Am 20. Februar 1938 wurde das Rätoromanische zur vierten Landessprache der Schweiz erklärt. Um an dieses historische Ereignis zu erinnern, vor allem aber um die anstehenden Herausforderungen für die rätoromanische Sprachgemeinschaft zu benennen, lud die Lia Rumantscha gestern nach Bern zu einer nationalen Medienorientierung. Sie fordert die Anerkennung der gesamten Schweiz als Territorium der vierten Landessprache.
Am 20. Februar 2018 sind 80 Jahre vergangen, seitdem das Rätoromanische per Volksabstimmung mit einem Anteil von 92% Ja-Stimmen zur vierten Landessprache der Schweiz erklärt worden ist. Die LR, ihres Zeichens Dachorganisation der rätoromanischen Sprach- und Kulturvereine, nutzte dieses Jubiläum, um einen Blick in die Zukunft zu werfen.
Die Schweiz als Ganzes ansehen
Den Anfang machte Johannes Flury, Präsident der LR, mit Überlegungen zum Territorialprinzip der rätoromanischen Sprache. Unterdessen lebt mindestens ein Drittel der rätoromanischen Bevölkerung heute ausserhalb des traditionellen Verbreitungsgebiets der Sprache. Die Schweiz als Ganzes sei deshalb als Gebiet der vierten Landessprache anzusehen und Fördermassnahmen müssten diesem Umstand Rechnung tragen. Nicht zuletzt das Rätoromanische trage schliesslich zur besonderen Identität der Schweiz bei. Diese Haltung vertrat auch der Bündner Regierungspräsident Mario Cavigelli. In seinem Grusswort griff Cavigelli eine Aussage des Schriftstellers Peter Bichsel auf, wonach Schweizerinnen und Schweizer glauben würden, die Viersprachigkeit sei so etwas wie ein „Kollektivbesitz“. Herr und Frau Schweizer je für sich könnten die vier Sprachen zwar nicht sprechen, aber die Schweizer als Kollektiv eben schon. Der Bündner Regierungspräsident verwies damit auf die grosse Bedeutung der Verankerung des Rätoromanischen als Landessprache in der Bundesverfassung. Die Schweiz sehe sich als eine Nation, die den Zusammenhalt von Land und Leuten ermögliche und fördere, indem sie allen einheimischen Bevölkerungsgruppen und ihren Sprachen respektvoll einen wichtigen Platz einräume und so Individualität und Vielfalt zulasse.
Zusammenwirken der Akteure gefordert
Im Anschluss ging Martin Gabriel, Generalsekretär der LR, im Dialog mit der Schauspielerinn Annina Sedláček aus Sent auf die Aufgaben der rätoromanischen Sprachgemeinschaft ein. Was unternimmt sie, um dem Rückgang ihrer Sprache erfolgreich zu begegnen? Erfüllen der Bund und der Kanton Graubünden ihre Pflichten, welche sie aufgrund der Sprachengesetzgebung haben, in ausreichender Art und Weise? Welche sind die Herausforderungen der nächsten Jahre für die Lia Rumantscha? Auf diese Weise wurde versucht, die Verantwortlichkeiten zu bestimmen, damit das Rätoromanische im Zusammenwirken aller Akteure auch in Zukunft seinen wichtigen Beitrag zur Vielfalt der Schweiz leisten kann. Einerseits müsse sichergestellt werden, dass das Rätoromanische in seinem angestammten Gebiet trotz Entwicklungen wie Gemeindefusionen oder Bevölkerungsschwund konsequent verwendet und weiterhin gefördert wird. Andererseits bedürfe es dringend weiterer finanzieller Mittel seitens des Bundes, um Angebote zu schaffen, die auch Rätoromaninnen und Rätoromanen in der sogenannten Diaspora zur Pflege und Weitergabe ihrer Sprache animieren.
(Bild: GRHeute)