Ein Kommentar von alt-Regierungsrat Christoffel Brändli.
Dass die No-Billaginitiative abgelehnt wird, ist mehr als wahrscheinlich und wohl auch richtig. Die grosse Mehrheit unserer Einwohner will eine Grundversorgung mit Radio und Fernsehen für unser Land und unsere Sprachregionen. Leider hat die extreme Initiative – keine Gebühren zur Sicherstellung dieser Versorgung – nicht zu einer umfassenden medienpolitischen Diskussion geführt. Vielmehr zeichnet sich die laufende Debatte durch ein Schwarz-Weiss-Muster aus: Abstellen von Schweizer Radio und Fernsehen sowie regionalen Fernseh- und Radiosendern oder weiterfahren wie bisher? Das Parlament hat es leider verpasst, der Initiative einen vernünftigen Gegenvorschlag entgegenzusetzen.
Kalte Füsse beim Bundesrat
Die ersten Meinungsumfragen zur Initiative machten den Bundesrat offensichtlich nervös. Statt der ursprünglichen 450 Franken kündete Bundesrätin Leuthardt eine Gebührenreduktion auf 365 Franken, einen Franken pro Tag, an. Mehrere hundert Millionen weniger als ursprünglich vorgesehen! Diese Reduktion zeigt, dass eine Diskussion über den Umfang der Zwangsabgaben nötig ist und dass heute mit der grossen Kelle angerichtet wird. Eine vertiefte Diskussion darüber, was wir eigentlich wollen und wieviel an Zwangsgebühren wir bereit sind zu zahlen, findet leider nicht statt. Die mögliche Palette des Angebotes ist dabei sehr breit: Von einer Informationsgrundversorgung in den vier Landessprachen bis zum heutigen umfassenden Diktat der gesamten Medenlandschaft (Schweizer Fernsehen, Schweizer Radiostationen, private Fernsehsender, private Radiostationen, nationale Online-Berichterstattung usw.).
Willkommene Staatswirtschaft?
In der Tat betreibt die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft heute bereits 17 Sender und macht sich zunehmend im Online-Bereich breit. Die nationalen Verleger, die Radio- und Fernsehstationen betreiben, hängen zunehmend am Subventionstopf des Bundes. Die Geschäftsergebnisse dieser Unternehmen sind immer mehr von den Zuwendungen aus Zwangsgebühren abhängig. Mit allen Mitteln wird deshalb versucht, die heutigen Zwangsabgaben aufrecht zu erhalten. Niemand sägt schliesslich am Ast, an dem er hängt! Auch Vorschläge im Parlament für einen moderaten Gegenvorschlag zur Initiative wurden abgelehnt. Schliesslich bemühen sich auch die Parlamentarier um das Wohlwollen der bestehenden Medien, es stehen ja bald die nächsten Wahlen an.
Diskussion zur Medienvielfalt nötig!
Immer wieder liest man, dass unabhängige Medien und die Medienvielfalt für unsere Demokratie ausserordentlich wichtig sei. Das ist in der Tat so. In Wirklichkeit sind wir von dieser Vielfalt weit entfernt. Nehmen wir das Beispiel Graubünden: In den letzten Jahren wurden praktisch alle Medien (Printmedien, private Radio- und Fernsehsender) unter das Dach der Südostschweiz Medien zusammengerafft. Das Tagblatt wurde als Konkurrenz zur Südostschweiz von einer «unabhängigen» Redaktion geführt. In Zukunft sollen die beiden Zeitungen von einer Redaktion geschrieben werden. Und das Ganze wird mit dem Deckmantel «Medienvielfalt» überzogen. Gewissermassen Medienvielfalt aus einer Hand. Radio und Fernsehen massiv subventioniert mit Billag-Gebühren.
Das ist selbstverständlich nicht nur eine Bündner Besonderheit. In fast allen Regionen unseres Landes – auch in den Zentren – laufen die Entwicklungen in gleicher Richtung.
Auch inhaltlich muss eine eingehende Diskussion darüber geführt werden, was staatlich mitfinanziert wird und was nicht. Schauen sie sich einmal kritisch die einzelnen Sendungen an und beantworten sie die Frage, ob sie es richtig finden, dass sie diese mit Zwangsgebühren mitfinanzieren. Betrachten sie sich das Organigramm der SRG und beantworten sie die Frage, ob dieses Mammutgebilde noch etwas mit Grundversorgung zu tun hat.
Wer zur Medienvielfalt steht, kann dieses Mediensystem nicht gutheissen. Mehr Freiheit, mehr Wettbewerb und weniger Staat muss der Weg sein. Ich meine: eine Grundversorgung in allen Landessprachen, eine Entflechtung der heutigen Machtkonzentrationen zumindest mit einer Trennung von Fernsehen, Printmedien und Radiosender sowie eine Beschränkung der Zwangsgebühren auf die Finanzierung der Grundversorgung.
Wie abstimmen?
Die Stimmberechtigten stehen heute vor einem Dilemma. Sachlich muss wohl die No-Billag-Initiative abgelehnt werden, weil sie die Grundversorgung in Frage stellt. Die Versuchung, mit einer ansehnlichen Zahl von Ja-Stimmen endlich eine umfassende Mediendiskussion zu provozieren, ist reizvoll. Eine Nein-Mehrheit über 70% wäre schade, weil sie die heutige unbefriedigende Situation im Medienbereich zementieren würde. Bei einem knappen Resultat besteht immerhin die kleine Hoffnung, dass sich vielleicht etwas bewegen würde.
(Bild: zVg./GRHeute)