Von Drohnenflügen über Zugfestigkeitsversuche zu 3D-Modellieren

Ein Beitrag in der Reihe des HTW-Blogs.

Das Förderprogramm Swiss TecLadies der Schweizerischen Akademie der Technischen Wissenschaften SATW bietet Schülerinnen durch Mentoring die Möglichkeit, Vorbilder kennenzulernen und Technik im Praxisumfeld zu erleben. Die Hochschule für Technik und Wirtschaft HTW Chur engagiert sich mit zwei Mentorinnen. Sie zeigen ihren Mentees auch den Vorteil interdisziplinären Arbeitens im Fachbereich Bau vor.

Die Schweiz benötigt vielfältige junge Talente in den Bereichen Technik und Informatik. Deshalb engagieren sich die beiden wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen des Instituts für Bauen im alpinen Raum (IBAR) an der HTW Chur, Barbara Krummenacher und Noëlle Bottoni, als Mentorinnen im nationalen Mentoring-Programm Swiss TecLadies, einem Förderprogramm der Schweizerischen Akademie der Technischen Wissenschaften SATW. Als Mentorin begleiten sie ein Jahr lang je eine Mentee zwischen 13 und 16 Jahren und unterstützen sie dabei in ihrer beruflichen und persönlichen Entwicklung. Die Mentorinnen helfen Mia Gredig, 13, aus Malans GR, und Noemi Güntert, 16, aus Gams SG, ihre Talente zu erkennen, zu fördern und ihre Motivation für technische Berufe zu bestärken.

Geotextilien im Reisstest

Neben dem üblichen Austausch zu zweit, trafen sich die beiden Mentoring-Paare im Februar 2019 für einen interdisziplinären Nachmittag zu viert. Der Start wurde im Baulabor der HTW Chur gemacht, um Zugfestigkeitsversuche an Geotextilien durchzuführen. Geotextilien finden eine breite Anwendung im Bereich des Tief- und Wasserbaus und sind für geotechnische Sicherungsarbeiten ein wichtiges Hilfsmittel. Am IBAR spielen sie in zwei aktuellen Forschungsprojekten eine wichtige Rolle, einerseits als Erosionsschutz in Form von Holzwolle-Vliesen natürlichen Ursprungs und andererseits zur Bewehrung des Seeeises aus Kunststoff, um die Eisschicht zu verstärken. Das Geotextil wird in eine Zugmaschine gespannt und bis zum Bruch gezogen. Die Kräfte und der Weg werden dabei aufgezeichnet. An diesem Nachmittag testeten die Mentees die verschiedenen Textilien, entwickelten ein Gefühl für Zugfestigkeit und machten sich mit der Maschine vertraut. «Ich sehe mich als Türöffnerin für die Mentees, um sie auf ihrem eigenen Weg zu ermutigen und vielleicht auch Vorbilder vermitteln zu können. Mir selbst macht es einfach Freude junge Frauen zu begleiten und die Welt durch ihre Augen zu sehen», erklärt Barbara Krummenacher, die im Baulabor-Teil die Federführung dieses Nachmittags innehielt.

130 Meter über dem HTW-Gebäude

Als nächstes stand ein Drohnenflug über das Hauptgebäude der HTW Chur an, um dessen Position von oben zu filmen. Die Drohne wird heutzutage in der Forschung vielseitig eingesetzt. Versuchsflächen können von oben aufgenommen werden, beispielsweise werden Rissbildung auf dem Eis verfolgt, oder in schwer zugänglichem Gelände kann ein Steinschlagschutznetz überprüft oder Lawinenniedergänge dokumentiert werden.

Zuerst flog Mia Gredig ganze 130 Meter hoch über dem «Kupfergebäude» und schwenkte dann die Kamera 360 Grad, um das Bergpanorama einzufangen. Die Landung direkt vor den eigenen Füssen meisterte sie tadellos. Die 13-jährige zieht auch gleich ein Zwischenfazit zur Teilnahme am Mentoring-Projekt von Swiss TecLadies: «Ich denke, das bring mir recht viel». Dann übernahm Noemi Güntert und flog vorsichtig über die stark befahrene Strasse, ohne mit hohen Fahrzeugen oder Leitungsmasten zu kollidieren. Sie flog bis zum sich in Sichtweite befindenden weiteren HTW-Standort und von dort mit der Kamera auf sich gerichtet wieder zurück. «Meine Mentorin konnte mir Vieles erzählen, was mir persönlich zeigt, dass dieser Bereich für mich interessant sein könnte», doppelt die 16-jährige nach. Beim Drohnenflug lernten die Mentees, dass es wichtig ist, einerseits die Drohne in grossen Höhen nicht aus den Augen zu verlieren und andererseits bei tieferen Flügen auf Hindernisse zu achten.

Modellzimmer am Computer gestalten

«Ich freue mich über meine Aufgabe, jungen und interessierten Mädchen einen Einblick in den Arbeitsalltag zu ermöglichen und sie für den Architektinnen-Beruf zu motivieren. Ausserdem ist es schön, für die Mentees Ansprechperson in vielerlei Hinsichten zu sein und sie auf ihrem Weg in die Berufswelt und ins Erwachsenleben zu unterstützen», betont Noëlle Bottoni, die für die Einführung ins 3D-Modellieren verantwortlich war. Im «Atelier» der HTW Chur gestalten die Mädchen am Computer ein Modellzimmer anhand einer CAD-Software. Sie machten sich dabei Überlegungen zur Grösse, Proportion und natürlicher Belichtung des Zimmers. Damit die Mentees sich ihr Zimmer vorstellen konnten, bietet die Software die Möglichkeit, den Raum in einem digitalen Modell dreidimensional darzustellen. Anschliessend möblierten die Mentees ihr Zimmer nach Wunsch. Die vordefinierten Möbelmasse gaben den Mädchen ein Gefühl für die Grössenverhältnisse. Das digitale Modell ist eine Herangehensweise um Architekturprojekte zu entwerfen. Ein anderer Weg ist die Erstellung eines physischen Modells. Dem IBAR ist eine professionelle Modellbauwerkstatt angegliedert, welche Modelle in den Bereichen Architektur, Design und Ingenieurwesen fertigt. Die beiden Mädchen können sich also vor Ort an der HTW Chur auch von den gebauten Modellen inspirieren lassen und lernen die unterschiedlichen Vorteile der beiden Modellarten kennen.

Strategisches Standbein Vielfalt 

Die HTW Chur unterstreicht mit ihrer Teilnahme an Swiss TecLadies ihr Engagement in der Nachwuchsförderung. Die Hochschule verfolgt diese bereits seit vielen Jahren mit verschiedenen Angeboten, beispielsweise den Techniktagen. Das Engagement der HTW Chur ist strategischer Natur, so verpflichtet sich die Fachhochschule in ihrem Leitbild und der Diversity-Policy der Förderung von Vielfalt und der Entwicklung von Potentialen. Gemischte und interdisziplinäre Teams erarbeiten durch Perspektivenvielfalt besonders innovative, bedürfnisorientierte und effektive Lösungen, die ideal auf die vielfältigen Anspruchsgruppen der HTW Chur zugeschnitten sind. Jürg Kessler, Rektor, bekräftigt: «Ich bin überzeugt, dass die Vielfalt der Mitarbeitenden und Studierenden eine Chance für die agile und innovative Weiterentwicklung unserer Hochschule und unserer Zusammenarbeitskultur darstellt. Darüber hinaus begrüsse ich es als Ingenieur, wenn die Vielfalt auch in technischen Berufen vermehrt zum Tragen kommt.»

 

(Bilder: zVg.)