Ein Bericht von Carlo Rainolter, Lehrperson Gewerbliche Berufsschule Chur.
«Wenn jemand eine Reise tut, dann kann er was verzählen.» So dichtete es ein Matthias Claudius 1786. Wenn 2500 Jemands eine Reise tun, dann kann man sich verzählen, könnte das Motto diese Woche auf dem Bahnhof Chur gelautet haben, tat es aber nicht. Ein Grossteil der Lernenden der Gewerblichen Berufsschule Chur reisten gestaffelt an drei Tagen nach Bern in die Hallen der SwissSkills 2018, der Schweizer Berufsmeisterschaft. Die Adminstration der GBC meisterten die logistische Herausforderung, die SBB stellten Extrazüge bereit und auch die begleitenden Lehrpersonen durften sich kein Verzählen leisten. Ersetzen wir folglich das altdeutsche Wort durch ein zeitgemässeres und erzählen.
Die Stimmung morgens am Bahnhof Chur, beinahe so wie damals beim Start der Schulreise der Primarklassen, einfach ein bisschen erwachsener. Mit dem Extrazug liessen sich täglich mehr als 800 Lernende nach Ostermundigen fahren, angeregt diskutierend, Klassengeist anregend, gespannt darauf, welche Spitzenleistungen ihre Berufskollegen und -kolleginnen auf dem Gelände der BernExpo abrufen würden. Ob allerdings die dreistündige Fahrt in altertümlichem Rollmaterial unsere Jungen zum Umsteigen auf den ÖV animieren konnte, bleibe dahingestellt. Der Geselligkeit tat es jedenfalls keinen Abbruch und wer weiss, vielleicht stellte der eine oder die andere fest, dass es zwischen Chur und Bern noch andere Ortschaften gibt, als nur Landquart, Sargans, Zürich und Olten. Der 15 minütige Spaziergang vom Ostermundiger Bahnhof zur Bern Expo brachte ermattete Gemüter wieder in Schwung, so dass nun das effektive Ziel angesteuert werden konnte, die SwissSkills.
Auf dem ausladenden Gelände boten in verschiedenen Gebäuden und Zelten 135 Lehrberufe Einblick in ihre Aufgabenbereiche, einzelne Auszubildende oder kürzlich Diplomierte eiferten im Wettkampf um den Sieg in der spezifischen Berufs-Schweizermeisterschaft. Besucherinnen und Besucher durften staunend und respektvoll deren erworbenen Skills und ihre Excellenz bestaunen. Einige davon dürften das künftige SwissSkill Team bilden, die U23 und U26 Berufs-Nationalmannschaft, welche die Schweiz an EuroSkills oder WorldSkills wiederum erfolgreich vertreten werden. Unsere GBCler setzten nun alles daran, ihre unterschiedlichen Interessen zu befriedigen, was nicht hiess, dass man sich nur auf die zahlreichen Verpflegungsstände stürzte, sondern auch zielgerichtet das eigene Berufsfeld oder aber dasjenige des heimlichen Berufswunsches ansteuerte. Überraschung: Da fand sich plötzlich ein Kollege aus der GBC, welcher hochkonzentriert eine CNC-Maschine programmierte und einrichtete, um bald darauf sein Werkstück entstehen zu lassen. Auch bei den Elektroinstallateuren zeigten sich zwei Ehemalige in bester Wettkampflaune. Und wer genau hinschaute, der traf auf weitere «alte Bekannte», möglicherweise aber auch auf den eigenen Ausbildner oder eine Delegation des Berufsschulrates der GBC. Eindrücklich zu beobachten auch die wettkämpfenden Köchinnen, welche sich weder durch die vielen Zuschauer, noch durch den Dauerkommentierer aus dem Hause SRF ablenken liessen, welcher sich frech in die sonst schon enge «Küche» quetschte und mehr Hindernis als Motivator war. An vielen Berufsständen bot sich die Möglichkeit, spielerisch Zugang in die Arbeitswelt zu finden oder sich, mit einer entsprechenden Brille ausgerüstet, virtuell und gar dreidimensional darin zu bewegen. Ein weiteres Angebot bildete das SwissSkills Career Visual Tool, wo sich spielerisch die persönlichen Stärken entdecken und aufspüren liessen, ein Hinweis auf geeignete Berufe inklusive. Viele unserer Lernenden sind mit ihrer Berufswahl durchaus zufrieden und möchten nach dem erfolgreichen Lehrabschluss ihre erworbenen Kompetenzen anwenden. Vor Ort bot sich nun die Gelegenheit, sich einen konkreten Karriereplan aufzeigen zu lassen und die Durchlässigkeit unseres Berufsbildungssystems auszutesten.
Falls man sich auf dem Gelände von SwissSkills über die Nase leiten liess, so traf man unweigerlich auch auf Berufe wie Landwirt, Geflügelfachfrau, den Weintechnologen, Bäcker-Konditor oder gar auf einen Entwässerungstechnologen. Über die Nase fand man jedoch kaum zum Klavierbauer, der Uhrmacherin oder in die Welt der «Gesundheitsberufe». Bezüglich Anziehungskraft in seinem Berufsfeld muss sich der ICT-Bereich nicht beklagen. Eine ganze Palette von Berufen zeigt sich den «Digital natives». Seit diesem Jahr wird quasi als Einstiegslehre eine 3-jährige Ausbildung zur ICT-Fachfrau / zum ICT-Fachmann angeboten, während auf der anderen Seite immer noch die Vielfältigkeit im Tätigkeitsfeld des Mediamatikers steht.
Wie immer am Ende eines solchen Tages heisst es dann, «müde, aber zufrieden und voller Eindrücke kehrten die Reisenden nach Hause zurück», was wohl auch auf unsere GBCler zutreffen dürfte, und wie es wohl auch im Sinne der Ermöglicher war. Die Absicht bestand jedoch auch darin, dass manch einer sich durch die beobachteten Spitzenleistungen anspornen lasse, den Drive und die Beharrlichkeit der Wettbewerbsteilnehmer bemerke, um diesen nachzueifern oder deren Erfolg gar noch übertreffen zu können. Es wäre jedem künftigen Berufslernenden zu wünschen.
(Quelle/Bilder: zVg.)