Der aus Graubünden stammende Ernst Bromeis setzt sich für sauberes Wasser für alle ein, schwimmt dafür durch Seen und Flüsse, hält Vorträge und veröffentlichte ein engagiertes Buch. Urs Heinz Aerni stellte ihm Fragen.
Urs Heinz Aerni: Herr Bromeis, Sie engagieren sich für das Lebensgut Wasser, die Grundlage des Lebens. Nun entschied sich der Zürcher Kantonsrat, dass auch hier der Markt mitspielen soll, also eine weitere Teilprivatisierung des Service public. Wie sehen Sie das?
Ernst Bromeis: Ich sehe es negativ. Seit Jahrzehnten gehören die Quellen den Schweizerinnen und Schweizern. Wasser wird auf kommunaler Ebene bewirtschaftet, und das ist auch gut so. Nicht ohne Grund hat man vor Generationen mit Weitsicht entschieden, dass ein Geschenk der Natur allen Menschen möglichst auf fairer Weise zur Verfügung gestellt werden muss.
Aerni: Sie sehen also keine Vorteile darin…?
Bromeis: Die Geschichte der Privatisierung zeigt, dass sie primär nicht den Menschen dient. Das aktuelle Bespiel vom Schweizer Postautofinanzskandal zeigt exemplarisch, mit welchen Machenschaften einige Unternehmen, auch mit grosser staatlicher Tradition, es mit Recht und Ethik handhaben. Im Wasserbereich darf man z.B. nach London schauen, wie es mit der Privatisierung und Wasser steht. Ich glaube, in London finden Sie niemanden, der dieses wortwörtlich marode und undichte System unterstützt. Und nicht zuletzt hat die erste erfolgreiche Bürgerinitiative in der Europäischen Union gegen eine Ausweitung der Wasserprivatisierung gekämpft. Zürich soll die Finger davon lassen!
Aerni: Ihr Ziel ist es, die Öffentlichkeit für den Wert des Trinkwassers zu sensibilisieren und Sie schwimmen dafür nicht nur durch Bündner und Schweizer Seen, sondern auch gleich im Rhein von der Quelle zur Mündung. Wie erleben Sie die Reaktionen?
Bromeis: Mehrheitlich sehr positiv. Das gibt auch Mut und Kraft, den Weg weiter zu gehen.
Aerni: So mancher könnte sagen, dass wir hier ja im europäischen Wasserschloss leben und dank des vielen Schnees mit genug Wasser versorgt würden. Uns geht es hierzulande doch prima, oder?
Bromeis: Uns geht es prima, weil wir auch in Zukunft nicht verdursten werden. Doch die Wirtschaft durstet nach Wasser wie noch nie in der Geschichte der Alpen. Der ganze Wintertourismus baut auf Wasser. Die Bergwirtschaft baut auf Wasserkraft. Auch die Klimaveränderungen werden bei uns zur Herausforderung. Wenn Gletscher und Permafrost schmelzen, kommen die Berge. Somit wird uns das Thema Wasser in der Gegenwart vor allem auch monetär stark beschäftigen.
Aerni: Mit Ihrem Buch „Jeder Tropfen zählt“ äussern Sie sich nicht nur für die Rechte auf Wasser, sondern möchten Mut machen, sich gesellschaftlich zu engagieren. Hand aufs Herz, eine Aufbruchsstimmung ist in dieser Hinsicht schon nicht zu spüren…?
Bromeis: Sehe ich anders, die Aufbruchsstimmung ist überall. Menschen engagieren sich. Die Aufbruchsstimmung ist aber nicht laut und prominent in den Medien, sondern still vor Ort. Die Summe der einzelnen Bemühungen ist die grosse Kraft. Als prominentes Beispiel sei die Trinkwasserinitiative von Franziska Herren genannt. Sie hat es geschafft, mit einigen Enthusiasten die 100’000 Unterschriften zu sammeln. Das ist Engagement der zivilen Gesellschaft in Reinform. Wir werden in den nächsten Monaten noch viel dazu hören und sehen.
Aerni: Nach Stationen im Spitzensport und Kommunikation agieren Sie mit Ihrem Projekt „Das Blaue Wunder“ als Anwalt für das Recht auf sauberes Wasser. Wie kam es eigentlich dazu?
Bromeis: Das ist eine lange Geschichte. Vor zehn Jahren war ich reif, um meinen eigenen Weg zu gehen. Mit meiner Wasser-Philosophie. Doch die Quelle der Antwort liegt wohl im Unterengadin, in Ardez, wo ich aufgewachsen bin. Das Wasser von Ardez fliesst über Inn und Donau bis in schwarze Meer. Diese Verbundenheit fasziniert mich seit jeher.
Aerni: Dank Eurostärke beginnt der Tourismus in der Schweiz wieder zu wachsen, Bergbahnen bauen aus, Expansionen locken Unternehmer ins Land und der Rubel rollt vermehrt in die öffentlichen Kassen. Wie zuversichtlich ist Ihre Sicht als Vater von drei Kindern auf die nahe Zukunft?
Bromeis: Pessimistisch ausgedrückt: Die Zukunft wird auch ohne uns stattfinden. Optimistisch: Die Menschheit steht an einer entscheidenden Schwelle. Wir haben es jetzt in der Hand, auch im Rahmen der digitalen Revolution, unseren Kompass als Spezies neu zu stellen. Das Wissen, die Erfahrung, die Technik, das Wasser und das Essen haben wir. Wenn wir es schaffen, für alle Menschen zu denken, werden wir eine grossartige Zukunft haben. Das jetzige Wirtschafts- und Staatenmodell ist ein Auslaufmodell. Wir haben eine unglaubliche Chance. Und meine und Ihre Kinder sind ein Teil dieser grossen globalen Möglichkeit.
Ernst Bromeis studierte Sportlehrer und ist ehemaliger Spitzensporttrainer. Er gründete »Das blaue Wunder« und engagiert sich als Referent in Schulen und an Managertagungen, setzt sich für das Thema Wasser im Tourismus oder als Botschafter für das Wassersolidaritätsprojekt »Solidarit’eau Suisse« des DEZA ein.
Heute für Sie unverblümt und direkt von der Front: Urs Heinz Aerni, Journalist und Autor.
" />