Graubünden heisst nicht nur Natur pur: 615 Seen, über 900 Berggipfel und 150 Täler, sondern auch kulturelle und sprachliche Vielfalt. Wir haben das grosse Glück, dass unser Kanton der einzige dreisprachige Kanton der Schweiz ist. Damit haben wir ein absolutes Alleinstellungsmerkmal. Genau nach solchen sucht die Tourismusbranche ständig. Die Dreisprachigkeit macht unseren Kanton spannend und ist für unsere Tourismusbranche von grossem Vorteil. Das Miteinander von Deutsch, Romanisch und Italienisch ist in den Strassen vieler Ortschaften zu hören, prägt uns, ist Heimat, macht uns stolz. Die Sprachenvielfalt ist die Identität unseres Kantons, 64 Prozent der Bevölkerung bezeichnen Deutsch, 13 Prozent Rätoromanisch, 11 Prozent Italienisch und 13 Prozent andere Sprachen als Muttersprache. Viele beherrschen mehrere Sprachen.
Die Fremdspracheninitiative sieht vor, dass in unserem dreisprachigen Kanton Graubünden in der Primarschule nur noch eine Fremdsprache unterrichtet wird (Deutsch oder Englisch). In der Umsetzung würde dies bedeuten, dass die Bündner Kinder deutscher Sprache vor den Kindern rätoromanischer und italienischer Sprache mit dem Englischunterricht beginnen würden. So hätten auf der Oberstufe einige Schüler bereits einige Jahre Englisch gelernt und andere nicht. Es würde ein Chaos herrschen! Dies nicht nur innerhalb des Kantons Graubünden, sondern auch im Vergleich zu den anderen Kantonen der Schweiz.
22 Kantone haben das Modell 3/5 (eine erste Fremdsprache ab dem 3. Schuljahr, eine zweite Fremdsprache ab dem 5. Schuljahr)! Das Tessin hat ein eigenes Modell mit drei obligatorischen Fremdsprachen. In diesen 23 Kantonen leben rund 92 Prozent der Schweizer Wohnbevölkerung! So ist es nur logisch, dass der dreisprachige Kanton Graubünden ebenfalls dazu gehört und sich für das Modell 3/5 entschieden hat (in der 3. Klasse Italienisch in Deutschbünden, Deutsch in der Rumantschia und im Grigioni italiano, in der 5. Klasse für alle Englisch). Die heutige Lösung ist schweizweit eine Kombination zwischen der Berücksichtigung der Landessprachen und dem Erlernen des Englischen. Sie ist unter den gegebenen Rahmenbedingungen die bestmögliche Lösung, erst recht für Graubünden. So wäre es gerade paradox, wenn wir im dreisprachigen Kanton Graubünden einen sprachpolitischen Sonderzug mit gar weniger Fremdsprachunterricht als in den anderen Kantonen fahren würden. Was die Kinder in den einsprachigen Kantonen bewältigen können, schaffen auch unsere Bündner Kinder!
Die Initiative ist ein Frontalangriff auf die bisherige Sprachenpolitik in unserem Kanton. Es ist nicht realistisch, dass in jedem Schulhaus neben den obligatorischen Fächern fakultativ noch ein zusätzliches Sprachfach angeboten wird. Auch ist es nicht realistisch, dass die Primarschüler freiwillig eine zweite Fremdsprache lernen würden. Würden sie dies nämlich tun, könnte man erst recht beim heutigen Modell bleiben. Wir würden somit in jedem Schulhaus eine andere Sprachsituation antreffen. Jedes Schulhaus würde zu einer Blackbox mit verschiedenen Modellen, die dann auf der Oberstufe irgendwie zusammengefasst werden müssen! An die organisatorischen, finanziellen und personellen Auswirkungen, die zu bewältigen wären, darf man nicht denken. Dabei braucht die Schule eigentlich mehr Ruhe! Und noch etwas: In allen anderen Kantonen, in denen derartige Initiativen vors Volk gelangten, wurden diese allesamt verworfen.
Die Initiative ist also ein Angriff auf unsere Identität und auf unsere Dreisprachigkeit. Sie greift die Glaubwürdigkeit des Kantons Graubünden in der Sprachenpolitik frontal an. National würde man eine Annahme der Initiative nicht verstehen/erklären können! Es gibt nur eine Lösung: Nein zur Fremdspracheninitiative!
" />
(Bild: GRHeute)