HTW Blog: Nachhaltigkeit ist keine Pflichtübung, sondern unsere Zukunftsperspektive

Es ist der 25. Mai, 1961. Präsident John F. Kennedy spricht vor dem Amerikanischen Kongress und erklärt, dass es Zeit ist für ein landesweites Unternehmen, um vor Ende der Dekade einen Menschen auf den Mond und wieder zurückzubringen. Nun, fast 50 Jahre nach der ersten Mondlandung braucht die Menschheit ein neues «Moonshot-Projekt».

Text: Simon Dalcher / Bilder: Naomi Wirth

Dabei geht es jedoch nicht um einen fernen und fremden Himmelskörper, sondern um unsere eigene wohlvertraute Erde. Es handelt sich dabei auch nicht um ein Prestige-Projekt sondern um die Lebensgrundlage unseres Planeten – und damit auch um das Wohlergehen der gesamten Menschheit. Die Mitglieder der Vereinten Nationen haben 2015 alle einem ambitionierten Set von Zielen zugestimmt: den Sustainable Development Goals. Diese 17 Ziele beinhalten unter anderem das Ende von Armut und Hunger für alle Menschen auf der Erde, Zugang zu Bildung und sanitären Anlagen, Sicherung des Lebensraumes auf Land und im Wasser, Aufhalten des Klimawandels sowie den Weltfrieden. Einhundertundreiundneunzig Länder haben zugestimmt, diese Ziele bis 2030 zu erreichen. Ebenfalls im Jahr 2015 trat die Mehrzahl aller Staaten dem Pariser Klimaabkommen bei, das die Globale Erwärmung auf «deutlich unter 2° Celsius» begrenzen will.

Es stellt sich nun die Frage, wer setzt diese Ziele und Abkommen um? Dass Staaten vielleicht nicht die wichtigsten Träger solcher Abkommen sind, hat der angekündigte Austritt aus dem Pariser Klimaabkommen durch die Vereinigten Staaten bereits gezeigt. Auch in der Schweiz verläuft die Implementierung eher schleppend. So ​unterstützt zum Beispiel das Investitionsverhalten der grössten Schweizer Aktienfonds und Pensionskassen eine globale Erwärmung um 4 bis 6 Grad (UVEK, Medienbericht zu den Kohlenstoffrisiken für den Finanzplatz Schweiz, 2015). Eine übergreifende Strategie mit konkreten Aktivitäten um solche Brandherde gibt es in der Schweiz zurzeit nicht. Die Zeit jedoch drängt.

Ich würde es gerne sehen, wenn wir alle unseren Teil dazu beitragen. Als Individuen, Firmen und öffentliche Institutionen bewusster durch unseren Alltag gehen und reflektierte Entscheidungen treffen. Wie auch schon Kennedy in seiner Rede an den Kongress sagte, dass alle neuen Ziele und alles zusätzliche Geld eine Mondlandung nicht möglich machen, wenn nicht jeder Wissenschaftler, Ingenieur, Techniker, Lieferant und Beamter sich persönlich dem Projekt verpflichtet. Die oben beschriebenen Ziele, die grossen Ziele des 21. Jahrhunderts, können nur erreicht werden, wenn der Bund, die Kantone, der Privatsektor, Hochschulen sowie jeder Studierende und alle Bürgerinnen und Bürger sich diesen Zielen verschreiben und sie zu seinen eigenen macht. Besonders die Hochschulen will ich in diesem Beitrag hervorheben. Als öffentliche Institution haben sie Vorbildcharakter und tragen eine gesellschaftliche Verantwortung, so zum Beispiel durch die Ausbildung von zukünftigen EntscheidungsträgerInnen, dem Erzeugen von Wissen und Innovationen und durch ihre Beeinflussung der öffentlichen Meinung. Dazu sind sie im übrigen auch gesetzlich verpflichtet, zum Beispiel durch die Artikel 2 und 74 in der Bundesverfassung, als definierter Qualitätsstandard in den Akkreditierungsrichtlinien des Hochschulförderungs- und –koordinationsgesetzes sowie im neuen Forschungs-Innovationsförderungsgesetz.

In meiner Zeit an der HTW Chur habe ich viele aussichtsreiche Projekte oder Ideen gesehen. Eine Nachhaltigkeitskomission wurde etabliert sowie kürzlich eine Fachstelle für Nachhaltigkeit im Rektorat geschaffen. Der Diskurs mit anderen Hochschulen innerhalb des UNO-Programms für eine verantwortungsvolle Management-Ausbildung wird aktiv gepflegt. Der Tourismusstudiengang hat kürzlich einen neuen Major «Sustainable Tourism and International Development» gestartet, der bereits in seiner ersten Auflage äusserst viele Anmeldungen erhielt. Zudem werden studentische Initiativen finanziell unterstützt und die aktiven Studierenden werden mit der Möglichkeit belohnt an internationalen Anlässen der UNO oder an Bildungskonferenzen teilzunehmen und ein persönliches Netzwerk aufzubauen. Was zur Zeit jedoch noch fehlt, ist wie vielerorts eine Liste mit konkreten Zielen und Aktivitäten, zu denen man sich öffentlich bekennt und Verantwortung übernimmt. Es ist gut, wenn man sich zu den Sustainable Development Goals bekennt. Aber eine Anerkennung eines Problemes ist bekanntlich nur der erste Schritt zu dessen Lösung. Wir alle müssen uns diese Ziele zu eigen machen, selber definieren wie wir unseren Beitrag zu ihrer Erreichung beitragen und diese konsequent umsetzen.

Eine mögliche Grundlage für solche Ziele und Aktivitäten stellen der Verband der Schweizer Studierendenschaften (VSS) und der Schweizer Verband Studentischer Organisationen für Nachhaltigkeit (VSN) in ihrem Positions- und Forderungspapier zur Verfügung. Während die HTW Chur bereits einige dieser sieben Forderungen ganz- oder teilweise erfüllt, weist besonders der Inhalt des Positionspapiers weitere Möglichkeiten auf, wie sich die HTW Chur als nachhaltige Hochschule besser positionieren könnte. Und als Resultat eine Lawine auslösen könnte: andere Hochschulen, die Studierenden und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dazu zu inspirieren dasselbe zu tun.

Die Uhr tickt. Wir haben nur noch wenige Jahre, in denen wir die Weichen für unsere Zukunft stellen können. Denn darum geht es schlussendlich: Nachhaltigkeit nicht als Pflichtübung, sondern als Zukunftsperspektive. Unsere gemeinsame Zukunftsperspektive.

SIMON DALCHER

Simon Dalcher hat von 2014 bis 2017 seinen Bachelor of Science in Tourism absolviert. Während eines grossen Teils seines Studiums hat er sich im Studentenverein Student HUB und als Mitglied in der Nachhaltigkeitskommission für die Nachhaltigkeit an der HTW Chur eingesetzt.
Dies ist ein Blog-Beitrag der HTW Chur.