Anfang Juli 2018 wurde die zweite Land Art Freiluftausstellung Art Safiental mit 15 temporären Kunstwerken bei uns im Safiental eröffnet. Im Vorfeld nahmen 34 Kunstschaffende aus 20 verschiedenen Nationen an der Alps Art Academy teil. Während bei den Teilnehmenden Dinge wie ein Selbstbedienungsbeizli oder die eingeschränkte Verfügbarkeit von alltäglicher Infrastruktur grosses Erstaunen auslöste, legte sich manchmal die Stirn von Einheimischen in Falten, wenn sie eines der zahlreichen Kunstwerke betrachteten.
Zwei Buben aus Tenna begutachten den Lichtkreis von Ingeborg Lüscher etwas ratlos. Der eine meinte erstaunt „Ist das Kunst?“ und der andere bemerkte, dass der Kreis ja gar nicht rund sei. Sie folgten dem Rat der anwesenden Künstlerin, den Kreis von einem anderen Standort aus zu betrachten. Und ja, von dort aus betrachtet, war er rund. Sie liessen sich danach auf ein Gespräch mit der Künstlerin ein und hörten gespannt zu, was sie über ihr Werk erzählte. Als sie gingen, schienen sie tatsächlich eine befriedigende Antwort auf die Frage „Ist das Kunst?“ erhalten zu haben. Offenbar vermochte die weltweit bekannte, bereits über achtzig jährige, sprudelnde Vollblut-Künstlerin auch zwei Tenner Buben von ihrem Werk zu überzeugen.
Auch mir ging es manchmal ganz ähnlich wie den beiden Buben. Als eine Teilnehmerin mich fragte, wo denn hier in den Bergen die Wolken normalerweise durchziehen. Sie wolle auf einem dieser Pfade einen Wolkenfänger erstellen. Von Traumfängern habe ich schon gehört; aber Wolkenfänger – baut die Dame einen übergrossen Luftentfeuchter, oder bekehrt der Fänger die Wolken und formt sie zu Sonnenschein?? Sie versuchte mich zu überzeugen und meinte, es wäre doch wunderschön, irgendwo in der Natur zu sitzen und auf eine Wolke zu warten, welche durch die Landschaft gleitet und dann durch einen Wolkenfänger schlüpft. Nun gut, entspannt in der Natur eine Rast zu machen und die Landschaft zu betrachten konnte ich mir tatsächlich sehr gut vorstellen, und ich begann zu überlegen, wo denn ein solches Wolkenspiel tatsächlich zu bestaunen war. Storytelling hilft auch in der Kunst.
Land Art Kunst ist für mich nicht nur das Betrachten eines Werkes, sondern eben vor allem den Standort des Kunstwerkes zu entdecken, aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten, genau hinzusehen, zu beobachten, sich auf die Kunst in der Landschaft einzulassen. Und insbesondere die Stimmung auf sich wirken zu lassen. Das Kunstwerk wird Teil der Landschaft. Und die Kunst verändert den alltäglichen Blick auf die Landschaft und die Wahrnehmung von Natur, Landschaft und Alltäglichem. Nach einer Woche Alps Art Academy war ich immer und überall von Kunst umgeben: Der regelmässige Schnitt einer frisch gemähten Wiese, eine fein säuberlich gestapelte Holzbeige oder ein gespaltener alter Baumstamm hatten plötzlich einen künstlerischen Aspekt. Plötzlich betrachtete ich nicht mehr „nur“ die atemberaubende Aussicht, sondern achtet noch vermehrt auf Besonderheiten, welche die Natur hervor bringt.
Nutzen Sie die vielen Kunstinitiativen im Kanton, um hinauszugehen, zu entdecken, zu beobachten und um sich einfach mal den Ärmel reinziehen zu lassen. Sind Sie offen für Neues und Unerwartetes – so kommen Sie der Kunst ein Stück näher und jeder bekommt seine eigene persönliche Antwort auf die Frage „Ist das Kunst?“.
Heute für Sie unverblümt und direkt von der Front: Jolanda Rechsteiner, Geschäftsführerin Safiental Tourismus.
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(Bild: graubuenden.ch)