Wenn in Graubünden das Vieh auf die Alpen getrieben wird, treffen sich die Bündner Geistlichen zur Synode, eine der Ältesten im Hause des Protestantismus. «Die Kirche hat mich gekreuzigt, ich aber bin persönlich auferstanden», sagt heute der ehemalige Bündner Pfarrer Alberto Pool, der aus der Synode ausgeschlossen wurde.
Das Bündner Theologische Kompetenzzentrum, die Bündner Synode, trifft sich im Juni in Cazis. Ein Blick auf die Traktandenliste zeigt: Die Bündner Geistlichen setzen diesmal wenig Akzente. Das war nicht immer so. Der «Fall Pool» sorgte landesweit für Aufsehen: Der Pfarrer aus Grono, Alberto Pool wurde ausgeschlossen und für das Pfarramt als unfähig befunden. «Bündner Synode wirft Pfarrer raus» hiess es damals. Wie geht es Alberto Pool heute? Alfred Bühler hat nachgefragt.
Alfred Bühler: In Graubünden tagt bald wieder mal die Synode, Sie waren ja selbst mal als Dekan dort Vorsitzender. Dann wurden Sie ausgeschlossen und für amtsunfähig eingestuft. Wie erging es Ihnen damals persönlich, ohne jegliche berufliche Basis?
Lorenzo Alberto Pool: Damals habe ich erleben können – natürlich nicht körperlich – was Persönlichkeiten in der Vergangenheit unter einem religiösem Prozess erlebt haben müssen: Demut, Angst, Zorn….. Dazu nur ein Beispiel: Die Personalkommission der Synode verlangte, dass ich mich rechtfertige gegenüber “Gerüchten über den Pfarrer im Tal”. Im Nachhinein erwiesen sich diese Gerüchte als Rufmord. Dazu die “Bagatellen”, wie das Bundesgericht festgehalten hatte, waren der offizielle Grund des Ausschlusses der Synode.
Offenbar ist Ihnen die «persönliche Auferstehung» gelungen. Sie blieben nicht liegen und blicken wieder nach vorne. Wie ist das Ihnen gelungen? Inwiefern hat Sie dieser «Prozess» verändert?
Dank der Bündner Synode konnte ich ganz nahe erleben, was in Psalm 23 geschrieben steht: “ Und ob ich schon wanderte in finsteren Tal, fürchte ich kein Unglück, den Du bist bei mir….” Dazu kann ich sagen, dass ich die “Guten Mächten” (Bonhoeffer) in dieser Situation stets stark gespürt habe. Gott sei Dank ist mein Glaube an den Herrn immer fest geblieben! Die vielen Freunde innerhalb und ausserhalb der Kirchgemeinde haben mir sehr sehr geholfen: sie standen hinter mir, sei es als Mensch, sei es als Pfarrer.
Gab es Fehler Ihrerseits? Dinge, die Sie heute anders angehen würden?
Bestimmt gab es Fehler, wer macht ja keine? Besonders wenn man sich in einer Mobbing-Situation befindet, ist es normal, dass man viele Fehler macht! Ich hätte zum Beispiel früher merken sollen, dass es besser gewesen wäre, wenn ich das Ganze losgelassen hätte. Spätestens, als die alte Kirchgemeinde-Präsidentin und dazumal Mitglied des Kirchenrates, Lini Sutter, vom Kirchgemeinde-Präsidenten Daniele de Patre verlangt hatte, dass ich meine Kandidatur als Grossrat in Chur für die SP zurückziehen müsse…. Ich und mein Kirchgemeinde Vorstand waren der Meinung, dass wir im Recht waren, und deshalb haben wir gekämpft. Heute bin ich mir dessen bewusst, dass es nicht reicht, im Recht zu sein, wenn jemand gewisse Entscheidungen im Vornherein getroffen hat.
Hat «Ihr Fall» auch die Bündner Synode verändert oder dort irgend etwas ausgelöst?
Ich nehme an, dass der “Fall Pool” etwas ausgelöst hat. Die Synode hat ihre Schattenseiten gezeigt: sie kann auch als unmenschliches Gericht auftauchen, wie in schweren Zeiten, vor einigen hundert Jahren in Disentis…. Das hat nichts mit Nächstenliebe zu tun, nichts mit ethischem Umgang…. Rufmord und Unterstellungen waren aktuell auch in meinen Fall an der Synode in Chur, wo mein Ausschluss beschlossen wurde. (Es ist alles protokolliert!)
Aber eben, Fehler sind eine ausgezeichnete Lebensschule; das Büro der Synode wird kaum – glaube ich- noch eine Pressekonferenz einberufen, um die Suspension eines Pfarrer kundzugeben! Da im kirchlichen Gesetz ausdrücklich geschrieben steht, dass jegliche Personal Problematik eines Pfarrer/In in geschlossen Sitzungen während der Synode diskutiert wird!
Das Bündner «Theologische Kompetenzzentrum» betont immer wieder die Ethik und hat meines Wissens gar eine Ethikkommission. Wie menschlich haben sie Ihre Kolleg/-innen erlebt?
Ein relativ grosser Teil der Pfarrerschaft – auch aus der Ethikkommission- hat sich öffentlich mit mir solidarisiert. Beispielsweise Kollege Romedi Arquint. In der Regula Kirche in Chur wurde eine ausserordentliche Synode, „nur“ um meinen Fall zu diskutieren, einberufen. Wenn ich denke, wie viel Kirchen – Steuergeld dafür ausgegeben worden sind, finde ich schon das unethisch! Es ging hin und her… ich erlebte etwas Ähnliches wie in einer Situation, die von Umberto Eco im Roman “Im Namen der Rose” so schön geschildert ist.
Wohin sollte sich die Bündner Theologie bewegen? Wo wäre Handlungsbedarf?
Wie gesagt: Ich bin von der Bündner Synode an den Pranger gestellt worden, bin gestorben, und wieder als neuer Mensch auferstanden. « Bin stolz, nicht mehr Teil davon zu sein. Als erster Südbündner und jüngster gewählter Dekan der Bündner Kirche, bin ich auch der erste Alt- Dekan der aus der Kirche ausgetreten ist. Welche Richtung sie gewählt hat und wo Handlungsbedarf ist, lässt mich ehrlich gesagt kalt.
Welches ist heute Ihre Lebensphilosophie?
Meine “Mission” hat sich in den letzten Jahren nicht geändert: Ich freue mich, wenn ich Menschen behilflich sein kann. In meiner neue Berufssprache heisst dies “People Management” ; die vielen Zeugnissen meiner Kunden in Linkedin bestätigen, dass ich ein guter Coach bin, und zwar nicht nur für mittlere und Top Manager, sondern auch für ganz gewöhnliche, einfache Arbeiter.
Meine Lebensphilosophie? Mensch ärgere dich nicht, wundere dich nur. … Und sei fröhlich und dankbar. Religiös ausgedruckt: “Wechselnde Pfade, Schatten und Licht, alles ist Gnade, fürchte dich nicht!
(Quelle/Bild: zVg.)