Kürzlich durchforstete ich mein Archiv und fand darin unverwendete Perlen. Nun werde ich in unregelmässigen Abständen hier auf GR Heute, Geschichten, Gedichte und anderes Chrüsimüsi publizieren. Mit 18 schrieb ich ein Buch, druckte es als ich 20 wurde 50 Mal und wenig später verschwand es dann wieder von der Bildfläche. Nun möchte ich es euch hier nicht vorenthalten. Diese Perle hier stammt aus dem Jahre 2006. Viel Spass damit!
Es war ein grauer, tagtraumloser Tag, der auf Naeco und Angie wartete. Das Klima in Frankreich war einfach komisch. Obwohl der Himmel tiefgrau, ja, schon fast schwarz war, drückte das Mediterane Klima so sehr, dass es sogar für kurze Hosen und ein T-shirt langte. Es war ein wenig unheimlich.
Naeco hatte es aus der Schweiz nie in irgendeiner Art ähnlich oder gleich in Erinnerung. Doch eigentlich bekümmerte es ihn nicht wirklich, denn er war auch froh wieder einmal schwitzen zu können ohne sportliche Betätigungen zu betreiben. Das war der heisseste Herbst- /Winterübergang, den er je erlebt hatte. Naeco war glücklich. Er beschloss mit Angie noch einmal ans Mittelmeer zu fahren, solange sie noch in Frankreich waren. Also machten sie sich an diesem bittersüssen Tag auf und fuhren direkt Richtung Meer.
Wie ein kleiners Kind fühlte er sich, als er kurze Zeit später Sand unter seinen nackten Füssen spürte. Mein Gott, wie lange er das Meer nicht mehr gesehen hatte. Es waren gewiss schon zehn Jahre, wenn nicht sogar schon 15. Doch jetzt stand er da; sein Blick schweifte weit hinaus übers glitzernde Wasser.
Angie hielt ihn an der einten, mit der anderen Hand versuchte er die Schönheit dieses eines Moments zu ergreifen. Das Wetter hatte sich geändert. Hier war der Himmel wolkenlos und traumhaft hellblau. Naeco hatte sein inneres Kind wieder gefunden. Einige Augenblicke lang rauschten Bilder durch seinen Kopf. Er sah sich selbst voller kindlicher Unschuld und ein wenig übermütig direkt ins Wasser laufen. Wahnsinn, wie lange er nicht mehr hier gewesen war. Er erwachte nicht mehr aus diesem traumhaften Moment bis er eine wundervolle Wärme an seiner Seite spürte. Er hatte all diese Gefühle schon für verloren erklärt, doch seit Angelina in sein Leben geschritten war, waren nicht nur diese Gefühle wieder aufgetaucht, sondern auch ganz neue Gefühlswelten mit Höhen und Tiefen wurden zu seinem Leben hinzugefügt.
Er liebte sie sehr. Von hier bis ans Ende der Welt und sogar über den Rand hinaus würde er mit seiner Hand in ihrer Hand gehen, ohne irgendwelche Angst dabei zu empfinden. Naeco traute dieser Beziehung alles Gute und Gigantische zu. Er war sich mit Angie sicherer, denn je bevor. Am liebsten hätte er sie gleich vom Fleck weggeheiratet, doch jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt dafür. Er drehte sich ihr zu und vom Meer weg.
Er hatte gar nicht bemerkt, wie unglaublich sexy sie doch war. Angie trug ein unheimlich erotisches Bikini, welches Naeco normalerweise extrem spitz gemacht hätte, doch bei ihr konnte er seine teils recht unanständigen Triebe sehr gut unterdrückt behalten. Er liebte sie sehr und behandelte sie auch wie eine Göttin. Er war ein echter Gentleman für sie.
Es war richtige Liebe und nicht bloss sinnlose Lustbefriedigung und Herumvögeln. Für Naeco das allererste Mal in seinem Leben. Seine Hände griffen langsam und sanft nach ihren. Angelina huschte plötzlich dieses sanftmütige, grundgütige Lächeln über die Lippen. Sie kamen sich näher und näher. Naeco spürte ihren leichten Atem in seinem Ohr. Ihre Wärme war so wunderschön, dass sie ihm beinahe den Realitätsbezug nahm. Alles schien nur ein Traum oder Märchen zu sein.
Ihre Schönheit erdrückte ihn fast und ihre guten Worte liessen ihn Freudentränen weinen. Fast eine halbe Stunde standen sie dort engumschlungen. Das Leben und die Liebe strahlten aus jeder Pore und die Zeit schien still zu stehen. Langsam lösten sie sich voneinander. Ein wahnsinniger Strom von Liebe und Glückseeligkeit strömte durch beide. Sie küssten sich innig liefen gemeinsam ins hellblaue Wasser. Sie schwammen und spritzten sich gegenseitig an. Alles war, wie wenn sie wieder Kinder wären. Als sie sich sonnten, sprach Angelina:
„Hey Schatz, wie wärs, wenn wir einfach alle Pläne wegwerfen und uns nur noch von unseren Herzen leiten lassen?“
„ Ja, warum nicht? Einfach von Gefühlen leiten lassen, anstatt von Landkarten.“ „Ja genau. Lass mich dein Kompass sein und du bist meiner….“ „Ja, genau.“
Einfach von Gefühlen leiten lassen, was für ein schöner Plan! Naeco ging nicht gerne weg vom Meer als dann die Zeit kam. Er hatte Angst dieses Gefühl und dieses breite Spektrum Leben für immer zu verlieren. Als er ein letzten Augenblick aufs Meer hinausschweifte mit seinen Blicken, nahm ihn Angelina an der Hand wie eine Mutter ihr im Regen stehendes Kind. Naeco sah so viel Poesie im Meer. Es hatte irgendwas unheimlich tiefsinniges, irgendwas wie der Mond, etwas fesselndes, etwas zum Lieben.
Es war als würde das Meer mit einem sprechen, einem verstehen und einem helfen. „Naeco?“ Es riss ihn zurück auf den Boden der Realität. Er war regelrecht abgeschweift und Angie holte ihn jetzt zurück.
„Wir sollten jetzt wirklich gehen. Sonst sind wir niemals mehr irgendwo anders. Ach, sorry, ich meine sonst sind wir für immer hier und sehen den Rest der Welt nie.“
Naeco musste lächeln. Er hatte sie noch nie sich verreden gehört. Angelina lächelte auch: „Ach, ist es nicht schön über sich selbst lachen zu können?“ „Doch sehr wohl ist es das, meine kleine Prinzessin.“ Naeco nahm ihre Hand: „Lass uns tanzen…“ Obwohl weit und breit keine Musik zu hören war, summten beide synchron „Venez danser“ von Stephan Eicher.
Wundervoll wie ähnlich sie doch waren und doch nie zu ähnlich, was eine Trennung veranlassen könnte. Es war perfekter als in all den Märchen. Nach einigen Minuten liefen sie entspannt und frisch mit Sonne und Liebe getankt zu ihrem Auto, wo sie leidenschaftlich auf den Rücksitzen miteinander schliefen. Es war zu dem die erste Vereinigung der zwei.
Mit der Zigarette danach zündete Naeco alle Pläne an. Bis diese niedergebrannt waren, tanzten sie um das mittelgrosse Feuer. Die Nacht brach an. Die Sterne glänzten heller, denn je zuvor. Naeco warf Holz ins Feuer. Bald darauf waren alle Pläne und Karten weg, immerhin ein recht grosser Haufen, der den Kofferraum seines kleines Autos zu füllen vermochte. Holz lag überall herum, so konnte das Feuer doch noch einige Stunden überleben.
Es war Vollmond als Naeco wieder fünf Seiten seines Buches schrieb. Er kam sehr gut voran damit und trotzdem wurde es ihm nicht langweilig damit. Ja, er war voll im Element Schreiben und fühlte sich wie ein kleiner Kafka. Befriedigt und voll mit Leben schlief er neben seiner Angie ein. Das musste nun Liebe sein. Jemand wie sie trifft man nur einmal im Leben. Die Nacht war kalt und er rutschte näher an Angelina heran. So hatte er wieder warm.