Reto Crameri: «Haben Randregionen eine Zukunft?»

Abwanderung, rückläufige Geburtenzahlen, Überalterung der Bevölkerung, Verlust von Arbeitsplätzen, Auszonungen von Bauland im grossen Stil und die Auswirkungen der Zweitwohnungsinitiative: die Vorzeichen für die peripheren Regionen im Kanton Graubünden sehen nicht gut aus. Dennoch: gerade als Junger bin ich überzeugt, dass die Randregionen in Graubünden durchaus eine positive Zukunft haben. 

In den Zentren werden die Wohnungspreise immer teurer: Familien finden zum Teil kaum mehr bezahlbare zeitgemässe Mietwohnungen in den Städten. Der Traum vom Eigenheim ist in den Städten und Agglomerationen aufgrund der hohen Bodenpreise für den Mittelstand je länger je weniger erschwinglich. Auf der anderen Seite stehen die Randregionen: die Baulandpreise sind tief, die Mietzinsen ebenfalls. Das Eigenheim ist in den peripheren Regionen finanzierbar; die Mieten bezahlbar. Diese Voraussetzungen stimmen also. Damit die Randregionen auch wirklich als Lebensraum attraktiv werden, braucht es gute Erschliessungen mit dem öffentlichen und privaten Verkehr, gute Schulen mit Tagesstrukturen, interessante Ausbildungsstätten und Lehrstellen, rasche Internetverbindungen und eine Grundversorgung mit Post, Banken, Bahnhöfen, Einkaufsmöglichkeiten und öffentlichen Ämtern. Die Grundversorgung muss innert angemessener Reisezeit und -distanz gewährleistet sein. Hier heisst die Lösung: regionale Zentren, in welchen diese Dienstleistungsanbieter vorhanden sind.

Stimmen die Baulandpreise und Mietzinsen, müssen in den Regionen wohnhafte Menschen rasch an den Arbeitsort gelangen können, da sich die Arbeitsplätze heute oft in den Zentren befinden. Gute Verbindungen mit dem öffentlichen Verkehr sowie Erschliessungen mit dem Individualverkehr sind zwingend: es braucht aus allen regionalen Zentren einen Halbstundentakt in die grösseren Zentren. Zudem braucht es im öffentlichen Verkehr unbedingt WLan, damit man die Reisezeit effektiv nutzen kann. Reisezeiten von über 30 Minuten sind im Mittelland alltäglich, denkt man an die unzähligen Pendler von Zürich nach Bern. Eine Fahrt mit dem Zug von Surava nach Chur ist nichts Undenkbares, wenn man die Zeit im Zug für die Arbeit nutzen kann und dafür an einem idyllischen Ort in Ruhe, mit guten Nachbarschaften – in einer «heilen» Welt – leben kann. Für die Randregionen spricht zudem, dass standortungebundene Arbeitsplätze durchaus hier angesiedelt werden können. Dafür braucht es insbesondere rasche Internetverbindungen – die Räumlichkeiten sind in den zahlreichen leerstehenden Schulhäusern im ganzen Kanton vorhanden.

Ich bin überzeugt, dass die Zeit für die Randregionen in Graubünden spricht: die Überbevölkerung in den Städten und die teuren Bauland- und Wohnungspreise werden dazu führen, dass die Menschen sich wieder mehr nach Natur und Umwelt, nach intakten Dorfgemeinschaften und Ruhe und Geborgenheit sehnen. Diese Voraussetzungen erfüllen die Randregionen in jedem Fall: ich hätte mir als Kind keinen schöneren Ort vorstellen können, als in Surava aufzuwachsen – Werte, die ich gerne den nächsten Generationen weitergeben würde.

Damit die Randregionen aber eine Zukunft haben, müssen wir bereits heute die Rahmenbedingungen schaffen: es braucht gute Erschliessungen mit dem öffentlichen und privaten Verkehr. Die Schulen müssen weiter an Qualität zulegen. Und vor allem braucht es weiterhin verfügbares und günstiges Bauland. Wir werden um jeden Quadratmeter Bauland kämpfen – und damit für eine massvolle Umsetzung von RPG I.

 
 

(Bild: GRHeute)