Ein Gastkommentar zur Wiederbelebung von Chlus, Curciusa und Lago Bianco.
Die Politik soll endlich für den Ausbau der umweltfreundlichen Wasserkraft agieren. Nach einer zu langen Phase der Verunsicherung, der Marktverzerrung und der Stagnation braucht die Wasserkraft neue konkrete Impulse. Ältere, aber immer noch in Frage kommend Projekte sollen endlich reaktiviert werden. Denken wir vor allem an das grosse Wasserkraftprojekt Chlus und an die Pumpspeicherwerke Curciusa und Lago Bianco.
Chlus
Es handelt sich um ein «Projekt von nationaler Bedeutung», das jährlich 237 GWh produzieren würde, in etwa doppelt so viel wie der Stromverbrauch der Stadt Chur. Dieses hervorragende Wasserkraftprojekt, zwischen Küblis und Landquart (Kraftwerk in Trimmis projektiert), kann bis heute aus finanziellen Gründen nicht gebaut werden. Die Realisierung dieses Projekts würde auch die Schwall/Sunk-Problematik des Flusses Landquart im unteren Prättigau lösen und somit einen enormen Beitrag zu Gunsten der Sicherheit und der Umwelt leisten. Dass für die Umsetzung eines solchen von den 12 involvierten Gemeinden im 2015 konzessionierten Projekts die Rahmenbedingungen noch nicht erfüllt sind, liefert den Beweis dafür, dass die Energiestrategie keine optimalen Anreize gesetzt hat. Daher sind neue Anreize, insbesondere für Projekte von nationaler Bedeutung, mehr als wünschenswert.
Curciusa
Staudämme wie das Projekt Curciusa (Gebiet der Gemeinde Mesocco) verbessern die Versorgungssicherheit, insbesondere im Winter, in den Monaten in denen wir vom Energieimport (hauptsächlich Atomenergie aus Frankreich und Kohleenergie aus Deutschland) stark abhängig sind. Die Optimierung der Versorgung mit einheimischer, erneuerbarer und ökologischer Energie in der Schweiz hängt stark vom Bau solcher Pumpspeicherwerke ab, die sowohl Bandenergie wie Spitzenenergie und Regelenergie liefern und dazu beitragen, die Netzstabilität zu gewährleisten. Darüber hinaus kann der Wasserkraftstrom die von Photovoltaik- und Windkraftanlagen produzierte Energie bestens integrieren.
Lago Bianco
Auch die geplante Investition von über 2 Mrd. Franken für das zukunftsorientierte Pumpspeicherwerk (effiziente Form der Stromspeicherung, z. B. Sonnen- und Windüberschussenergieproduktion) Lago Bianco musste auf Eis gelegt werden. Selbstverständlich kann sich ein Wasserkraftbetreiber eine solche Investition ohne langfristige Garantien nicht leisten. Eine konkrete Unterstützung hätte im Rahmen der Energiestrategie erfolgen sollen, bspw. mit Kreditgarantien. Neue Vorschläge auf Gesetzesebene sind gefragt.
Impulse anstatt Hürden
Die Wasserkraft, die klimaschonendste Form der Stromproduktion, wurde lange Zeit vernachlässigt, obwohl sie das sinnvollste Wachstumspotential unter den erneuerbaren Energien bietet und u. a. die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen reduziert. Im Zusammenhang mit der Energiestrategie unseres Landes wurden in den letzten 15-20 Jahren viele Einzelinteressen vertreten und leider zu wenig jene der Wasserkraft. Und heute? Die Umsetzung der zentralistischen Energiestrategie mit neuen Bestimmungen, Abgaben und Vorgaben schwächt die Berggebiete weiter und mit ihnen erneut die Wasserkraft. Denken wir zum Beispiel an den Gesetzesvorschlag zur Stromversorgung, der u. a. einen neuen zusätzlichen bürokratischen Aufwand für die Wasserkraftbetreiber verlangt. Unsere Täler und Regionen brauchen hingegen Investitionen vor Ort (Arbeitsplätze und Einnahmen).
Förderung der Wasserkraft ist die wirksamste Klimapolitik
In der Diskussion rund um die Energiestrategie wurde klar verpasst, der hohen Wertigkeit der Schweizer Wasserkraft angemessen Rechnung zu tragen. Die Behörden sollen jetzt aufgefordert werden, Überlegungen zu Gunsten der Wasserkraft anzustellen. Die Bündner Berggebiete brauchen praktikable Lösungen, damit sinnvolle Investitionen in Kraftwerke mit einer hohen installierten Leistung wie Chlus, Curciusa und Lago Bianco wieder möglich werden können.
Livio Zanolari, Chur und Poschiavo
(Bild Lago Bianco: Graubünden Ferien)