich sehe das so, dass ein Lehrer, der einen anderen Lehrer dabei sieht, wie er ein Bier kauft oder trinkt, darauf hinweist, dass das verboten ist.» Eine gelebte Sicherheitskultur brauche keine Kontrolle, sondern man arbeite für ein gemeinsames Ziel zusammen.
Auch Stadtpräsident Urs Marti erklärte, dass diese Schwachstelle erkannt worden sei. «Wir haben hier kulturelle Anachronismen. Das ist so, wie wenn ich beim Grillieren ein Bier trinke. Das ist völlig normal für mich. Es käme mir aber niemals in den Sinn, das beim Kochen am Herd zu machen.» Diese Gewohnheiten gelte es aufzubrechen. Fehlbaren Lehrern drohen bei Alkoholkonsum Sanktionen.
Jokertag bei Nicht-Teilnahme
Die Maiensässfahrt bleibt auch 2020 ein obligatorischer Schulanlass, und wer nicht teilnehmen will, muss einen Jokertag beziehen. «Selbstverständlich geht jemand, der nicht an der Maiensässfahrt teilgenommen hat, am nächsten Tag in die Schule», sagte Patrik Degiacomi.
Der 14-jährige Oberstufenschüler war nach der Maiensässfahrt vom letzten Mai auf dem Rückweg von Juchs auf der Höhe der Oberen Val Paghera verunglückt. Am Sonntag darauf wurde der Jugendliche in einem Trauermarsch von der Stadthalle zur Quaderwiese verabschiedet.
(Bilder: Kantonspolizei Graubünden, GRHeute)