Wir haben es getan. Wir haben eine eigene Fastnachtsclique gegründet, eine ‹Gaaschi›, wie der Churer zu sagen pflegt. Auch geschrieben als ‹Gaschi›, aber das sprachlich Feinstoffliche führt zu weit. Spannender die Frage: Warum? Sicher nicht, weil im Dorfe das fastnächtliche Treiben gerade zum Aussterben verdammt ist, sondern weil der Anlass – halten Sie sich fest – immer inhaltsleerer wird. Seien wir mal ehrlich: Zu wenig kreativ Beflissene gehen dahin. Und zu viel Konsumwütige, die unplakettiert am Strassenrand stehen und auf ihr Recht auf Unterhaltung pochen. Als gäbe es eines. Da der Anlass nicht von jahrhundertelangen Traditionen getragen ist, ja teils eben erst die Kinderkrankheiten ausgetanden hat, ist er anfällig für die Ansprüche und das Einwirken einer unterhaltungsgeilen Gesellschaft, die zum Nulltarif alles gerne flüchtig konsumiert.
Wir wagen uns also an den Umzug, um über Dorfpolitisches zu äffen. Die Wilden, so las ich einmal in der Luzerner Zeitung, die Wilden seien das Salz in der Suppe einer jeden Fasnacht, würden aber je länger je mehr durch die Organisationswut der Komitees zurückgedrängt. Das ist nun vierzehn Jahre her. Suppiges an der Fasnacht mochte ich nie, das Bittersüsse eher. Die Absicherungstendenz unserer Gesellschaft hat längst auch die Fasnacht, dies es eigentlich freigeistige Treiben erwischt. Sichtbar und spürbar via Regelungen, Bestimmungen, Gesuche, Sitzungen, Anträge, Bescheinigungen, Bewilligungen, Sicherheitskonzepte, Sicherheitbeamte, Sicherheitserlasse, Sicherheitsberichte, Robocops, Wachhunde, Zäune, Stacheldraht, Pfefferspray, Knüppel. Besuche ich im eigenen Ort abends nach dem währschaften Mahl die Fasnacht, verleidet es mir nach wenigen Minuten wieder. Nicht mal aufs TOITOI kann man unbeaufsichtigt. Der schwarze Sicherheitsblock vermiest einem schon vor dem ersten Drink den Abend und verfügt überdies über wenig Humor. Hätte ich nicht glasklare Kenntnisse des Kalenders, ich könnte die Schosse glatt mit einer Klimademo verwechseln. Oder als vorgezogenen ersten Mai mit anderen Mitteln deuten. Zugegeben wir des immer schwieriger, sich in diesem Rahmen noch zu bewegen und der kreativen Kräften freien Lauf zu lassen. Wie sang doch Georg Danzer 1979: «Die Freiheit ist ein wundersames Tier, doch manche Menschen haben Angst vor ihr. Doch hinter Gitterstäben geht sie ein, denn nur in Freiheit, kann die Freiheit, Freiheit sein.» Ja, man sperrt sie ein – und augenblicklich ist sie weg!
Eine freigeistige Fasnacht ist in abgesperrten Zonen nicht realisierbar. Das nennt man dann besser ein kostümiertes Sauffest. Bleibt zu hoffen, dass die Wilden nicht ganz von der karnevalistischen Bühne verschwinden, dass sie da sind, wenn man sie nicht erwartet. Überraschend, verspielt und mit einem Schmunzeln. Jeder Organisationswut und Absicherungstendenz zum Trotz. Denn das Biest lässt sich nicht zämen. Das ist Fasnacht. Im Dorf, in der Stadt. Mit Herzblut und entgegen jedwelcher Konvention. Mit Kalauer und Anstand.
PS: Das PS ist mit Nähen beschäftigt. Sorry.
(Bild: GRHeute)