Soll die einmalige Alpenlandschaft stärker geschützt werden? Oder soll umgekehrt der Tourismus im Berggebiet mehr Flexibilität erhalten und bessere Rahmenbedingungen für eine zukunftsträchtige Entwicklung vorfinden? Die Abwägung zwischen Schutz und Nutzung der Natur im Berggebiet birgt Sprengstoff und führt immer wieder zu heftigen Konflikten. Das diesjährige Tourismusforum Schweiz (TFS) des SECO nahm Mitte November dieses anspruchsvolle Thema auf. Einen ganzen Tag lang diskutierten Touristikerinnen, Politiker und Behördenvertreter in Bern über die Frage, wie viel Naturschutz genug ist und welche Freiheiten der Tourismus in den Bergen benötigt, um überleben zu können. Es geht um viel – und zwar für beide Seiten. Und eines ist klar: die Meinungen gehen weit auseinander.
Auf der einen Seite steht der Natur- und Landschaftsschutz. Er argumentiert, dass die Natur enorm unter Druck sei: die Hälfte der Lebensräume und ein Drittel der Arten seien heute in der Schweiz bedroht. Tatsächlich ist nicht von der Hand zu weisen, dass die Schweizer Bevölkerung seit 1985 24 Prozent mehr Siedungslfäche beansprucht. Immer mehr Menschen benötigen immer mehr Wohnfläche: seit Beginn des 20. Jahrhunders hat sich die Anzahl Schweizerinnen und Schweizer verdoppelt und jede 6. Gemeinde zählt heute mehr als 20 Prozent Zweitwohnungen.
Auf der anderen Seite kennen wir gerade in Graubünden den Begriff der «potenzialarmen Räume» nur zu gut: Regionen, in denen noch kein Dichtestress wie im Mittelland herrscht – ganz im Gegenteil: diese peripheren Gegenden sind von Abwanderung und Überalterung geprägt. Der Tourismus sorgt gerade in diesen Regionen nicht nur für Einkommen, sondern auch für Infrastrukturen, die das Leben in den Bergen attraktiv machen. Bergbahnen, die besonders häufig mit Naturschutzinteressen im Konflikt stehen, sind in vieler dieser Regionen ein eigentliches Rückgrat des Tourismus und damit vieler Existenzen im Tal. Sie stehen aufgrund der Konkurrenz in den Nachbarsländern, der Klimaveränderung und der Frankenstärke unter enormem Anpassungsdruck. Die geltenden Auflagen an Natur- und Landschaftsschutz sind restriktiv und bedeuten hohe Hürden für Veränderungen und Innovationen. Doch können Bergbahnen ihre Produkte nicht laufend an die aktuellen Gästebedürfnisse anpassen und ein ganz besonderes Erlebnis kreieren, geht die Rechnung schnell nicht mehr auf.
So nachvollziehbar beide Seiten sind, so schwierig gestaltet sich die Suche nach Kompromissen. Das zeigte sich nicht nur am Tourismusforum in Bern, sondern auch in der laufenden politischen Diskussion. Die aktuelle Revision des Raumplanungsgesetztes (RPG2) könnte zum Rohrkrepierer werden, bevor sie es je in die Räte geschafft hat. Die Positionen scheinen weit auseinander zu liegen: die Suche nach dem gemeinsamen Nenner an der Schnittstelle zwischen Raumplanung und Tourismus im Berggebiet wird uns voraussichtlich noch eine Weile beschäftigten. Dabei wären ausgewogene, pragmatische Lösungen, die sowohl den Umwelt- und Landschaftsschutz wie auch eine sinnvolle Entwicklung im Berggebiet ermöglichen, dringend nötig.
(Bild: zVg)