Acht Menschen werden seit dem Bergsturz am Piz Cengalo vom 23. August 2017 vermisst, 147 mussten nach den Murgängen evakuiert werden. Seit Juli ist am Piz Cengalo wieder Fels in Bewegung. Nach wie vor besteht die Gefahr weiterer Bergstürze und Murgänge in der Val Bondasca; sämtliche Wanderwege des Seitentals sind gesperrt.
Ein Jahr nach dem riesigen Bergsturz und den Murgängen bis Bondo erinnert das Bergell an die Opfer der Naturkatastrophe. Am Morgen des 23. August 2017 fielen in der Val Bondasca acht Menschen dem Bergsturz vom Piz Cengalo zum Opfer. Trotz sofort eingeleiteter Suchmassnahmen fehlt von ihnen nach wie vor jede Spur. Eine Nachsuche im Juli 2018 blieb erfolglos.
«Der 23. August wird fortan der Tag sein, an dem wir an die acht Opfer in der Val Bondasca und deren Hinterbliebene sowie an die vielen Betroffenen der Naturkatastrophe in unserer Gemeinde denken», sagt Gemeindepräsidentin Anna Giacometti. «Wir erinnern uns dabei auch an die grosse Welle der Solidarität im Tal und weit darüber hinaus und an den grossen Einsatz aller Rettungs- und Hilfskräfte.»
Nach dem Bergsturz wurde in der Val Bondasca das bestehende Alarmsystem für Murgänge weiter ausgebaut und im Frühling 2018 abgeschlossen. Der Piz Cengalo wird seither permanent mit Radar und Kameras überwacht und die Situation wird laufend durch Experten beurteilt. Durch den Winter und bis in den Juli hatten Radarmessungen keine grösseren Felsbewegungen mehr gezeigt und es kam nur zu kleineren Felsstürzen.
Neueste Messungen zeigen, dass seit Juli etwa 3 Millionen Kubikmeter Fels wieder in Bewegung sind. Wenn die Bewegungen anhalten kann diesen Sommer ein Bergsturz mit mehr als 1 Million Kubikmeter nicht ausgeschlossen werden. Sämtliche Wanderwege in der Val Bondasca sind gesperrt.
Schutz vor weiteren Murgängen
Entlang der Gewässer in der Val Bondasca liegen rund 1.5 Millionen Kubikmeter abgestürztes Felsmaterial, das mit genügend Wasser leicht mobilisiert werden kann. Bisher sind anhaltende Starkniederschläge ausgeblieben; insbesondere bei starken Sommergewittern oder einem erneuten grossen Bergsturz müssen aber neue Murgänge bis in die Talsohle bei Bondo erwartet werden. Die Bewegungen am Berg und die Wetterentwicklung im Sommer 2018 sind daher für den weiteren Verlauf entscheidend.
Die Gemeinde hat sich auf weitere mögliche Ereignisse in Bondo so gut wie möglich vorbereitet. Das Rückhaltebecken wurde provisorisch auf ca. 300’000 m3 Fassungsvermögen erhöht und in Zusammenarbeit mit den kantonalen Ämtern wurde eine Notfallplanung erarbeitet. Die Bevölkerung wurde über das Verhalten im Ereignisfall ausführlich informiert. Sollte die Ortszufahrt wieder gefährdet werden, steht die Notstrasse über eine Behelfsbrücke der Armee nach wie vor zur Verfügung. Sämtliche Informationen stehen auf der Internetseite der Gemeinde zur Verfügung.
Zusammen mit dem Tiefbauamt des Kantons Graubünden arbeitet die Gemeinde am definitiven Schutzbautenkonzept für das Gebiet Bondo, Spino, Sottoponte und Promontogno und den künftigen Strassenverbindungen. Das Konzept berücksichtigt auch das schützenswerte Ortsbild von Bondo; die approximativen Kosten liegen bei 23 Mio. Franken.
Der Führungsstab der Gemeinde führte zusammen mit dem Amt für Militär und Zivilschutz einen Ausbildungstag durch. Er trainierte und festigte die systematische Stabsarbeit und verfeinerte die Pflichtenhefte des Stabs sowie der Sicherheits- und der Lawinenkommission.
Rückblick
Nur Stunden nach dem grossen Bergsturz drangen am 23. August 2017 die ersten Murgangschübe bis in die Gegend von Bondo vor. Bis zum 31. August wurde dort fast eine halbe Million Kubikmeter Felsen, Geröll und Schlamm abgelagert. Die Erdmassen verschütteten Teile von Bondo, Spino, Sottoponte und Promontogno. 147 Personen mussten über mehrere Wochen evakuiert werden; zehn von ihnen konnten nicht mehr in ihre Häuser zurückkehren. Der Gesamtschaden wird auf 41 Millionen Franken geschätzt.
Sofort nach der Katastrophe wurden die Arbeiten zur Wiederherstellung der Schutzbauten und zum Schutz der verbleibenden Ortsteile aufgenommen. Nach sieben Wochen konnte mit der Aufhebung der Evakuierungen begonnen werden; elf Wochen nach dem ersten Murgang war das Rückhaltebecken geleert und die schwer beschädigte Kantonsstrasse wieder in Betrieb. Die Geröllmassen wurden auf zwei neuen Deponien in der Nähe von Bondo eingebaut. Die Deponien werden bereits wieder rekultiviert.
Die Gebäudeversicherung Graubünden (GVG) und die Elementarschadenkasse Graubünden (ESK) konnten die Behebung von Schäden an Gebäuden und Grundstücken rasch in die Wege leiten und teilweise bereits abschliessen. Sieben Wohnhäuser und ein Werkhof der Gemeinde mussten abgebrochen und können wegen der Gefahrenlage oder dem Bau neuer Schutzbauten nicht wieder aufgebaut werden. Die finanziellen Entschädigungen wurden in kürzester Zeit an die betroffenen Eigentümer überwiesen.
Im April 2018 wurde zwischen Bondo und Promontogno eine provisorische Hängebrücke für Fussgänger erstellt. Im Gebiet Caltüra, bei den beiden Deponien, wurde eine Güterzusammenlegung eingeleitet und der Ersatz der Strassenbrücke «Marlun» in der Val Bondasca ist in Planung.
Getragen und unterstützt wurde die Gemeinde Bregaglia bei ihren umfangreichen Aufgaben vom Kanton Graubünden, dem Bund und einer beispiellosen Welle der Solidarität. Die Glückskette, die Patenschaft für Berggemeinden und die Gemeinde selbst erhielten Spenden in der Höhe von fast 14 Millionen Franken. Zur Koordination des Einsatzes von Spendengeldern wurde von der Regierung des Kantons Graubünden eine Kommission eingesetzt.
(Quelle: Standeskanzlei Graubünden, zVg., Bild: Archivbild GRHeute)