Bluemoon’s Blog: Archivperlen – Das Ende der Sehnsucht Teil 2/13 (2006)

Kürzlich durchforstete ich mein Archiv und fand darin unverwendete Perlen. Nun werde ich in unregelmässigen Abständen hier auf GR Heute, Geschichten, Gedichte und anderes Chrüsimüsi publizieren. Mit 18 schrieb ich ein Buch, druckte es als ich 20 wurde 50 Mal und wenig später verschwand es dann wieder von der Bildfläche. Nun möchte ich es euch hier nicht vorenthalten. Diese Perle hier stammt aus dem Jahre 2006. Viel Spass damit!

 

So, nun stand er also da als unabhängiger Mann, arbeitslos und doch glücklich. Es war schon ein spezielles Gefühl jeden Tag aufzuwachen und nicht in Fesseln gebunden zu sein.

Naeco konnte jeden Tag erst am Morgen zu leben beginnen und nicht schon zwei Monate vorher alles über die Zukunft genau wissen. Naeco liebte diese Idee von einem Tag auf den anderen und von der Hand in den Mund zu leben.

Es war neu und fand jedoch nicht überall die gleiche euphorische Begeisterung wie sie bei Naeco zu Tage trat. Seine Mutter und sein Vater hassten allgemein Ideologien, die den ihrigen nicht ähnlich oder gar gleich waren und Naecos Neuentdeckung war genau so eine.
Sie liebten das ganz normale Leben mit anständigem Beruf und klar strukturierten Zukunftsaussichten. Doch Naeco waren diese Ideen schon immer fremd.

Er lebte immer noch zu Hause, weil es erstens sein Bruder Aes nicht anders zu pflegen tat und zweitens weil es einfach extrem günstig war. So konnte er über lange Zeit viel Geld anhäufen ohne grosse Verluste einstreichen zu müssen.

Es gab einmal eine Zeit in der Naeco nichts wie raus aus dem heimischen Nest wollte und bis vor drei Jahren auch tatsächlich weg blieb.

Dann hatte ihn die Vernunft gepackt und anstatt selbst ein Haus zu bauen, schnell irgendeine Frau von der Ecke zu schwängern, eine Familie zu gründen und all den Kram; entschied sich Naeco für eine Phase des Sparens und eine damit verbundene Rückkehr in die vier Wände in denen er gross geworden war.

Dies hatte sicher zu einem grossen Teil damit zu tun, dass Naeco oftmals von Frauen enttäuscht und ausgenutzt worden war, daher hatte er sich einen Sicherheitsabstand zum weiblichen Geschlecht und auch zur restlichen Aussenwelt aufgebaut. Er handelte nach dem Motto: „Aus Fehlern lernt man.“

Doch merkte er in den letzten drei Jahren oftmals, wie es ihm fehlte, in den Arm nehmen zu können und auch selbst gedrückt zu werden. Naeco hatte weder mit seinen Eltern, noch mit seinem Bruder ein besonders inniges Verhältnis, was auch körperliche Streicheleinheiten schon immer ausschloss.

Das Ganze wäre ja gar nicht so schlimm, da man sicher Abwechslung und Ablenkung in Musik oder anderem finden könnte, wäre da nicht das Problem, dass Naeco ein sehr liebesbedürftiger Mensch war und auch immer sein wird.

Naeco fand Ablenkung in der Poesie und seiner Musik. Dies war zwar ein schmaler Trost und doch klappte es irgendwie seine Sehnsucht nach Liebe in Damm zu halten und sie auch bis zu einem gewissen Grad zu verdrängen und zu ignorieren. Es war nicht immer einfach, doch es liess sich damit leben. Doch jetzt wollte er seine Gefühle wieder in den Griff bekommen und sich auch wieder für Liebe und Zuneigung von anderen Menschen öffnen.

Ein gebranntes Kind scheut das Feuer, doch bei Naeco war dies nicht von grossem Wahrheitsgehalt. Er hatte es nie aufgegeben und jetzt wollte er es wieder versuchen.

Naeco hatte es nicht im Sinn etwas zu erzwingen. Er sah eher optimistisch und entspannt in die Welt hinaus und liess alles auf sich zu kommen, denn das Schlimmste wäre sich selbst in Ketten zu legen und so sich den Weg zu sehr vielen Frauen zu verbauen.

Denn jeder Mann, der versuchte nur die eine perfekte und unerreichbare Prinzessin in Besitz zu nehmen, hatte für Naeco längst verloren. Er selbst lief umher und pflegt es alle Frauen nett zu behandeln, was den positiven Nebeneffekt namens deren Sympathie mit sich trug.

Naeco war glücklich, wenn eine Frau, die er gut mochte, ihn anstrahlte und anlachte. Dies war für ihn die absolute Erfüllung und eine Andeutung auf eventuelle Chancen bei dem jeweiligen weiblichen Wesen. Diese Vorahnung war meist ein wenig naiv und doch versüsste sie sein Leben, denn er lebte vor allem den Gedanken daran, stellte selten Fragen, denn Illusionen waren oft besser als die Wahrheit zu ertragen. Um zu dieser Weisheit zu gelangen, hatte er sich manche Nacht mit Kopfzerbrechen um die Ohren geschlagen. Irgendwie erfüllte ihn der Gedanke, die Frauen ein wenig besser zu verstehen mit grossem Stolz und Glückseeligkeit, denn er wusste, dass es mit einer genialen Kollegin in etwa gleich gut, wenn nicht noch besser sein kann, als mit einer Freundin. Er hatte sich über so viele Sachen an den Frauen Gedanken gemacht, jedoch war er sich keiner Sekunde an diesen Gedankenflügen reuend.

Eine ganz wichtige Erkenntnis, die er in diesen zum Teil sehr einsamen drei Jahren getroffen hatte, war dass man Frauen anfangs am Besten ganz vorsichtig und sanft näher kommen sollte, bestenfalls auf freundschaftlicher Ebene. Viele Frauen waren sehr fragile, was Männer jedoch meistens ignorierten. Der Clou war es, so sehr viele interessante und schöne Dinge erhaschen zu können und ein sehr grosses Vertrauen zueinander auf die Beine stellen zu können. Ein grosses Vertrauen war für Naeco schlichtweg das Wichtigste in einer Liebes- und auch Freundschaftlichen Beziehung. Ach, er schätzte und liebte die Frauen, ihre Geschichten und Wärme auf jede Art und Weise, das war’s.

Jetzt konnte er also seine theoretischen Kenntnisse endlich auch in der Praxis umsetzten und wieder neue Leute kennenlernen, da er nun ja gar nicht mehr arbeitete.

Es hatte schon zwölf Tage nicht mehr geregnet, als Naeco, anstatt wie alle anderen Bewohner, die in die Kirche rannten, um Gott zu danken für das Ende des Regens, wieder einmal, nach ewig langer Zeit, abends fortging.

Doch Naeco war sicher ein wenig zu scheu und ging dann frustriert wieder nach Hause. Anscheinend war dies nicht der richtige Weg neue Kontakte zu knüpfen. In den folgenden Wochen war Naeco noch öfters im Ausgang, doch leider blieb der Erfolg stets aus.

Seine Pläne waren wirklich perfekt ausformuliert und konzipiert, doch leider biss trotzdem keine Frau an. Mein Gott, was machte er denn falsch? Er war ja keines dieser Machoschweine, die Frauen grundsätzlich nur als Objekte betrachteten, welche an den Herd und ins Bett gehörten und sonst nirgendwo. Naeco hasste solche Leute, denn er fand im weiblichen Wesen zu seiner Muse und schätzte das schöne Geschlecht sehr. Nur dass es eben meistens fernblieb, war für ihn sehr frustrierend. Praktisch alles hatte er versucht.

Er war einige Schritte weiter gegangen, hatte angefangen sich in Chat- und Singleforen im Internet einzuloggen, was ihm zu interessanten Diskussionen verhalf und im die Traurigkeit gleich ein wenig aus dem Gesicht wusch. Doch wesentlich schlimmer als das Ganze war es, dass seine Eltern nicht mehr viel länger einen von ihnen so betitelten „arbeitslosen, faulen Schmarotzer“ zu Hause haben wollten.

Naeco traf dies jedoch nicht sehr, da die Enge in seiner Familie ihm schon lange Mühe bereitete. Schon über lange Zeit hatte er den ultimativen Plan in seinen Kopf gefasst und auch weiter perfektioniert. Trotzdem wollte er sich für alles noch ein wenig Zeit mehr herausschinden. Der Plan war einfach noch nicht ausgereift genug, um ihn der Welt an die Stirn zu nageln. Naeco fand dann irgendwie die Möglichkeit sich noch zwei bis drei Monate mehr Zeit bei seinen Eltern zu ergattern. Er nahm seinen Bruder Aes als Vorwand. Dieser hatte zwar Arbeit, aber war sicher nicht der Erfinder von Arbeit, was in etwa so viel bedeutete: Er arbeitete nur das Nötigste, damit er möglichst viel Zeit für seine komischen Hobbys und seine, freundlich ausgedrückt, unnette und nicht gutaussehende Freundin hatte. Aes war wirklich faul und arbeitete eigentlich nur wenn sein Chef gerade hinter ihm stand oder er spezielle Anerkennungen zu erhalten wünschte. Was heissen soll er war ganz klar das Lieblingskind und dies schon fast seit Geburt an.

Als Kinder kam Geschwisterneid, verständlicherweise, seitens Naeco ans Tageslicht. Naeco sprach praktisch nie mit Aes, da er ihn hasste und da beide zwei gegensätzliche Menschen waren, wie sie gegensätzlicher nicht sein könnten. Ausserdem war Aes drei Jahren älter als Naeco und wohnte immer noch zu Hause ohne Unterbruch. Doch Naecos Lust war es jetzt nicht, sich über Aes aufzuregen, da er besseres zu tun hatte. Er musste die kurze erbetene Gnadenzeit gekonnt nützten und auf jeden Fall nicht verschwenderisch damit umgehen. Zuerst kaufte er sich einmal ein gebrauchten Wagen, klein aber fein, genau wie er es wollte. Er hatte die Prüfung schon seit Ewigkeiten, doch hatte er nie irgendein Auto. Doch nun war ja mehr als genug Geld da und er gönnte sich diesen Luxus.

Ausserdem mussten die Pläne endlich auf Papier verewigt werden, um besser planen zu können. Er hatte Angst seine Träume würden den Boden unter den Füssen zu verlieren. Sicher ist sicher und der Satz „No risk – no fun“ ist eine Lüge, das war Naecos Motiv. Bald war alles auf toten Baum geschrieben und sein Plan hatte noch einen anständigen Umfang von sage und schreibe zehn Seiten.

Doch war der Plan auch durchführbar? Machte das Ganze überhaupt Sinn? Naeco legte sich schlafen und bemerkte erst einige Tage später, dass ihm noch ein sehr wesentliches, wenn nicht sogar das wesentlichste Puzzleteil zur absoluten Vollendung seines Grosskunstwerkes noch fehlte. Doch schneller als man es denkt, steckt das Schicksal seine schlaksigen, langen Finger ins Spiel und alles wird anders als man es erwartet.