Das duale Bildungssystem ist als einer der entscheidenden Erfolgsfaktoren für den wirtschaftlichen Erfolg der Schweiz bekannt. Ein Schlüsselbereich ist dabei die Höhere Berufsbildung, in der sich ehemalige Berufslernende auch im Arbeitsleben noch gezielt weiterbilden können. Eine neue Studie der HTW Chur zeigt die grosse volkswirtschaftliche Bedeutung der ibW Höhere Fachschule Südostschweiz in Graubünden auf. Im Rahmen der Generalversammlung vom Montagabend an der ibW in Chur wurde die Studie vorgestellt.
Die ibW Höhere Fachschule Südostschweiz hat auch 2018 ein erfolgreiches Jahr hinter sich: Mit 1234 Studierenden und 4537 Kursteilnehmenden hat die Erwachsenenschule das drittbeste Resultat ihrer bald 30-jährigen Geschichte erzielt. Dazu wurden 2018 mit der Schule für Gestaltung Graubünden im alten Rathaus von Maienfeld sowie einem neuen, umfassenden Angebot an der Berufsfachschule in Ziegelbrücke zwei neue Schul-Standorte eröffnet. Für ibW-Direktor Stefan Eisenring ist es essentiell, dass Unternehmen in Zeiten der digitalen Transformation «agil bleiben, Trends und Entwicklungen richtig interpretieren und dabei auf Werte bauen, die Halt geben.» Dass dieses Know-how gerade in der Höheren Berufsbildung vermittelt wird, bestätigt nun eine Studie der HTW Chur, die die volkswirtschaftliche Bedeutung der ibW in der Südostschweiz deutlich macht. ibW-Präsident Rico Monsch machte in seiner Ansprache deutlich, dass die Weiterbildung gerade auch für ältere Berufstätige neue Möglichkeiten eröffnet. «Wir wollen ihnen die Sorgen nehmen, nicht dazulernen zu können. Sie sollen Neues annehmen und dadurch das Vertrauen entwickeln, auch mit neuen Arbeitshilfen klarzukommen.»
«Höhere Berufsbildung wird verkannt»
Auch ibW-Förderverein-Präsident Stefan Engler betonte in seiner Ansprache die Bedeutung der nicht-universitären Weiterbildung in der Schweiz: «Die Höhere Berufsbildung in der Schweiz wird verkannt», gab der Ständerat zu verstehen, «die Politik hat dies allerdings erkannt und die Förderung der beruflichen Weiterbildung auf die Fahne geschrieben.» Neben jungen und älteren Arbeitnehmenden sei die berufliche Weiterbildung auch für Frauen, die nach einer Auszeit aus familiären Gründen wieder ins Berufsleben einsteigen wollen, eine grosse Chance. Regierungspräsident Jon Domenic Parolini nahm in seiner Grussbotschaft auch die Schulen in die Pflicht. Die Höhere Berufsbildung sei gegenüber den universitären Abschlüssen im Nachteil, da das duale Bildungssystem und die höhere Berufsbildung so praktisch nur in der Schweiz existierten. «Die Verbände und die Schulen der Höheren Berufsbildung in der Schweiz sind gefordert, gemeinsam verstärkte Marketinganstrengungen zu unternehmen, um den Wert der Höheren Berufsbildung besser zu kommunizieren», so der Bündner Bildungsminister. In einem Input-Referat von Matthias Ammann, Fellow bei Avenir Suisse, wurden an der GV der ibW die Zusammenhänge zwischen Digitalisierung, Arbeitsmarkt und Zukunft der Höheren Berufsbildung nochmals deutlich gemacht.
Die Jahresrechnung des Trägervereins der ibW Höhere Fachschule Südostschweiz weist für 2018 eine ausgeglichene Rechnung mit einem Umsatz von 21,5 Millionen Franken aus. In den Vorstand des ibW-Trägervereins wurde als Vertretung der Stiftung Interkantonale Försterschule Maienfeld (IFM) neu der St. Galler Kantonsoberförster August Ammann für den zurückgetretenen Thomas Brandes gewählt.
92% der Unternehmen sind zufrieden
Präsentiert wurden an der ibW-GV auch erstmals Zahlen der von Prof. Dr. Franz Kronthaler und Prof. Dr. Peter Tromm vom Zentrum für wirtschaftspolitische Forschung der HTW Chur erarbeiteten Wertschöpfungsstudie: Insgesamt entsteht durch die ibW Höhere Fachschule Südostschweiz eine regionale Wertschöpfung von über 20 Millionen Franken pro Jahr, 82% davon fallen im Kanton Graubünden an. Neben diesen kurzfristigen Wertschöpfungs- und Beschäftigungseffekten gehen von der ibW gemäss der Studie «wichtige langfristige regionale Wachstumsimpulse aus.» Dies ergäbe sich sowohl aus den Aussagen der Unternehmen als auch aus den Aussagen der Alumni, so die Autoren der Studie.
- Über drei Viertel der ehemaligen Studierenden geben an, dass die Weiterbildung an der ibW geholfen habe, die Fachkompetenz zu erhöhen und die beruflichen Aufgaben besser zu erfüllen.
- Die Unternehmen, in denen die Studierenden während der Weiterbildung gearbeitet haben, sehen es gleich: 92% geben an, sehr positive beziehungsweise überwiegend positive Erfahrungen mit der Weiterbildung ihrer Mitarbeitenden an der ibW gemacht zu haben.
- 88% sind der Meinung, die Weiterbildungen seien abgestimmt auf die Entwicklungziele des Unternehmens.
- Knapp 60% der Unternehmen geben an, dass die Weiterbildung konkret geholfen habe, die Produktivität und Konkurrenzfähigkeit des Unternehmens zu erhöhen.
«Es ist wichtig zu sehen, dass die Vorteile für Unternehmen, die ihre Mitarbeitenden in eine Weiterbildung schicken, in dieser Studie deutlich gemacht werden», freut sich ibW-Direktor Stefan Eisenring. Gleichzeitig windet er den Firmen in der Südostschweiz ein Kränzchen: «Knapp 90% der Unternehmen beteiligen sich an den finanziellen Kosten der Weiterbildung ihrer Mitarbeitenden. Das zeigt, dass die regionalen Unternehmen modern denken, sich der Bedeutung von Weiterbildung bewusst sind und ihre Verantwortung gegenüber den Mitarbeitenden wahrnehmen.»
«Speerspitze für die Region»
In vier Interviews haben die Autoren überdies die Meinung von Experten analysiert, und zwar von Christine Davatz (Vizedirektorin des Schweizerischen Gewerbeverbands), Dr. Hans Peter Märchy (Leiter Amt für Höhere Bildung Graubünden), Patrick Geissmann (Hauptabteilungsleiter Höheres Schulwesen und Berufsbildung Glarus) und Urs Marti (Stadtpräsident Chur, ehemaliger Präsident ibW). Die Befragten sind sich einig darüber, dass das Ausbildungsniveau der Mitarbeitenden in der Region Südostschweiz in den letzten 20 Jahren gestiegen oder sogar markant gestiegen sei. Einen erheblichen, gar «fundamentalen», Anteil daran habe die ibW mit ihrer hohen Anzahl Studierenden in allen drei Abschlussrichtungen der Höheren Berufsbildung (Höhere Fachschule, Eidgenössische Berufsprüfungen, Eidgenössische Höhere Fachprüfungen). Die ibW gilt in den Augen der Experten als wertvoll, da sie «lokal geerdet» sei und vernetze, für die Region ausbilde, die Wirtschaft stärke, die Zusammenarbeit mit den Unternehmen pflege und sogar einen gesellschaftlichen Effekt durch Anlässe auslöse. Dabei fielen Ausdrücke wie «Alleinstellungsmerkmal für die Region» und «Speerspitze für die Region».
Unternehmen wünschen mehr Beratung
Mit Arbeitsstellen in der Höhe von 119 Vollzeitäquivalenten, über 1200 Studierenden und über 4000 Kursteilnehmern ist die ibW die grösste Erwachsenenschule in der Südostschweiz und betreibt Standorte in Chur, Maienfeld, Sargans und Ziegelbrücke. Die Studie und Experten geben der ibW aber auch einige Empfehlungen auf den Weg. So wünschten sich Unternehmen Unterstützung bei der Auswahl der richtigen Weiterbildung für ihre Mitarbeitenden (37%) und bei der Vereinbarkeit der Weiterbildung mit dem Beruf (52%). Das Angebot der ibW müsse zudem der Digitalisierung Rechnung tragen und gleichzeitig auf Kommunikations- und Sozial-Kompetenzen achten, da diese auch in Zukunft sehr wichtig seien. Die Studie beurteilt, dass die Nachfrage nach Weiterbildungen von der Beschäftigtenseite her trotz sinkender Geburtenzahlen weiter wachsen werde.
(Bilder: zVg.)