Es war im April 2015, als ich in Berlin bei einem lieben Freund zu Besuch war. Die Stimmung gut, der Wein exzellent. Mir gegenüber sass eine wunderbare und bezaubernde Frau mit offenem Blick und jugendlichem Lachen. Trotz unseres Altersunterschieds – sie ist 22 Jahre älter – hatten wir unzählige gemeinsame Gesprächsthemen und der Abend war viel zu schnell vorbei. Es entstand eine wunderbare enge Freundschaft, die wir bis heute intensiv pflegen. Bei der Verabschiedung an diesem Abend versprach mir mein charmantes Gegenüber, ihre gerade im Kiepenheuer & Witsch Verlag erschienene Biografie zukommen zu lassen. Doch erst vor zwei Wochen, nach einer Odyssee von fast drei Jahren, kam das Paket mit dem Buch bei mir an… übersät mit unzähligen Stickers von DHL und der Schweizer und Deutschen Post. Noch am gleichen Abend setzte ich mich mit einem Glas Whisky vor das lodernde Feuer in meinem Kamin und begann, in ihrer Biografie zu lesen. Die Geschichten über ihr Leben verzaubern, weil sie es schafft, ihr Leben jeweils aus dem jeweiligen Alter heraus zu erzählen. So sind es nicht die über 140 Kino- und Fernsehfilme, bei denen sie als Star vor der Kamera stand, sondern die Persönlichkeit einer unglaublich starken Frau, die den Leser in den Bann ziehen. So erfährt der Leser aus den Augen eines neunjährigen Mädchens, wie ihr über alles geliebter Bruder im Krieg durch eine Feuersalve umkommt – und dass sie die Kugeln, welche aus seinem kleinen geschundenen Körper entnommen wurden, mit tiefer Sehnsucht nach ihrem grossen Bruder bis heute aufbewahrt. Ich versuche mich daran zu erinnern, wie meine kleine Welt mit neun Jahren aussah. Da ist mein Bruder Reto, mit dem ich beim ersten Schnee vor lauter Aufregung unzählige Male aus dem Haus raus und wieder rein gerannt bin, bis meine Mutter ganz entnervt war. Da sind die Spielabende mit den Eltern am Küchentisch, mit Blick durch das Fenster Richtung Crap Sion Gion und Nagens. Mein Papa hatte sich jeweils schrecklich Mühe gegeben, uns Kindern zuliebe nicht immer zu gewinnen. Es sind unzählige Bilder glücklicher Tage. Dies führt mir schlagartig vor Augen, dass ich das Glück habe, zur ersten Generation zu gehören, die in Europa keinen Krieg erleben musste, ja die jetzt sogar über offene Grenzen reisen kann. Der enorme wirtschaftliche Erfolg hat dazu geführt, dass Ferien und Urlaub wann und wo immer möglich sind. Zum einen eröffnet das seit dem Zweiten Weltkrieg stetig gestiegene Einkommen mehr Möglichkeiten, zum anderen ist seit 1900 die Anzahl Arbeitstage von 300 pro Jahr auf 220 gesunken – wir haben also mehr Freizeit. 1960 wurde in Graubündens touristischem Zielmarkt Deutschland noch 36,6% des privaten Konsums für Lebens- und Genussmittel ausgegeben, 1990 hingegen nur noch etwa 20% – während der Anteil des touristischen Konsums von 1,7% auf 4,3% anstieg. Die Zahl der Urlaubstage in Deutschland erhöhte sich von durchschnittlich 12 Tagen (1950) auf heute 31 bezahlte Urlaubstage. Der Anteil der Jahresfreizeit stieg von 1600 Stunden jährlich (1950) auf derzeit etwa 2100 Stunden. Das Freizeitverhalten in Europa hat sich seit 1945 enorm verändert. Nutzen wir doch unsere Freizeit, um uns auf eine Reise in unsere Kindheit zu begeben. Erinnern wir uns an die glücklichen Momente – und an die Tatsache, dass wir mit der Gnade gesegnet sind, in der friedlichen und wohlhabenden Schweiz geboren und aufgewachsen zu sein, hier leben und arbeiten zu dürfen. Und teilen wir diese Gnade mit unseren Gästen, die vielleicht weniger glücklich aufgewachsen sind. Seien wir warmherzige und grosszügige Gastgeber und geben wir etwas weiter von unserer Fülle und unserem Glück. Und schaffen so bei Kindern aber auch bei Erwachsenen Erinnerungen an ein Graubünden, in das es sich immer wieder zurückzukehren lohnt. Welches sind Ihre schönste Bündner Kindheitserinnerung…
(Quelle: Wirtschaftsgeografie, Universität München. Anton Sölch)
Heute für Sie unverblümt und direkt von der Front: Ditti Bürgin-Brook, La Siala Entertainment GmbH («Schellenursli»)
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