Zu sagen, am Wochenende hätte in Davos der Bär getanzt, wäre sicher verfehlt. Es waren mehr die Kuh, das Lama, die Bäuerin und der Senn. Agrischa heisst die jährliche Landwirtschaftsshow, in welcher die Bündner Bauern sich und ihre Tätigkeit vorstellen. Über 10‘000 Besucher kamen nach Davos, staunten nicht schlecht, was die Bündner Bauern alles zu bieten haben und wie herzhaft sie feiern. Ein Modell, von dem sich der Tourismus eine Scheibe abschneiden sollte.
Lachende Gesichter und leuchtende Kinderaugen waren an der Agrischa vom Wochenende mein ständiger Begleiter. Auch ich liess mich von der guten Stimmung mitreissen. Für Davos war die Agrischa ein willkommener Farbtupfer und eine Belebung zum frühen Beginn der Sommersaison. Spätestens seit dem Eidgenössischen Jodlerfest 2014 wissen hier alle, dass Schweizer Brauchtum nicht nur eine alte und ländliche Kundschaft anspricht, sondern auch jede Menge junge Leute aus städtischen Gebieten. Ein Eindruck, der sich am Wochenende wieder bestätigte; die Durchmischung der Besucherschaft war augenfällig.
Die Agrischa ist keine Show zum Selbstzweck: unsere Landwirte haben erkannt, dass sie ihren Endkunden erklären müssen, woher ihre Milch kommt, was es alles braucht, um ein gesundes Bio-Rüebli in den Laden zu bringen und dass Landwirtschaft ohne Herzblut und Sonntagsarbeit einfach nicht funktioniert. Wenn die Konsumenten das wissen, sind sie hoffentlich bereit, für Schweizer Milch, Fleisch oder Gemüse ein paar Franken pro Woche mehr auszugeben.
Die Landwirtschaft und der Tourismus weisen nicht wenige Parallelen auf: gerade in unserem eigenen Kanton haben erschreckend viele Leute keinerlei Bezug zum Tourismus. Seine Bedeutung für unsere Gesamtwirtschaft ist ihnen genauso schleierhaft wie die Ursachen für unsere höhere Produktionskosten oder die Anstrengungen, die wir unternehmen, dass sich unsere 150 Bergtäler nicht entvölkern.
Touristiker, Hoteliers, Wirte oder Bergbahnen täten gut daran, sich besser zu erklären. Unsere Gäste wollen uns aber nicht jammern hören; statt die hohen Einkaufspreise, Mindestlöhne und dem ständig wachsenden Regulierungsdickicht zu beklagen, sollten wir es einfach so machen wie die Bauern: unsere Berufe, unsere Betriebe und unsere Mitarbeitenden im besten Licht zeigen.
Der Tourismus ist aber kein Streichelzoo, Oberkellner sind keine Stiere und auch Kochlehrlinge lassen sich nicht in der Arena vorführen. Um ein Verständnis für den Tourismus zu schaffen, müssen wir andere Gefässe finden. «Please disturb» ist eine solche Initiative: Hoteliers laden Gäste jedes Jahr dazu ein, hinter die Kulissen ihrer Betriebe zu schauen.
Unsere Gäste interessieren sich für das, was wir tun. Führungen hinter die Kulissen sind seit Jahren Bausteine unserer Gästeprogramme und stossen auf grosses Interesse. Daraus können echte Erlebnisse entstehen: unsere Gäste sollten öfter mit dem Hotelküchenchef kochen, auf der Alp käsen oder sich vom Pistendienst eine Lawinensprengung erklären lassen. So erleben sie eins zu eins, was wir für sie und ihre Ferien alles tun.
Erlebnisse verbinden uns mit unseren Gästen. Richtig eingesetzt, schaffen sie Verständnis und Begeisterung für das, was wir jeden Tag tun. Sie machen aus Gästen Botschafter.
Lachende Gesichter und leuchtende Kinderaugen waren an der Agrischa vom Wochenende mein ständiger Begleiter. Unser Tourismus kann daraus lernen. Denn unsere Agrischa findet jeden Tag statt. In jedem einzelnen unserer Betriebe.