David Weber lebt in Zug, schrieb einen Roman mit dem Reduit als Kulisse und wählte das Bergell zu seiner zweiten Heimat. Urs Heinz Aerni traf ihn zum Gespräch.
In ihrem Roman «Reduit» versuchen drei Freunde, ehemalige Bunker der Schweizer Armee an sicherheitsbedürftige Reiche zu verkaufen. Eigentlich eine super Idee, könnte dies nicht auch real sein?
David Weber: Man weiss nie, wann andere auf die gleiche Idee kommen, so weit hergeholt ist sie ja nicht, sagt Heinrich Schultheiss auf Seite 56 des Romans, um seine Eile für die Umsetzung des Plans zu rechtfertigen. Tatsächlich war im März 2019 den Medien zu entnehmen, dass eine Privatperson die Festung Furggels bei Sargans (die drittgrösste Festungsanlage des Reduits) gekauft hat, um sie als Arche Noah für den Katastrophenfall zu nutzen. Das «bombensichere» Geschäft zielt wie im Roman «Reduit» auf finanzkräftige Ausländer.
Die Story bringt den Lesenden nicht nur in ein Netz von Täuschung und Gier, sondern man wird Zeuge eines Zerfalls von Freundschaften. Im Zentrum steht die Figur Al, ein etwas zögerlicher und unsicherer Mann. Wie haben sie diesen erfunden oder entdeckt?
Mich reizen Antihelden (das wird in meinem nächsten Roman noch deutlicher zum Ausdruck kommen). Al von Rickenbach ist ein erfolgloser Architekt, der lieber kocht. Er ist zwar auf den ersten Blick cool, hat sich in einem netten Leben als Junggeselle mit wechselnden Partnerschaften eingerichtet. Aber effektiv flüchtet er vor der Verantwortung einer Beziehung. Er ist zufrieden, wenn er in Ruhe gelassen wird – ein Umstand, der sich im Laufe seines «Reduit»-Engagements radikal ändert und zur Prüfung wird.
Dürfte «Reduit» auch als ironische Spiegelung der Schweizer Mentalität interpretiert werden?
Natürlich. Man kann den Roman als Parabel auf das Schweizerische Sicherheitsdenken sehen. Wir haben das Geschäft mit der Angst kultiviert: Versicherungen und Banken leben davon, Normen und Gesetze sichern ab. Sehr schweizerisch.
Auf der Rückseite des Buches lobt ein Stabsoffizier ihren Roman u. a. mit den Worten «Vorsicht beim Lesen!». Rechnen sie mit weiteren Reaktionen aus Militärkreisen, da sie deren Reduit wieder ins Scheinwerferlicht bringen?
Das Lob sehe ich eher als Augenzwinkern. Das Reduit bildet zwar den Drehpunkt der Story, aber militärisch ist die Geschichte keineswegs.
Sie sind und schreiben oft im Bergell, auch eine Art Reduit für Sie?
Das Bergell wurde für mich und meine Frau zu unserer zweiten Heimat. Es ist eine kulturelle Herausforderung und ein Gegenpol zum städtischen Mittelland. Wir haben fantastische Menschen kennengelernt und sind viel in der Natur, deshalb ist es kein Ort, wo ich mich einbunkern will, sondern ein Ort der Inspiration.
Ein Zuger findet im Gotthard ein Roman-Motiv. Wo im Bündnerland gäbe es auch noch Orte, in denen Romanstoffe schlummern könnten?
Da könnte ich viele nennen. Sils, die Seen, der Nationalpark, Davos – ein neues Projekt wird dort beheimatet sein – und es gibt die Persönlichkeiten, die zum Schreiben anregen. Die Zuckerbäcker, die Künstler, Alberto Giacometti als Paradebeispiel des erfolgreichen Auswanderers.
Warum würden sie anderen Romanciers das Bergell als Schreibort empfehlen?
Das Bergell ist eine faszinierende «andere» Welt, eine Mischung aus Abgeschiedenheit und Offenheit. Eine Landschaft der Gegensätze. Einerseits das Wilde des engen Bergtals, anderseits die Offenheit des Oberengadins und die Verbindung zu Italien. Es ist eine Situation, die herausfordert und anregt.
David Weber, Architekt, Musiker und Autor, lebt und schreibt in Zug und Caccior (Bergell). Er studierte «Literarisches Schreiben» an der Schule für Angewandte Linguistik in Zürich. Sein erster Roman «Kral» erschien 2018 und sein neuer Roman «Reduit» in diesen Tagen im Knapp-Verlag.
(Bilder: Urs Heinz Aerni)