Dies ist ein Blogbeitrag der HTW Chur.
Zum dritten Mal fand der Web Summit in der imposanten Altice Arena in Lissabon statt. Über 70’000 Teilnehmer, hunderte Speaker, unzählige Startups und eine Armee von Helfern reisten mit grossen Erwartungen nach Portugal. Denn der Web Summit ist nicht mehr ein nerdiges Get-together in einem kleinen Hotel ausserhalb Dublins wie in den Anfangsjahren, sondern eine der grössten Technologie-Veranstaltungen der Welt. In diesen drei Tagen werden Trends vorgestellt, Probleme angeprangert und Lösungen präsentiert. Wer denkt, dass es dabei um neue Produkte geht, liegt falsch. Statt über Hardware oder Software zu fachsimpeln, wurde dieses Jahr Moral propagiert.
Das ist einerseits mehr als notwendig, denn allmählich realisiert die Gesellschaft, dass die Macht im Internet ungleich und nicht zu ihrem Vorteil verteilt ist. Und der Ruf nach Gleichgewicht wurde mit einem Schrei angekündigt. Der Vater des Internets, Tim Berners-Lee, präsentierte die “Magna Carta”, einen Vertrag zwischen Staaten, Unternehmen und Usern für ein besseres Web.
Wolf im Schafspelz?
Andererseits hat das Ganze auch groteske Züge angenommen. Firmen wie Facebook und Google unterschrieben feierlich und mit viel Tamtam den Vertrag, obschon zentrale Punkte noch nicht mal verfasst sind. Letztere hat das Projekt sogar mit über einer Million USD unterstützt, entwickelt aber gerade eine zensierte Suchmaschine für den chinesischen Markt. Dies steht sinnbildlich für den Geist, der am Web Summit omnipräsent war. Die Unternehmen, die das Web fundamental gefährden, präsentierten sich als dessen Retter. Und nicht nur das. Sie alle versprechen hoch und heilig to make the world a better place.
Quo Vadis Web (Summit)?
Wir dürfen gespannt sein. Nicht nur, was aus dem Vertragsentwurf wird, der das Web retten soll. Sondern auch wie sich dessen schnellstwachsender Summit weiterentwickelt. Die Veranstaltung zeigte, dass Portugal wirtschaftliche Relevanz wiedererlangt hat, und sie generierte bereits einen volkswirtschaftlichen Mehrwert von über 300 Millionen Euros. Kein Wunder, haben sich über 20 Städte für die nächste Austragung beworben. Umso erfreuter verkündete der beliebte portugusiesische Präsident Marcelo Rebelo de Sousa in Rockstar-Manier, dass die Veranstaltung für mindestens die nächsten 10 Jahre in der Stadt bleiben wird. Da die Gründer um Paddy Cosgrave neben dem Web Summit auch hinter F.oundersund MoneyConfin Dublin, RISE Conferencein Hong Kong, Collisionin Toronto und SURGEin Indien stehen, dürften sie mit dieser Lösung ebenso glücklich sein wie mit den vereinbarten 11 Millionen Euro, die der Summit jährlich von Portugal erhält. Überdies gehört zum Deal, dass die Kapazität des Messegeländes und der schon jetzt imposanten Arena innert der kommenden drei Jahre verdoppelt wird – mit diesem rasanten Wachstum rechnen die Organisatoren des Web Summit.
Unter dem Strich: Die Erwartungen waren gross, das Spektakel war grösser und der Grössenwahnsinn weitverbreitet. Trotzdem ist der Web Summit aufregend und anregend – eine eindrückliche Erfahrung, die ich jedem an Technologie und Digitalwirtschaft Interessierten ohne Enochlophobie empfehle. Und wer sich fragt, ob in der Altice Arena auch wirkliche Helden und Pioniere zu finden waren…
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