In der Rubrik «Musik jenseits der Berge» besprechen wir in unregelmässigen Abständen Bands, die keinen oder nur einen minimalen Bezug zu Graubünden haben. In der fünfzehnten Ausgabe haben wir uns mit dem neuen Werk «Quintessenz» der Raplegenden Phumaso&Smack auseinander gesetzt.
Gnueg gwartet
Der Opener des Albums ist ein krachendes Comeback und knallt wie eine Abrissbirne aus den Boxen. Der typische Phumaso & Smack-Sound ist wie eine Coca Cola-Dose zu öffnen nach einer langen Durststrecke in einer Wüste voller Kopien. Das Duo zeigt ihre bekannten Stärken, verwandelt den epischen, pumpenden Beat in einen Classic und weisst darauf hin, dass es neben ihnen nur ein weiteres Duo mit den gleichen Qualitätsansprüchen gibt, nämlich Fratelli-B. Ein viel versprechender Start, der die Entzugshemmungen der grossen Anhängerschaft lindern wird und Lust auf ihre Liveshows macht. So muss das.
Renegades
Die erste Videoveröffentlichung erinnert vom Beat her leicht an die Möchtegang-Songs und ist ein selbstgeschriebenes Loblied an die Skills der beiden Rapper. Wo bei anderen Selbstlob stinkt, werden bei diesem Track live die Hände der Fans sicherlich anerkennend in die Höhe gehen. Vor allem Smacks ironischer Part über die Swiss Music Awards und den Erfolgsdruck, dem sich viele junge Rapper freiwillig aussetzen, bringt ein angenehmes Schmunzeln mit sich. Sie wissen, was sie können. Der Thurgauer Dialekt von Smack ist lediglich eine Randnotiz, da diese zwei Rapper als sich blind verstehendes Langzeitteam rapmässig locker alles in die Luft sprengen können, wenn sie Bock darauf haben. Hammo!
Conscious Skit feat. Fogel
Lol, bei diesem Skit werden die ach so lässigen und zum Teil nur grenzwertig lustigen Radiomoderatoren auf’s Korn genommen. Der Jingle erinnert mich stark an Radio Zürisee. Kann das sein? 😉
Scheisse on Fleek
Ja, Thomas Eggli und Ariel Hasler sind real, stehen zu ihren Wurzeln, ihrem Team Shocktraderz und setzen sich mit ihrem Comebackalbum endgültig die Krone auf oder besser gesagt, rücken sie zurecht. Der positive Vibe des Instrumentals passt zu dem nicht mehr enden wollenden Sommer dieses Jahr und veranlasst sicher viele Ostschweizer beim Autofahren mal etwas mehr aufzudrehen und das Traumwetter zu geniessen. On Fleek eben.
Whisky Shit (2.Rundi)
Na ja. Mir hat die erste Version vom Alkosong aus dem Jahre 2010 schon nicht so gut gefallen. Doch live ist der bei gewissen Fans immer wieder, je nach Pegel, ein lustiger Füller. Ist jetzt einfach ein wenig eine Modalgeschichte die zweite Runde, die zwar etwas witziger als die erste ist… Kann man, muss man aber nicht unbedingt.
Chan eu ja gliich sii
Es wird etwas düsterer und die zwei Sprechgesangskünstler öffnen ihr Herz. Der ewige Konflikt mit dem Erwachsenwerden, respektive dem Erwachsensein Mitte 30, beschäftigt die beiden Herren in diesem deepen Track sehr. In einem Genre zu reifen, dass sich als Jugendkultur präsentiert, ist auch keine 0815-Aufgabe, die P&S jedoch mit Bravour meistern, indem sie die düsteren Wolken auf den Refrain hin voller Selbstvertrauen wegdrücken.
Quintessenz feat. Fratelli-B
Vielversprechende Gäste haben sich mit Telli-B angekündigt und es wird kein Etikettenschwindel betrieben. Hier treffen vier Rapper aufeinander, die seit 15 Jahren Rap leben, der voller Wortwitz und Attitüde strotzt. Etwas Klamauk und ein gegenseitiges Hochpushen zeigt, weshalb die Möchtegang zu den wichtigsten Rapgruppen in diesem Land gehört. Die Zusammenarbeiten mit den Tellis haben jedoch schon eine längere Tradition, die auf den Bad-Boys-Nummern immer wieder mal für viel Zuspruch gesorgt haben. Immer noch frisch, immer noch tight. Eine Pflichtfeaturing, dass sich mit einem genialen, ziemlich aktuellen Sample nahtlos zu den anderen Klassikern reiht. Läuft bei denen.
Tanz mit em Tüüfel (Phumaso solo)
Phumaso zeigt, wie man über eine simple Pianobegleitung wie ein Tornado fegen kann. Dank dem zurückhaltenden Arrangement kann man das Ohr seinem Innenleben schenken und merkt, dass es dort drin mächtig brodelt. Ein gelungenes lyrisches Werk, nach dem man sich doch nur allzu gerne vorstellt, wie Phumaso alleine auf Albumlänge klingen würde. Just do it!
Ritalin
Bei diesem Song muss man gar nicht zu viel Worte verlieren. Wenn P&S zu diesem Hit kein Video schiessen, sind sie Deppen. Ein grosser Spass in der Tradition von YOLO oder Maybelline. Let’s party!
Summer für immer
Komödiantisch geht es weiter. Die Kritik an den Sommerhits avanciert innerhalb von wenigen Minuten selbst zu einem witzigen Sommerhit. Das Sample erinnert etwas an einen Saloon im Wilden Westen, was dann eigentlich von der Hitze her auch irgendwie zum Thema passt.
Turn the page
Hui, von wo ist das geniale Sample wieder geklaut? Fliessend und ziemlich musikalisch schliesst das Lied an seinen Vorgänger an. Wer die Jungs schon mal live gesehen hat, weiss welch hohe Wichtigkeit das Touren für sie hat. Hier ist ihr Soundtrack zu ihren Reisen und es bleibt zu hoffen, dass in ihrer Biografie noch einige weitere Seiten mit so coolen Songs beschriftet werden. Den mag ich sehr.
Mind State 100 (Smack solo)
Smack macht eine Bestandesaufnahme und zeigt grundehrlich, wie er ist. Während andere versuchen nach den Sternen zu greifen, war er immer echt und hat auf die Meinungen anderer gepfiffen. Auch dieser Solotrack macht Bock auf mehr und ist unterhaltend anzuhören. Kleine Jokes zwischen den Zeilen laden zum Entdecken ein, während SMA kein Blatt vor den Mund nimmt und alles was ihm nicht passt direkt anspricht.
Vierabigbier feat. Fogel & Nick
Schon wieder eine Hymne an den Alkohol… Doch hier wird auch noch die Freundschaft zelebriert, was lustig anzuhören ist. Fogel ist eine etwas verkannte Legende, dessen facettenreiche Musik bisher ein wenig unter dem Radar stattfand. Doch seine Kollegen reissen ihn wieder mal ins Spotlight, wo er mit seinem Wortwitz auch hin gehört. Die Winterthurer wissen wie man feiert und halten das auf einem amüsanten Track fest.
Nüt vu dem
Triolenbeats sind tricky zu berappen, doch Phumaso und Smack meistern das federleicht. Schön, hier gegen Schluss der Platte nochmals eine weitere musikalische Facette entdecken zu können.
Hand ufs Härz
Jetzt gibt’s doch tatsächlich noch ein Lovesong von den beiden. Klassischer Hip Hop mit souligem Sample, da glühen die Herzen der Oldschooler und irgendwie hat man in dieser Art von P&S noch nie so was gehört. Etwas ungewohnt, aber ziemlich cool.
Sie hend gseit
Einmal noch ein moderner Tune. Ein Rückblick auf die Karriere der beiden, der etwas wehmütig werden lässt und man hofft, dass die Geschichte mit diesem Album noch nicht abgeschlossen ist, da die beiden Herren Schweizer Rap in der vergangenen Dekade mit geprägt haben und doch vielen Fans fehlen würden. Sie haben einfach gemacht und wenn Nike in der Schweiz eine passende Werbekampagnenhymne braucht, würde ich genau diesen Song hier als optimale Lösung vorschlagen.
Schlussfazit:
Phumaso & Smack sind zurück mit einem modernen Rapalbum, bei dem man die Texte nicht nur versteht, sondern bei vielen Passagen Parallelen zum eigenen Leben ziehen kann. Kompromisslos ist das langersehnte Album, vielleicht nicht trendy oder tauglich für den Radio, doch auf jeden Fall ein starkes weiteres Kapitel Schweizer Rapgeschichte. Es gibt Partytracks, nachdenkliche Stücke und es schleicht sich nie ein Gefühl der Langeweile ein. Denn dieses Werk ist musikalisch facettenreich, Smack und Phu sind auf ihrem gewohnt hohen technischen Level und dass sie sich dem Trend Trap verwehren und gleichzeitig ihre Linie weiter ziehen, ist grosses Kino. Bleibt nur zu hoffen, dass auf das nächste Duowerk von ihnen nicht wieder fünf Jahre gewartet werden muss.