Trockenwiesen und -weiden sind besonders artenreiche Lebensräume im Parc Ela. In Battagliang, hoch oben auf den Maiensässen von Tinizong, gibt es noch grössere Flächen davon. Ihre Bewirtschaftung ist jedoch arbeitsintensiv und wenig rentabel. Trotzdem ist der Landwirtssohn Linard Sonder aus Salouf daran interessiert, einwachsende Flächen auszulichten und zu bewirtschaften. Er hat mit Unterstützung des Vereins Parc Ela einen Massnahmenplan ausgearbeitet und die Finanzierung beim Amt für Natur und Umwelt (ANU) sichergestellt.
Die Maiensässwiesen ob Tinizong sind für Linard Sonder und seine Familie ein besonderer Ort. Vor einigen Jahren ist dort bei den Parc Ela-Wiesenmeisterschaften die schönste Blumenwiese der Region ausgezeichnet worden. Auch deshalb engagiert sich die Familie Sonder dafür, das Kulturland für künftige Generationen zu erhalten und zu nutzen.
Die ausgedehnten Trockenwiesen und -weiden ob Tinizong sind Teil einer prächtigen Landschaft. Auf einer Gesamtfläche von 100 Hektaren findet sich dort ein Mosaik mit Waldstücken, Flachmooren und Weiden – eine zauberhafte Landschaft und zugleich ein guter Lebensraum für Schalenwild, Birkhuhn, Baumpieper und andere Tiere. Innerhalb der gesamten Fläche werden im Moment 68 Hektaren regelmässig landwirtschaftlich genutzt. Ziel ist es nun, auch die einwachsenden Randflächen wieder bzw. weiterhin nutzbar zu machen. Mähwiesen und Weiden werden ausgelichtet, damit diese grösser werden und mehr Licht, Wärme und Luft erhalten. Davon profitieren lichtbedürftige Arten wie Arnika und Alpenapollo. Ausserdem wird die Futterqualität für die Nutztiere verbessert.
Die finanzielle Unterstützung durch das Amt für Natur und Umwelt ermöglicht es Linard Sonder, für die Auslichtung seiner Flächen zudem andere Landwirte zu engagieren. «Für mich müssen Naturschutz und Wirtschaftsförderung Hand in Hand gehen», ist er überzeugt, «mir ist es ein Anliegen, nicht nur die Natur und Landschaft, sondern auch Arbeitsplätze in unserer Region zu erhalten.»
Gemeinsam zum Ziel
Die Förderung der Biodiversität steht aufgrund grosser Dringlichkeit auf kantonaler und nationaler Ebene ganz oben auf der Agenda und ist immer ein Zusammenspiel von verschiedenen Akteuren. Gängige Praxis sind Bewirtschaftungsverträge mit den Landwirten. Im Rahmen des Pilotprojekts «Ökologische Infrastruktur in Bündner Pärken 2016-2017» hat der Verein Parc Ela nun fünf grosse Trockenstandorte mit ungenutzten respektive einwachsenden Teilflächen unter die Lupe genommen. Wo möglich, sollen die Flächen wieder landwirtschaftlich nutzbar gemacht werden. Andernfalls wird eine alternative Minimalnutzung geprüft. Dabei werden die jeweiligen Bewirtschafter und Eigentümer, der Forstdienst, die Wildhut sowie Gemeinden und Kanton miteinbezogen.
Auf den Maiensässen ob Tinizong werden nun die ersten Massnahmen durch die Landwirtsfamilie Sonder realisiert. Bei der Aufwertung von brachen Trockenstandorten sind die Bauern jedoch auf Hilfe angewiesen. Diese leistet zum Beispiel der Verein Parc Ela durch die Organisation von Natureinsätzen für Firmen und Gruppen. Zudem bietet auch das Einsatzprogramm «Pro Biotop» von Pro Natura mit seiner mobilen, professionellen Einsatzgruppe wertvolle Unterstützung. «Pro Biotop» ist auch bei weiteren Projekten im Parc Ela involviert (siehe auch Kasten).
Bedeutung der Trockenstandorte
Artenreiche Trockenwiesen und -weiden sind ein herausragendes Merkmal des Parc Ela und kommen im Naturpark noch grossflächig vor. Über 40 Prozent der Schmetterlinge sind auf diesen Lebensraum angewiesen, und mehr als die Hälfte aller gefährdeten Pflanzenarten der Schweiz kommen auf Trockenstandorten vor. Gleichzeitig sind Trockenwiesen und -weiden aber auch Teil des Kulturlands, das landwirtschaftlich genutzt und gepflegt werden muss. Andernfalls verbracht, verbuscht und verwaldet es. Viele Bauern haben die Bewirtschaftung solcher Flächen jedoch aufgegeben, da sie meist ertragsarm und unrentabel sind und der Arbeitsaufwand gross ist. Dies sowie die intensivere landwirtschaftliche Bewirtschaftung und die Überbauungen im Tal führten dazu, dass in den letzten 100 Jahren schweizweit 95 Prozent aller Trockenstandorte unwiederbringlich verloren gegangen sind. Dank der Neuausrichtung der Agrarpolitik und der kantonalen Biotopschutzprogramme konnte diese Entwicklung nun gebremst werden. Verstärkte Anstrengungen zur Aufwertung wertvoller Flächen sind jedoch nötig, wie auch der vom Bundesrat im September 2017 beschlossene nationale Aktionsplan zur Strategie Biodiversität vorsieht.
Im Parc Ela hat man die Dringlichkeit der Biodiversitätsförderung erkannt und ist nun gemeinsam mit den Landwirten daran, die Erhaltung der wertvollen Lebensräume langfristig sicherzustellen.
(Quelle/Bild: Parc Ela)