Vor fünf Jahren startete die Idee von Mia Engiadina als Facebookgruppe. In diesen Tagen wurden die ersten Kunden auf das Hochleistungsnetz geschaltet. Die Projektphase ist finanziell abgeschlossen. Zeit für eine Auslegeordnung.
Mia Engiadina lud am vergangenen Wochenende zur jährlichen Generalversammlung. Vorab gab es die Medienorientierung mit zahlreichen Vertretern. Diese brachte selbst Jon Erni, den Präsidenten von Mia Engiadina und Mitglied der Geschäftsleitung von Microsoft Schweiz in Aufregung. «Nicht wegen der vielen Menschen und Medienvertreter» so Ernie «sondern wegen der Zahlen und den Fakten». Vor gut fünf Jahren kam die gesamte Idee um Mia Engiadina ins Rollen. Not Carl war es, der Jon Ernie darauf ansprach, dass man das Engadin mit Hochleistungsinternet versorgen sollte. Ein ganzes Hochtal der Alpen mit dem schnellen Glasfasernetz zu versorgen und damit an internationale und schnelle Leitungen anzuschliessen würde extreme Kosten verursachen. Von 50 Millionen Franken war die Rede und damit würde es zu einem Herkulesprojekt werden. Die Region, damals noch als PEB (Pro Engiadina Bassa) organisiert, sprach sofort einen Betrag von 80’000 Franken. Jon Domenic Parolini, dazumal noch Gemeindepräsident von Scuol, signalisierte seine Unterstützung. Und auch der Ideengeber und gut vernetzte Not Carl sagte seine volle Unterstützung zu. Das alles war im März 2015.
Von der regionalen Idee zum internationalen Glasfasernetz
Durch die Zusammenarbeit mit verschiedenen Partnern konnten wichtige Synergien nutzbar gemacht werden. Die Rhätische Bahn ist dabei ein wichtiger Partner für die Verbindung von Scuol nach Landquart. Die Nutzung der Swisscomleitungen hätten sonst nur für diesen Abschnitt 100’000 Franken jährlich gekostet.
«In diesem Bereich ist Konkurrenz der Swisscom wichtig für die Preisgestaltung.» Sagte später Jon Domenic Parolini, Vorsteher vom Departement für Volkswirtschaft und Soziales. Für den sogenannten «Backbone», die Leitung durch das Engadin, konnte Mia Engiadina das Glasfasernetz in den für die Stromleitungen gemachten 50 Kilometer langen Graben durchs Engadin im vergangenen Sommer nutzen. Damit kostete der verlegte Meter Glasfaser 1,50 Franken und damit insgesamt 75’000 Franken. Auch durch diese Synergie mit der EKW konnten weitere Kosten tief gehalten werden. Ein wichtiger Aspekt war stets keine Kosten für Gemeinden zu generieren. Dies gelang Walter Bernecker mit der Erarbeitung verschiedener Finanzierungsmodelle und mit der Nutzung von Synergien mit anderen Partnern. Für das Mammutprojekt der EKW gab es unzählige Einsprachen bis vor dem Bundesgericht von Privaten. Mia Engiadina setzte sich ein und konnte die Menschen mit ihrem Anliegen für das Projekt schlussendlich motivieren. Über die Landesgrenzen hinaus zeigten die Österreicher und Italiener im Südtirol Interesse. Der Weg zum leistungsfähigen Hotspot in Zürich ist durch das Engadin kostengünstiger als durch das Voralberggebiet.
Digitalisierung im Lehrplan
Im Schuljahr 2018/2019 wird der neue Lehrplan 21 im Kanton Graubünden eingeführt. Ein wichtiges Element dabei ist die Digitalisierung. Der Informatikunterricht, sowie die Infrastruktur und die Ausbildung der Lehrpersonen sind die zentralen Elemente.
Mehr als 10 Gemeinden im Engadin konnte Mia Engiadina ein Medien und ITC Konzept dafür vorlegen. Auch hier ist die Idee der Nutzung von Synergien ein wichtiger Punkt. Das Hochalpine Institut in Ftan, die Academia Engiadina in Samedan und das Lyceum Alpinum in Zuoz werden dabei als regionale Mittelschulen die Informatikompetenzzentren bilden. Die Patenschaft der Berggemeinden stellt dafür mehr als 370’000 Franken bereit.
Zusammenarbeit mit dem Gesundheitswesen
«Wenn ich von Robotern und Paketlieferungen von Drohnen spreche, erreiche ich die Menschen nicht. Im Gegenteil. Dann macht das Thema Digitalisierung Angst.» So Erni. Im Kanton wird demnächst das digitale Patientendossier eingeführt. «Wenn sie in Scuol Daheim sind, aber in Chur einen Unfall haben ist es heutzutage nicht möglich ihre Gesundheitsdaten nach Chur zu senden. Auch wenn es so einfach klingt.» erklärt Erni.
Mit dem Gesundheitszentrum Unterengadin (CSEB) und Tourismus Scuol Samnaun Val Müstair (TESSVM) will man diese Einführung für ein weiteres Pilotprojekt nutzen. Der Feriengast soll die Erholungszeit im Engadin zugleich für die Verbesserung seiner Gesundheit nutzen können. Der Gast trägt dabei im Alltag ein Messgerät zur Erfassung der Vitaldaten. Im CSEB in Scuol erfolgt dann vor dem Start der Ferienzeit eine individuelle Beratung für ein optimiertes Ferienprogramm mit Bewegung und Ernährung. Am Ende der Ferien findet ein Auswertungsgespräch statt. Der dabei eingesetzte Medicalcoach soll aber auch über die Ferien hinaus, zurück im Alltag, an die gesetzten Ziele erinnern. Damit soll die Beziehung zum Patienten und Kunden langfristig aufrecht gehalten werden.
Auch den Tourismus ins Boot holen
Im Bereich Tourismus «müssen wir das bisherige Konkurrenzdenken über den Haufen werfen» beginnt Erni bei der Vorstellung des nächsten Projekts. Reto Gurtner hat für das Skigebiet in Laax eine eigene App entwickeln lassen, dass dem Gast die Möglichkeit bietet sich zu informieren, direkt zu buchen und zu reservieren und am Ende abzurechnen. Die Entwicklung wurde vor 12 Monaten lanciert und steht im schweizweiten Downloadranking auf Platz 14 mit 60’000 downloads. Mehr als die Hälfte aller Gäste in Laax organisieren ihren Ferienaufenthalt über die App. «Wir müssen das Rad nicht neu erfinden. Wir wollen diese App schweizweit einsetzen und so gegenüber dem Gast einheitlicher auftreten und es ihm damit einfacher machen. Die Schweiz ist einfach zu klein dafür, dass jeder für sich vorangeht,» so Erni weiter.
Inovationszentrum in La Punt
Mia Engiadina rief die Engadiner Gemeinden dazu auf, sich bei Interesse für den Bau eines Inovationszentrum zu melden. In Scuol war die Zonenplanung dabei schwierig. In La Punt zeigte sich diese einfacher. «Dies soll ein weiteres Leuchtturmprojekt werden,» schwärmt Erni.
Beat Curti, der 80 jährige Vollblutunternehmer aus La Punt sagte dazu in der letzten Gemeindeversammlung, er wolle die Umsetzung noch erleben und so Arbeitsplätze ins Engadin holen. Die Regionen und Gemeinden sowie der Kanton haben bereits signalisiert dafür Gelder sprechen zu wollen.
(Bilder: Mayk Wendt)