In der grossen GRHeute-Wahlserie beleuchten wir bis zum grossen Tag am 10. Juni die Bündner Regierungsrats-Kandidaten. Wir stellen eine Frage – und erhalten sieben Antworten. Machen Sie sich selbst ein Bild der Kandidaten!
Heute die Frage: «Graubünden gehört zu den ‹Sozialhilfeempfängern› unter den Schweizer Kantonen. Wie würden Sie Graubünden zu mehr wirtschaftlicher Selbstständigkeit verhelfen?»
Mario Cavigelli (CVP, bisher)
«Ein Bergkanton wie der Kanton Graubünden hat im Vergleich zu den Mittellandkantonen auch Stärken: so das Potenzial unserer Landschaft und Bergwelt, das touristisch nutzbar ist, die Wasservorkommen und damit verbunden auch die Wasserkraft, woraus wir auf lange Frist zusätzliche Wertschöpfung generieren können, der Rohstoff Holz in unseren Wäldern, der als Baustoff immer beliebter wird, und sicherlich – zusammen mit den anderen Gebirgskantonen – auch unser Beitrag an die Schweizer Identität als Standortkanton der Alpen. Die Alpen gehören auch für Mittellandeinwohner zur Schweiz wie eine blühende Bergwiese zum Frühsommer. Wichtig ist dabei, dass wir diese Potenziale initiativ und eigenverantwortlich nutzen dürfen – ohne allzu viel Vorschriften, Gesetze und andere Einschränkungen aus Bundesbern. In jenen Gebieten, die nicht zu den Seitentälern gehören – wie das Bündner Rheintal bis nach Thusis, das vordere Prättigau und die untere Mesolcina – , ist der Kanton Graubünden mit übrigen Gebieten der Schweiz weitgehend wirtschaftlich vergleichbar und somit wettbewerbsfähig.»
Jon Domenic Parolini (BDP, bisher)
«Graubünden verfügt über eine der tiefsten Sozialhilfequoten der Schweiz. Der Kanton Graubünden kann deshalb keinesfalls als «Sozialhilfeempfänger» bezeichnet werden. Graubünden gehört jedoch zu den Nehmerkantonen beim nationalen Finanzausgleich. Der Finanzausgleich ist ein Ausdruck gesamtschweizerischer Solidarität. Davon profitiert Graubünden. Der Weg zu mehr wirtschaftlicher Selbstständigkeit führt über die Schaffung von Arbeitsplätzen und Wertschöpfung. Dazu ist der Kanton auf einen grossen Gestaltungsspielraum angewiesen. Restriktionen auf Bundesebene schränken die Möglichkeiten des Kantons und die unternehmerischen Freiheiten zusehends ein.»
Christian Rathgeb (FDP, bisher)
«Ich würde von einem an den natürlichen Ressourcen und faktischen Begebenheiten orientierten nationalen Finanzausgleich sprechen. Wichtig sind der Tourismus und die Exportwirtschaft, um den Geldfluss positiv zu beeinflussen. Im Vordergrund stehen die Förderung der im Kanton domizilierten Unternehmungen und sodann Neuansiedlungen durch optimale Rahmenbedingungen. »
Marcus Caduff (CVP, neu)
«Ich gehe davon aus, dass mit „Sozialhilfeempfänger“ gemeint ist, dass der Kanton Graubünden beim Finanzausgleich ein Nehmerkanton ist. Der Nationale Finanzausgleich besteht hauptsächlich aus den Elementen Ressourcen- und Lastenausgleich. Beim Lastenausgleich werden die Nachteile, welche sich aufgrund der topografischen und geografischen Lage ergeben ausgeglichen. Diese können wir als weitläufiger Kanton mit einer schwierigen Topografie nicht beeinflussen.
Der Lastenausgleich setzt sich aus den steuerbaren Einkommen und Vermögen der natürlichen Personen und den steuerbaren Gewinnen von Unternehmen zusammen. Entsprechend kann die Abhängigkeit reduziert werden, wenn es gelingt mehr Steuerzahler, sei es natürliche oder juristische Personen, im Kanton anzusiedeln. Die Ansiedlung von Unternehmungen bedingt eine klare Strategie, Fokussierung auf einige Branche und attraktive Rahmenbedingungen für diese.»
Andreas Felix (BDP, neu)
Peter Peyer (SP, neu)
«Aufgrund unserer Geo- und Topografie und aufgrund der dünnen Besiedlung werden wir immer auf Solidarbeiträge des Bundes und der starken Kantone angewiesen sein. Wir müssen dafür kein schlechtes Gewissen haben. Auch innerkantonal gibt es mit dem Finanzausgleich einen solchen Mechanismus zu Gunsten der finanzschwachen oder stark belasteten Gemeinden. So funktioniert die solidarische Schweiz. Wir wollen aber unsere Abhängigkeit vom Finanzausgleich senken. Dafür müssen wir unsere Wirtschaft stärken. Das heisst diversifizieren, mehr in Bildung, Forschung und High-Rech-Arbeitsplätze investieren. Der Klimawandel bedroht zudem den klassischen Wintertourismus, der ohnehin ein Klumpenrisiko darstellt. Dank mehr Erlebnisangeboten in Architektur, Kultur und Natur und einem Ausbau des Gesundheitstourismus können wir auch den Tourismus modernisieren.»
Walter Schlegel (SVP, neu)
«Die Verkehrsinfrastrukturen sind der Lebensnerv einer Volkswirtschaft. Entscheidend für die Attraktivität eines Wirtschaftsstandortes sind die direkten Verbindungen zum internationalen Strassennetz und optimale Bahnerschliessungen. Bei der Strassen- und der Bahnfinanzierung richtet sich der Bund vor allem auf die Bedürfnisse der Grossagglomerationen unseres Landes aus. Vom Bund muss gefordert werden, dass die Bahnkapazitäten der RhB auf dem ganzen Streckennetz ausgebaut und mit wesentlich mehr Bundesmitteln finanziert werden, damit ähnliche Innovationen wie bei der SBB ausgelöst und vor allem die Fahrzeiten spürbar reduziert und die Pendlerattraktivität erhöht werden können. Die Nationalstrasse über den Julier soll bis an die Grenze nach Castasegna geführt werden. Ein Grenzanschluss der Nationalstrassen ist in allen übrigen Landesteilen realisiert. Damit wäre eine Sanierung der Strecke Silvaplana-Casaccia sowie die Wintersicherheit und ein Scheiteltunnel Maloja realisierbar. Diese verkehrspolitischen Massnahmen würden den Wirtschaftsstandort Graubünden stärken und in verschiedenster Hinsicht für Fachkräfte und Unternehmungen attraktiver und damit weniger abhängig vom Finanzausgleich machen.»