Im nächsten Sommer wird der Bündner Regierungsrat 2019-2022 gewählt – mehrere Kandidaten stehen bereits heute unter Beschuss. Besonders Mitte-Politiker haben in den letzten Wochen und Tagen «aufs Dach bekommen».
Im nächsten Juni wählt Graubünden den Regierungsrat für die nächste Legislaturperiode. Langsam nimmt der Wahlkampf an Fahrt auf, neben den drei bisherigen Kandidaten Christian Rathgeb (FDP), Jon Domenic Parolini (BDP) und Mario Cavigelli (CVP) werden zwei Sitze in der Kantonsregierung frei.
In einer ungemütlichen Situation befindet sich die BDP Graubünden. Die Partei will oder muss ihre beiden Regierungsratssitze verteidigen, um den landesweiten Fall ins Bodenlose aufzuhalten. Nur ist eine Doppelkandidatur bei einer Wählerstärke von 14,5% ein ziemlich ambitioniertes Vorhaben, zumal beispielsweise die einstige Mutterpartei SVP mit 30% Stimmenanteil überhaupt nicht in der Regierung vertreten ist. Umso schlimmer für die BDP, dass beide Kandidaten der Gelb-Schwarzen aus verschiedenen Gründen unter Druck stehen und sich auch nur noch beschränkt auf den Support anderer Parteien verlassen können. Der Bisherige Jon Domenic Parolini musste letztes Jahr im Grossen Rat unten durch, mehrere Fraktionspräsidenten kritisierten das Amt für Wirtschaft und Tourismus AWT und sprachen offen von Führungsproblemen. Und diesen Sommer las das Bündner Parlament Parolini die Leviten wegen Undurchsichtigkeiten beim Rückkauf der Baurechte für das ehemalige Sägereiareal in Domat/Ems.
Stolperstein Preisabsprachen?
Derweil Parolini als Bisheriger einigermassen sicher im Sattel sitzt, dürfte es für den zweiten BDP-Sitz eng werden: Andreas Felix möchte als neuer Kandidat den Sitz der abtretenden Regierungsrätin Barbara Janom-Steiner erben. Nur steht Felix selbst unter Druck. Grund: Im Sommer ermittelte die Schweizer Wettbewerbskommission, dass Hoch- und Tiefbauunternehmen im Münstertal zwischen 2004 und 2012 Preise abgesprochen haben und jeweils bestimmt wurde, wer den Submissionszuschlag bekommt. Die Weko ermittelte, dass die Unternehmen im Münstertal die Ausschreibungen von öffentlichen und privaten Hoch- und Tiefbauprojekten manipuliert hatten. Bis 2008 geschah dies in «Vorversammlungen», die vom Graubündnerischen Baumeisterverband GBV organisiert wurden. In dieser Zeit war Felix Geschäftsführer-Stellvertreter des Baumeisterverbandes, anschliessend wurde er zum Geschäftsführer gewählt. Auch wenn die Weko dem Baumeisterverband bescheinigt, weder direkt an den Preisabsprachen beteiligt noch Teil der Untersuchung gewesen zu sein, dürfte die Bau-Affäre die Chancen von Felix und der BDP auf einen Regierungsratssitz beeinflussen.
Mario Cavigellis Faux-pas
Auch die CVP Graubünden, die 2018 wie die BDP zwei Regierungsratssitze einheimsen will (bei 16,8% Wahlanteil), ist nach einem Bericht von gestern in der «Südostschweiz» unter Druck. Ins Visier geraten ist Regierungsrat Mario Cavigelli, der zum Thema Sonderjagdinitiative «nicht die ganze Wahrheit» sagte. Der Regierungsrat unterschlug dem Grossen Rat das Fazit des Bundesamts für Umwelt (Bafu), dass die Sonderjagdinitiative – die von 11’000 Personen unterschrieben wurde – gültig sei. Das Bafu ist das zuständige Amt auf Bundesebene, doch als die Bündner Regierung die Antwort zur Jagdinitiative erhielt, behielt sie sie für sich. Im Grossen Rat sagte Cavigelli: «Wir wissen einfach, es ist aus unserer Sicht klar, das Waldrecht und das eidgenösssiche Jagdrecht sind nicht einhaltbar mit der Initiative, und somit ist diese ungültig.» Dies, obwohl ihm ein Schreiben von offizieller Stelle vorlag, die das Gegenteil sagte. «Er hat das Parlament bewusst hinters Licht geführt», war gestern in Kommentaren zu lesen.
Selbst die Mitglieder der vorberatenden Kommission waren über das Schreiben des Bundes in Unkenntnis gelassen worden, das Parlament erklärte die Initiative schliesslich für ungültig. Das Problem war, dass die Initianten nicht nachgaben und bis vors Bundesgericht zogen, wo die Initiative schliesslich für gültig erklärt wurde. Erst jetzt kam der Briefwechsel zwischen dem Bafu und Cavigelli ans Tageslicht. Diverse Bündner Parteien und Politiker fühlen sich brüskiert. «Das ist ein Affront gegenüber den Stimmbürgerinnen und -bürgern», schreibt die SVP Graubünden in einer Medienmitteilung, «der federführende CVP-Regierungsrat Mario Cavigelli und mit ihm die Bündner Regierung haben im Vorfeld der Abstimmung gegenüber dem Grossen Rat bewusst verschwiegen, dass das Bundesamt für Umwelt die Jagdinitiative für gültig erachtete.» Die SP und die SVP waren die einzigen Parteien gewesen, die die Initiative damals als gültig beurteilt hatten. Aus den Mitteparteien BDP und FDP (und selbst aus seiner Stammpartei CVP) wird Cavigelli für das ‹Stillschweigen› kritisiert. Diese Information wäre für die Kommission wichtig gewesen, lässt sich beispielsweise Marcus Caduff – wie Cavigelli im nächsten Jahr CVP-Regierungsratskandidat – in der «Südostschweiz» zitieren. Cavigelli selbst erklärte zu seiner Rechtfertigung, er habe das Schreiben als nicht relevant für die Meinungsbildung eingeschätzt.
Damit wollen sich die Parteien allerdings nicht abspeisen lassen, schliesslich habe er ja zur Klärung der Frage die höhere Instanz angefragt. Diese anschliessend zu verschweigen und nun kleinzureden, gehe nicht. «Es ist nicht das erste Mal, dass das Bundesgericht eine Massregelung vornehmen musste», so die SVP Graubünden, «wir verlangen, dass die CVP, ihr Regierungsrat Mario Cavigelli, aber auch die übrigen Regierungsmitglieder in nützlicher Frist klar offenlegen, welches die konkreten Beweggründe waren, die Stellungnahme des Bafu gegenüber den Entscheidungsgremien zu verschweigen bzw. zu unterdrücken.» Auch Vertreter anderer Parteien wollen dem Regierungsrat in der Dezembersession deswegen auf den Zahn fühlen.
(Bild v.l.n.r.: Andreas Felix, Mario Cavigelli, Jon Domenic Parolini/GRHeute/zVg.)