Staldereien: August der Starke in meinem Klo

Es ist schlank. Vornehm zurückhaltend in der Art. Unbeachtet im Dasein fehlt es, wenn es fehlt: mein WC-Bürsteli. Neu gekauft gefällt es mir am besten. Die durchschnittliche Verweildauer neben der heimischen Schüssel ist unterschiedlich, selten wirklich lange. Die Schlichten sind mir eigentlich am liebsten, weil ich die teuren Designermodelle nicht unbedingt endlos am Leben erhalten möchte; selbstreinigend sind die Dinger ja noch nicht. Einige Zeit habe ich versucht, konsequent diese kleinen Ersatz-Bürstenköpfchen zu nutzen, die Schrauberei fand ich aber eklig. Da macht die Hausmarke des Edelgeschäfts auch keinen Unterschied. In meinem sekundären Migrationshintergrundsland Österreich heisst das Ding Klo-Besen, was ich etwas seltsam finde. Aber des is ja ned mei Kaffee! Das kleine weisse Wölkchen, das ich heute lieber in schwarzer Ausführung nutze, kannten schon die sieben Weisen in Ostia – nicht mal Kloputzen können wir ohne die Antike! Mit ‹utaris xylosphongio› riefen die alten Griechen ihre BürgerInnen dazu auf, mit dem leblosen Schwamm am toten Stab die Reste ihres Mahls zu entsorgen. Wenn das den Bürgern Helvetiens von heute auf deren öffentlichen Toiletten nur klar wäre!

Vielleicht ist es dem niederschmetternden Novembergroove geschuldet, dass mir nicht mehr bleibt, als über die olle Bürste zu schreiben. Die Woche steckt fest im lahmen Emoll-Blues und schickt mir dennoch einen Reigen an Geschichtsfetzen. Beispiele? Die toxischen Pläne der Grünen in Bundesbern erregen die Gemüter etwa gleich schnell, wie sie unverwiklicht in die Analen eingehen werden. Die Logik der neu erkeimten Machtfröhlichen und der alteingesessen Machtkartelle ist nicht dieselbe, erst recht nicht, wenn eine formula magica ganz Unzauberhaftes regeln soll. Wie schnell doch einst kritisch-ironisch gemeinte Begriffe zu wirklichkeitsbildenden Gedankenfundamenten unserer Gesellschaft werden. – Das Telefon klingelt, Citoyen Ziegler aus Genf am Apparat. Erquickend der Moment, schwer die Themen. Und ab nach New York, die Uno ruft. À la prochaine, professeur! Schnitt.

Apropos wirklichkeitsbildend: Die Bündner Regierung und die Parteien sind erleichtert ob den PUK-Teil-Ergebnisse im grossen Fall eines Einzelnen, der aber nur aus systemischer Perspektive, viele betreffend, zu verstehen ist. Dennoch ist die Geschichte nicht minder unverdaulich, vor allem, wenn man die je Einzelnen im Blick behält. Für das rhätische Kollektiv dürfte das auch gelten, über die These müsste ich jedoch nochmals schlafen. Das Dramenfragement mit offenem Ausgang kann, wie einst Georg Büchners ‹Woyzeck›, so oder so zusammegeschustert werden. Aber anders als in des Büchners Niederschrift erfassen wir den Kern des Dramas, um das die Figuren tanzen (Woyzeck, Marie, Hauptmann, Doktor, Tambourmajor, Andres …) wohl noch lange nicht. Ob sich die Figuren im Antlitz ihrer selbst erkennen? Ob der Filz weiss, wer der Filz ist?

Bekanntlich macht die Menge das Gift. Ich tauche ab ins Offlineleben. Der schwarze Freitag wird mir zuvor, so hoffe ich innig, einen günstigen, keimfreien, antibakteriellen Klo-Besen, ein Xylospongium mit Lotuseffekt und Brilliantbesatz bescheren, und das heimische Klo noch sauberer halten. Ich taufe ihn auf den Namen August der Starke. Die runde Schüssel mutiert unter seinen Diensten zum Spiegelsaal. Wozu die unfertigen Geschichten unserer Tage mutieren, des wissma ned!

 

PS:  Buchtipp zum Offlinedasein: GRM Brainfuck, Sibylle Berg. Schon rein habtisch ein fantastisches Erlebnis

(Bild: Pixabay)