«Wildtiere brauchen vor allem Ruhe»

Die Wildtiere in Graubünden sind für den bevorstehenden Winter gut gerüstet. Sie können sich auf die Kälte und das knappe Nahrungsangebot gut einstellen, wenn sie vom Menschen nicht gestört werden. Gut gemeinte Hilfsmassnahmen wie Fütterungen schaden den Tieren mehr, als sie nützen. Das Fütterungsverbot ist deshalb sinnvoll und gilt nach wie vor.

Sechs Verbände und fünf kantonale Amtsstellen spannen zusammen, um die Bevölkerung Graubündens für die Bedürfnisse der Wildtiere zu sensibilisieren. «Der Grüne Tisch Graubünden» ruft die Bevölkerung auf, das kantonale Winter-Fütterungsverbot zu respektieren und Störungen von Tieren in ihren Winterlebensräumen möglichst zu unterlassen. So kann das Wild nach seinen natürlichen Überlebensstrategien überwintern.

Das im vergangenen Winter erstmals geltende und kontrovers diskutierte Fütterungsverbot sei sinnvoll, sagte Anita Mazzetta, Geschäftsführerin des WWF Graubünden am Mittwoch vor den Medien in Almens (Domleschg). «Wildtiere brauchen vor allem Ruhe», fasste sie zusammen. «Störungen im Winterlebensraum und das Anlocken durch Grünabfall, Futterstellen oder Futter aus der Landwirtschaft treiben alljährlich hunderte von Tieren in die Nähe von Verkehrswegen, wo sie Opfer von Unfällen werden.»

Hansruedi Andreoli, Hegepräsident des Bündner Kantonalen Patentjäger-Verbandes BKPJV, unterstrich die Bedeutung der Wildruhezonen für das Rotwild. «Hirsche und Rehe stellen im Winter ihre Verdauung um, senken Stoffwechsel, Puls und Körpertemperatur und kommen so mit sehr wenig Futter aus. Das funktioniert aber nur, wenn sie sich in ihren Lebensräumen verteilen können und konsequent in Ruhe gelassen werden. Die Wildruhezonen sind für die Tiere überlebenswichtig.»

Aufklärung vor Bussen
Bei der Umsetzung des Winter-Fütterungsverbots setze der Kanton zuerst auf Aufklärung und praktische Hilfe, erläuterte Adrian Arquint, Vorsteher des Amts für Jagd und Fischerei. «Wo wir Futterangebote sehen, sprechen wir mit den Leuten und erklären ihnen die Gründe für das Fütterungsverbot.» Wer Wildtiere danach bewusst weiter füttere, müsse allerdings mit Massnahmen rechnen, die bis zur Busse gehen könnten, unterstrich Arquint. «Das Verbot ist aus wildbiologischer Sicht das einzig sinnvolle Vorgehen.»

Das kantonale Fütterungsverbot war im vergangenen, harten Winter teilweise harsch kritisiert worden. «Wir verstehen, dass Menschen den Tieren helfen wollen», sagte Arquint. «Aber Fütterungen sind keine grossflächige Hilfe bei viel Schnee und grosser Kälte.» Sollte der kommende Winter wieder hart werden, kann der Kanton punktuell Fütterungen bewilligen. «Diese Fütterungen dürfen nur durch Fachleute durchgeführt werden. Sie dienen einzig dem Zweck, die Tiere in den Lebensräumen zu halten, denn dort können sie mit minimalem Energieverbrauch am besten überleben.»

Gemeinden und Landwirtschaft gefordert
Nachdem bereits viele landwirtschaftliche Betriebe «wildtiersicher» gemacht wurden, setzt die Kampagne des «Grünen Tisches» nun bei den Gemeinden und den Betreibern von Grünabfall-Sammelstellen an. «Grünabfall ist für Wildtiere attraktives Futter», erklärte Thomas Bitter, Leiter des Bauamts der Gemeinde Domleschg. «Die Sammelstellen müssen daher durch hohe Zäune abgeschlossen werden.» Auch Gartenabfälle und Komposthaufen von Privaten müssten abgedeckt werden, damit Hirsche und Rehe sie nicht als Futter nutzen.

Besonders gefordert bei der Umsetzung des Verbots sind landwirtschaftliche Betriebe. «Unsere Bauern haben bereits viel Aufwand betrieben, damit die Wildtiere nicht auf die Höfe kommen, um an das Futter für die Nutztiere zu gelangen», so Martin Renner, Geschäftsführer des Bündner Bauernverbandes. Das Wildfütterungsverbot sei nicht alleine Aufgabe der Landwirtschaft, sondern auch eine gemeinschaftliche Aufgabe für die Gemeinden, Jägerschaft und Private.

Der Grüne Tisch Graubünden
Sechs Verbände und fünf kantonale Ämter haben sich im Interesse der Wildtiere und des Waldes zum Gründen Tisch Graubünden zusammengeschlossen:

  • Bündner Bauernverband
  • Bündner Kantonaler Patentjäger-Verband
  • Graubünden Wald
  • Pro Natura Graubünden
  • SELVA Verband der Waldeigentümer Graubünden
  • WWF Graubünden
  • Amt für Landwirtschaft und Geoinformation
  • Amt für Lebensmittelsicherheit und Tiergesundheit
  • Amt für Natur und Umwelt
  • Amt für Wald und Naturgefahren
  • Amt für Jagd und Fischerei

 

(Bild: GRHeute)