Der Medienkonzern Somedia geht neue Wege: Um die wegbrechenden Werbeumsätze zu kompensieren, hat der Verlag eine Marketing- und Kommunikationsagentur namens «Viaduct» gegründet. Das Echo aus der Branche ist gespalten.
Dem klassischen Druck- und Zeitungsgeschäft steht bekanntlich eine schwierige Zukunft bevor, das spürte die letzten Jahre auch die Somedia am eigenen Leib. Neben dem viel diskutierten Stellenabbau und der Schliessung des Druckzentrums wurden im letzten Jahr aber auch neue Produkte erfolgreich eingeführt bzw. vorwärts getrieben: Mit der Somedia Production und der Google-Business-Partnerschaft wandelte sich das Unternehmen 2016 weiter von einem Verlagshaus zu einem Kommunikationsunternehmen. Diesen Kurs setzt die Somedia nun fort, wie sie in einer Kundeninformation bekannt gibt. «Veränderung ist die Treibkraft der Schaffenden», schreibt sie, «wir passen uns den neuen Umständen an und versuchen, ihnen wo immer möglich voraus zu sein.» Viaduct heisst die neue Firma und will die Kunden als Full-Service-Marketingagentur neu schon zu Beginn der Kommunikations-Wertschöpfungskette ins Medienhaus ziehen.
Dass der Medienkonzern sich als Werbeagentur versucht, stösst nicht überall auf Gegenliebe. Die hiesigen Agenturen, die durch Werbeschaltungen ihrer Kunden oft als Partner der Somedia fungieren, stehen quasi aus dem Nichts einem potenten Konkurrent gegenüber. Dass die Agentur durch die hauseigenen Medien bevorteilt werden könnte, wird von etablierten Bündner Marketing-Profis hinterfragt. «Konkurrenz belebt das Geschäft und solange ‚Viaduct› die Marktmacht der Somedia nicht ausnutzt, sehen wir diesen Schritt als richtig», so Daniel Camenisch von der Kommunikationsagentur Hü7. Auch Kajo Bächle der Werbeagentur clus nimmt die neue Konkurrenz vorerst sportlich: «Alle Druckereien und Medienunternehmen machen schon seit langem Werbeaufträge für ihre Kunden – ob Web, PR, Suchmaschinenmarketing, Konzept, Grafik, Text oder Umsetzung. Letztendlich hängt es von der persönlichen Einschätzung ab, inwiefern dies als Werbeagentur-Leistung deklariert werden kann oder nicht. Der Verdrängungskampf ist da, grosse Medienhäuser nützen Monopolstellungen aus. Doch auch sie sind angreifbar. In Nischen entsteht Neues, wie Republik eindrücklich beweist.»
Ein Werber, der nicht namentlich genannt werden will, glaubt nicht, dass die neue Somedia-Werbeagentur nur oder vorwiegend die eigenen Medienprodukte ‚buchen‘ wird: «Die Kunden werden nicht lange tolerieren, dass andere Kanäle – wie beispielsweise in der Aussenwerbung, in Kinos oder in der Online-Kommunikation – aussen vor gelassen werden.» Sonst bestehe die Gefahr, dass ‚Viaduct‘ sehr schnell unglaubwürdig werde. Muriel Stillhard von der Bündner Kommunikationsagentur «miux» ist skeptisch: «Ein Problem ist für mich aus Kundensicht, dass ich den Gedanken der Abhängigkeit nicht loswerden kann. Das Gefühl, dass eigene Medien bevorzugt angeboten werden, bleibt bestehen.» Für Ivo ‚Fifi‘ Frei der Agentur «skipp» reicht es nicht zu behaupten, eine Marketingagentur zu sein: «Ich denke, eine weitere Agentur wird es schwierig haben. Die Ausrichtung dieser wird eine zentrale Rolle spielen und da bin ich gespannt, welcher Fokus gesetzt wird.»
Eins ist klar: Der hart umkämpfte Marketing-/Kommunikationsmarkt in Chur und Graubünden wird mit dem Eintritt der Somedia ins neue Geschäftsfeld noch einmal umkämpfter. Für Stillhard vor allem wegen der «interessanten Pakete», die die Somedia schnüren könne: «Ich sorge mich nicht ernsthaft. Die Kernkompetenz der Südostschweiz ist Medien zu produzieren und diese zu vermarkten. Sprich: die Agentur wird ein Nebenprodukt sein. Welcher Kunde möchte eine entscheidend wichtige Disziplin, die Kommunikation, in Hände legen, die dies ‚nebenbei› machen? Zudem fehlt es meiner Ansicht nach als Grossunternehmen an Agilität auf den sehr schnelllebigen Markt zu reagieren und – gemäss meinem momentanen Wissen – an führenden Köpfen mit Erfahrung.»
Mit Geschäftsführer Christian Berther, der die Somedia Production und Viaduct leitet, sowie Marco Ludwig (Kreation) und Christian Ruppaner (Gesamtverantwortung/Konzeption) setzt Somedia bei Viaduct auf «hauseigene» Köpfe. Unterstützt wird sie gemäss Webseite von einer über 40-köpfigen Crew von Spezialisten. Als Kampfansage will Stilllhard die Somedia-Konkurrenz nicht verstehen, aber «persönlich finde ich es schade. Wir arbeiten gerne mit der Südostschweiz als Partner und Mediaagentur zusammen – dies ist natürlich auch weiterhin möglich, aber es ist nicht mehr nur eine Ergänzung der Kompetenzen, sondern auch eine gewisse Konkurrenzsituation vorhanden.» Auch Kajo Bächle von clus ist überzeugt, dass letztlich das Knowhow entscheiden wird: «Flexibilität, Kreativität und Qualität werden sich langfristig durchsetzen. Mal sehen, was wirklich passiert…»
(Bild: GRHeute)