Das Theater Chur eröffnet am 27. Oktober das Festival «Welt in Chur» mit «Prometheus in Athen» des bekannten Autoren- und Regiekollektivs Rimini Protokoll im Rahmen des Festivals «Culturescapes Griechenland 2017». In der entscheidenden Phase der griechischen Krise haben Helgard Haug und Daniel Wetzel 2010 ein Ensemble aus über 100 Athenern zusammengestellt, die sich mit dem antiken Prometheus-Mythos auseinandersetzten. Aus der Filmaufzeichnung ist nun ein faszinierendes Performance-Format entstanden, bei dem Menschen «aus der Leinwand heraustreten» und ihre damaligen Beiträge aus heutiger Perspektive neu hinterfragen.
Im Mai 2010 ging die griechische Krise in eine entscheidende Phase. Die Bedingungen für EU- und IWF-Hilfen waren akzeptiert, Generalstreiks und Proteste prägten die Strassen Athens. Westliche Medien kommentierten unter Bezugnahme auf die Gründungsmythen der Demokratie und Europas. In Athen wählten Helgard Haug und Daniel Wetzel zehn Athener danach aus, mit welchen Figuren aus Aischylos «Der gefesselte Prometheus» sie sich, darauf angesprochen, identifizieren würden. Diese Zehn bestimmten den jeweils nächsten Mitspieler aus der Bevölkerung und so fort, bis ein Ensemble aus 103 Athenerinnen und Athenern zusammengestellt worden war. Vom Kind bis zur Grossmutter, vom Künstler bis zum Taxifahrer repräsentierten sie den exakten statistischen Durchschnitt der Athener Bevölkerung. Viele Athener konnten sich gerade in der Krise mit Prometheus identifizieren, «weil er Geduld und starken Willen zeigte», aber auch «weil er riskierte, zu leiden».
An einem einzigen Abend, im rund 4’000 Zuschauer fassenden Amphitheater Herodion in Athen, gaben sie mit ihren Antworten die Stimmung des Landes wieder, zwischen Verunsicherung, Stolz und Solidarität: Es geht abwärts, aber nicht ohne Zusammenhalt. Die Autorenfilmerin Athina Tsagari hat den Abend dokumentiert. Mit dem entstandenen Film entwickelten Helgard Haug und Daniel Wetzel ein Performance-Format, bei dem einige der 2010 beteiligten Athenerinnen und Athener (in wechselnder Besetzung) live «aus der Leinwand heraustreten», dem Theaterfilm ihre persönlichen Beiträge wieder entreissen und die Brücke schlagen ins Heute. Was ist seither aus ihrer und der Sicht der Athener geschehen? Wie geht es weiter. Wer spielt den Felsen und wer den Adler?
Als Einführung zum Festivalschwerpunkt Griechenland findet um 18.30 Uhr unter dem Titel «Einstürzende Tempel – Die Wiege Europas zwischen Schuldenpoker und Flüchtlingskrise» eine Diskussionsrunde statt (Eintritt frei). Zu Gast sind u.a. Dr. phil. Konstantinos Kosmas vom Centrum Modernes Griechenland (CeMoG) aus Berlin, Lehrbeauftragter für Byzantinistik und Neogräzistik, sowie der deutsch-griechische Theaterschaffende Prodromos Tsinikoris, Co-Leiter der Experimentalbühne des Nationaltheaters Athen und Mitwirkender bei «Prometheus in Athen». Von ihm wird am 14. November ebenfalls im Rahmen des Festivals das Stück «Clean City» aufgeführt. Moderiert wird die Runde vom Zürcher Dramaturgen Armin Kerber, der langjährige Kontakte zur griechischen Theaterszene hat.
(Bild: zVg.)