Die Schweiz hat ein neues Theater. Auf dem Julierpass, auf 2300 Höhenmetern, hat das Kulturfestival Origen einen markanten Turm erbaut, der sich zur Landschaft hin öffnet, alle Jahreszeiten bespielt, vertikales Bühnenspiel ermöglicht, im Abendlicht spielt. Am 31. Juli wird das Bauwerk erstmals bespielt. Zur Eröffnung werden Fragmente der dreisprachigen Oper „Apocalypse“ und ein neues Solo für Sergei Polunin uraufgeführt. Der schweizerische Bundesrat und Kulturminister Alain Berset wird das hochalpine Theaterhaus mit einer Rede zum Nationalfeiertag einweihen.
Das Kulturfestival Origen unter der Leitung des Reinhart-Ring Trägers Giovanni Netzer wurde 2005 gegründet. Der Name Origen ist rätoromanisch und bedeutet Ursprung, Herkunft, Schöpfung – und ist Programm: das Festival interpretiert alte Mythen neu, arbeitet mit dem Sprachreichtum einer alpinen Region, experimentiert mit theaterfernen Räumen und archaischen Landschaften.
Auf geschichtsträchtigem Boden
Der Julierpass gehört zu den bedeutendsten Alpentransversalen und wird seit Jahrtausenden begangen. Die Römer errichteten ein Passheiligtum, für das Mittelalter ist eine Sebastianskapelle bezeugt, später wurden Armeebauten und Panzersperren errichtet. Der Theaterturm auf dem Pass setzt neue Massstäbe im Theaterbau und schafft einen alpinen Gegenentwurf zu den hermetisch verschlossenen Theaterräumen der Städte.
Dialog zwischen Natur und Kultur
Das Juliertheater spielt in allen Jahreszeiten und ermöglicht den unmittelbaren Dialog zwischen Bühnenspiel und Landschaft. Der Spielbeginn orientiert sich am Tageslicht. Die untergehende Sonne ersetzt den Scheinwerferhimmel. Die Jahreszeiten prägen die Themenwahl. Der Theaterturm am Pass verbindet Natur und Kultur auf einzigartige Weise.
Gesamtkosten von drei Millionen
Der Julierturm wurde aus 1220 Bauteilen erbaut. 24’400 Schrauben halten das Bauwerk zusammen. Der Holzturm hält Windböen von bis zu 240 km/h stand und trotzt selbst Staublawinen. Das Gesamtgewicht des Turmes beträgt ohne Fundament 410 Tonnen, die gesamte Bauzeit dauerte zweieinhalb Monate. Bis zur Eröffnung werden über zwei Millionen in den Turm investiert. Der wintertaugliche Ausbau des Turmes wird eine weitere Million kosten, die in den kommenden Monaten aufgebracht werden muss.
Von der Kraft des Ephemeren
Das Juliertheater ist ein ephemeres Projekt, das die Vergänglichkeit alles Lebenden reflektiert. Der Holzbau entsteht und vergeht. Im August wird der Rohbau bespielt, im Herbst erfolgt der wintertaugliche Ausbau, Ende 2020 wird das Gebäude abgetragen und das Gelände umfassend renaturiert. Der Bau entspricht der flüchtigen Kunstform des Theaters und wird nur in der Erinnerung weiterleben.
Bundesrat Alain Berset eröffnet den Julierturm
Anlässlich der Eröffnung werden der Standespräsident von Graubünden Michael Pfäffli, Regierungsrat Martin Jäger und der Gemeindepräsident der Standortgemeinde Surses Leo Thomann die Gäste begrüssen. Bundesrat Alain Berset wird am Vorabend des Schweizerischen Nationalfeiertages über die Identität und Reformfähigkeit der Schweiz sprechen.
Startänzer Sergei Polunin tanzt ein neues Solo
Das Programm der Eröffnung spannt einen weiten Bogen von der dreisprachigen Bündner Oper bis zum internationalen Tanz-Solo. Zur Eröffnung werden Fragmente aus der Oper des Bündner Komponisten Gion Antoni Derungs gegeben. Den Abschluss der Feier bildet ein grosses Tanz-Solo von Sergei Polunin, von Andrey Kaydanovskiy kreiert – als Zeichen der Weltoffenheit der Menschen am Pass.
(Bild: zVg.)