Grün. Frühlingsblüten blühen grün. Zumindest in Zürich. Hierzulande noch nicht. Stattdessen weht mir die letzten Tage ständig der oder das Blust in meine reich behaarte Nase, verfängt sich darin und erweckt die winterbedingt vergessen geglaubte Allergie zu neuem Leben. Die Frühjahrsergüsse selbsternannter LyrikerInnen im Netz zu ‹Werden und Vergehen› lobpreisen das Zyklische und lassen womöglich die Seelen der Lesenden erquicken. Mich nervt das nur Zumindest der lichtgeschwinde Ausstoss der verbrauchten Atemluft, zwecks Abstossung des Feinstaublichen aus den Löchern im Gesichtszentrum, stört meine innere Gelassenheit arg. Ich meide also die Natur und beschäftige mich im Haus. Das fortwährende Niesen stösst ab. Da frage ich mich, was wir in der Bildungslandschaft Graubündens eigentlich abstossen könnten. Was könnten wir hemmungslos frohlockend über Bord werfen?
Wenn das viel beschworene ‹New Public Management›, zu deutsch ‹Neue Steuerung›, tatsächlich auch mal was Sinnhaftes hervorbringen soll – was es selten tut, aber trotzdem, wenn – wäre die Frage, welche Behörde, welche Struktur in Bündens Tälern schlanker gestaltet werden könnte. Meine Suche dauert nicht lange und schon steht das (erste von vielen) Objekt der heutigen, frühlingshaft anmutenden Forscherfrage vor mir: Was zum Teufel macht eigentlich ein Schulrat und wozu? Unterfragen: Braucht es einen Schulrat? Könnte die Volksschule auch ohne Schulrat funktionieren? Sie werden auch ohne besondere Vorkenntnisse ahnen, dass die Antwort keines Masterstudiums bedarf: Das engagierte Tun der vielen Bürgerinnen und Bürger, welche der ehrenfesten Milizpflicht folgen, ist löblich. In Bezug auf Schule allerdings unnütz. Professionalisierung der Schule bedeutet, dass Schulleitungen gestärkt werden und ihnen eine umfassende Führungsverantwortung übertragen wird. Das heisst, Schulleiterinnen und Schulleiter schaffen als Lehr- und Lernräume, initiieren Wandel und vernetzen die Schule clever und geschickt systemisch mit ihrem Umfeld. Und übernehmen Verantwortung für ihr Tun. Die schier unmöglich wirkende Aufgabe ist nicht so unmöglich, wie sie scheint. Aber anspruchsvoll. Bisweilen sehr anspruchsvoll. Das erfordert entsprechendes Personal. Und Gestaltungswillen. Der Schulrat wirkt neben einer solch dynamischen Berufsaufgabe wie die das Rednerpult einer Politveranstaltung flankierenden Blumensträusse: Die Bündel aus Iris, Cosmea und Ranunkel sind hübsch anzusehen. Es geht aber auch ohne.
Dass die Schule erfolgreich anders organisiert werden kann, haben andere Kantone längst bewiesen. Der eher als konservativ geltende Kanton Luzern beispielsweise ist bereits seit 19 (!) Jahren befreit von Schulräten und hat gar das kantonale Schulinspektorat mit durchschlagendem Erfolg abgeschafft. Wer hätte das den ‹rüüdigen› Innerschweizern zugetraut! Fazit: Es funktioniert. Und: Das komplexe System ist gut durchdacht weiterzudenken. Fatale Schlankheitskuren bergen Risiken. Es muss klar sein, wo welche Aufgaben und Verantwortungen liegen und welche Massnahmen getroffen werden, dass beispielsweise Eltern gegen zweifelhafte Schulleitungsentscheide rekurrieren können. Dazu gibt es bereits Erfahrungen. Einladung, die demokratischen Verankerung der Schule weiterzudenken.
Das Engagement der Bürgerinnen und Bürger, die mich auf so vielen freundlichen Webseiten ach so vieler Gemeinden im Kanton vertrauenserhaschend anlächeln, sei an dieser Stelle nicht geschmälert. Nur: Lenken Sie die Energie um. Backen sie Kuchen für den Elternabend, basteln Sie Insektenhäuschen, grüssen Sie ihren Nachbarn freundlich oder retten Sie meinetwegen die zweizüngigen Galagos vor dem Aussterben. Besser noch: Seien Sie behilflich bei der Abschaffung der Schulräte und führen Sie die Schule in Graubünden ins 21. Jahrhundert! Ziel muss sein – das Vertrauen der Bevölkerung vorausgesetzt – Strategie, Kultur und Struktur der Schule so zu legen, dass die Bündner Schulen fortschrittstauglich werden. Selbstredend erfordert das entsprechend finanzielle Ressourcen. Und den Mut, mit Blick über den Gartenhaag Veränderungen zu wagen. An den lästigen Pollen werden wir ja mittelfristig nichts ändern können.
PS: Falls auch Sie mal das PS nutzen möchten: Die Norm DIN 5008 verlangt mindestens eine Zeile Abstand zwischen dem Ende des Brieftextes und dem Postskriptum. Nur so zur Info.
(Symbolbild: Unsplash)